Normen
B-VG Art131a;
FinStrG §89 Abs1;
FinStrG §89 Abs2;
FinStrG §89;
VwGG §42 Abs4;
ZollG 1988 §25 Abs3 litc;
ZollG 1988 §25 Abs3;
ZollG 1988 §25 Abs4;
B-VG Art131a;
FinStrG §89 Abs1;
FinStrG §89 Abs2;
FinStrG §89;
VwGG §42 Abs4;
ZollG 1988 §25 Abs3 litc;
ZollG 1988 §25 Abs3;
ZollG 1988 §25 Abs4;
Spruch:
Die am 13. Dezember 1988 durch ein Organ des Hauptzollamtes Salzburg erfolgte Beschlagnahme des der Beschwerdeführerin gehörenden Personenkraftwagens wird für rechtswidrig erkannt. Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende, auf Art. 131a B-VG gestützte Maßnahmebeschwerde wendet sich - nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums erhobene Beschwerde mit Beschluß vom 19. Juni 1989, B 73/89, abgelehnt und antragsgemäß nach Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte - dagegen, daß ein Organwalter des Hauptzollamtes Salzburg, Außenstelle Mobile Einsatztruppe, am 13. Dezember 1988 um 12.10 Uhr in den Amtsräumen der genannten Behörde den der Beschwerdeführerin gehörenden Personenkraftwagen der Marke "Peugeot 205" mit dem polizeilichen Kennzeichen C-DE nnn samt Fahrzeugpapieren und Autoschlüssel gemäß § 25 Abs. 3 lit. c ZollG beschlagnahmte. Diese - in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
gesetzte - Maßnahme sei, so trägt die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, rechtswidrig, weil keinerlei Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug vorgelegen seien und solche auch dem Fahrzeuglenker B, als Inhaber des beschlagnahmten Personenkraftwagens nicht bekanntgegeben worden seien.
Das Hauptzollamt Salzburg als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.
Auf Grund des in der hier maßgebenden Hinsicht weitgehend übereinstimmenden Vorbringens beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes stellt der Verwaltungsgerichtshof folgenden Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin und Zulassungsbesitzerin des streitverfangenen Personenkraftwagens.
Am 13. Dezember 1988 hielt um 10.50 Uhr der Zollwachebeamte X im Zuge seines Streifdienstes im Stadtgebiet von Salzburg diesen von B gelenkten und im sogenannten formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehr (§ 93 Abs. 7 ZollG iVm § 11 Abs. 1 ZollG-DV) in das Zollgebiet eingeführten Personenkraftwagen an. Auf Grund einer von B anläßlich seiner Einreise in das Zollgebiet über das Zollamt Walserberg-Autobahn am 11. Dezember 1988 dem genannten Organwalter gegenüber abgegebenen Darstellung seiner Wohnsitzverhältnisse entstand bei dem Beamten der Verdacht, daß das streitverfangene Fahrzeug von B rechtswidrig und entgegen den für ausländische unverzollte Fahrzeuge im Zollgebiet geltenden Bestimmungen benützt werde. Der Beamte forderte daher den genannten Fahrzeuglenker auf, zur Klärung des Sachverhaltes zur Außenstelle des Hauptzollamtes Salzburg, Dienststelle der Mobilen Einsatzgruppe, in Wals, Walserberg 11, mitzukommen. In den Amtsräumen der Außenstelle des Hauptzollamtes Salzburg wurde der genannte Fahrzeuglenker nochmals über seine Wohnsitzverhältnisse und über die Verwendung des streitverfangenen Personenkraftwagens befragt. Hiebei wurde festgestellt, daß der streitverfangene Personenkraftwagen wiederholt für Beförderungen von Handelswaren im Zollgebiet (Kabotage) verwendet worden war.
Hierauf verfügte in den Amtsräumen der Außenstelle des Hauptzollamtes Salzburg das genannte Zollwacheorgan - nach telefonischer Rücksprache mit dem rechtskundigen Beamten des Hauptzollamtes Salzburg, Y, - die Beschlagnahme des streitverfangenen Personenkraftwagens unter Berufung auf § 25 Abs. 3 lit. c ZollG.
Am 14. April 1989 wurde die Beschlagnahme des streitverfangenen Personenkraftwagens vom Hauptzollamt Salzburg aufgehoben. Das Fahrzeug wurde B gegen Leistung einer Teilsicherstellung in Höhe von 3.840 S (d.i. 20 vom Hundert der unbedingt gewordenen Eingangsabgabenschuld) ausgefolgt.
Der Gerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 25 Abs. 3 lit. c ZollG. Darnach sind die Zollorgane in Ausübung ihres Dienstes bei Gefahr im Verzug befugt, Waren zu beschlagnahmen, wenn ohne diese Beschlagnahme u.a. die spätere Geltendmachung der Sachhaftung oder die Einbringung von bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben und Nebenansprüchen zu diesen gefährdet wären.
Gemäß § 178 Abs. 1 ZollG haften Waren, für die die Zollschuld unbedingt oder bedingt entstanden ist, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Personen für den auf sie entfallenden Zoll und können aus diesem Grund nach Maßgabe des § 20 der Bundesabgabenordnung vom Zollamt beschlagnahmt werden. Die Haftung beginnt mit dem Entstehen und endet mit dem Erlöschen der Zollschuld. Nach der Anordnung des § 225 Abs. 1 BAO werden sachliche Haftungen, die nach Abgabenvorschriften an beweglichen Sachen bestehen, durch Erlassung eines die Beschlagnahme der haftenden Sachen aussprechenden Bescheides geltend gemacht.
Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme handelt es sich um eine Art vorläufiges Verfahren zur Regelung eines einstweiligen Zustandes, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke ihrer Verwahrung dient. Das Wesen der Beschlagnahme besteht darin, daß die Verfügungsgewalt über eine Sache vom Berechtigten auf die Abgabenbehörde übergeht. Die Beschlagnahme fügt dem Betroffenen einen im nachhinein nicht wieder behebbaren rechtlichen Nachteil zu. Sie schränkt die Dispositionsbefugnis des Eigentümers bzw. (Rechts-)Besitzers über die beschlagnahmten Gegenstände ein. Die Beschlagnahme hat die Aufgabe, alle (nachteiligen) Einwirkungen des Inhabers oder anderer Personen auf die Ware zu unterbinden. Sie ist ein staatlicher Hoheitsakt, der dem davon Betroffenen das tatsächliche Verfügungsrecht entzieht.
Gemäß § 25 Abs. 4 ZollG darf eine Beschlagnahme ohne Gefahr im Verzug nur in den Fällen des Abs. 3 lit. a und d und nur auf Grund eines Bescheides des Zollamtes vorgenommen werden.
Aus eigener Macht und ohne bescheidmäßige Anordnung des Zollamtes dürfen die Zollorgane in Ausübung ihres Dienstes Waren nur "bei Gefahr im Verzug" beschlagnahmen.
Die belangte Behörde versucht, das Vorliegen der "Gefahr im Verzug" i.S.d. § 25 Abs. 3 ZollG damit zu rechtfertigen, daß die Notwendigkeit, den Abgabenanspruch unverzüglich sicherzustellen, deshalb gegeben gewesen sei, weil die Befragung des genannten Fahrzeuglenkers in den Amtsräumen der Außenstelle des Hauptzollamtes Salzburg, Mobile Einsatzgruppe, in Wals, somit im Nahbereich der Zollgrenze und in größerer räumlicher Entfernung (ca. 10 km) zum Sitz des Hauptzollamtes erfolgt und deshalb eine Beschlagnahme mittels Bescheides nicht möglich gewesen sei. Wenn die bekämpfte Beschlagnahme vom Zollorgan aus eigener Macht nicht verfügt worden wäre, hätte die Möglichkeit bestanden, den streitverfangenen Personenkraftwagen in das nicht einmal einen Kilometer entfernte Zollausland zu verbringen und damit dem Zugriff der Zollbehörde zu entziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag diesen Ausführungen nicht beizupflichten:
Aus den für die rechtliche Beurteilung maßgebenden und oben wiedergegebenen Bestimmungen des § 25 Abs. 3 und 4 ZollG ergibt sich, daß von den Zollorganen eine Beschlagnahme zum Zwecke der Sicherung der Sachhaftung aus eigener Macht und ohne bescheidmäßige Anordnung des Zollamtes nur dann vorgenommen werden darf, wenn "Gefahr im Verzug" gegeben ist.
Die Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen durch die Zollorgane unterliegt hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffes "Gefahr im Verzug" in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Dabei ist bei einer Maßnahmebeschwerde vom Verwaltungsgerichtshof aus einer ex-ante-Sicht zu beurteilen, ob bei der aus eigener Macht durch das Zollorgan verfügten Beschlagnahme "Gefahr im Verzug" vorgelegen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß es in Gefahrenlagen, in denen höchste Eile geboten ist, schwierig sein mag, sachgerecht und richtig zu verfahren, weil in die Rechte der von der Beschlagnahme Betroffenen oft ohne ausreichende Aufklärung des Sachverhalts, unter Umständen auf Grund einseitiger Sachverhaltsdarstellung einer Partei, eingegriffen werden muß, um die Sachhaftung und damit die Einbringung der Eingangsabgaben sicherzustellen.
Der Begriff "Gefahr im Verzug" ist im Hinblick auf den mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck der Hintanhaltung der "Sachhaftungsgefährdung" dahin zu verstehen, daß eine solche konkrete Gefahr dann anzunehmen ist, wenn durch eine bescheidmäßige Anordnung der Beschlagnahme ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge haben würde, daß die grundsätzlich mit Bescheid auszusprechende Beschlagnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen.
"Gefahr im Verzug" kann nur dann anerkannt werden, wenn die vom Zollorgan aus eigener Macht durchzuführende Beschlagnahme eine Gefährdung erlitte zufolge der Verzögerung, die durch die Erlassung eines die Beschlagnahme aussprechenden Bescheides eintreten würde.
Diese Voraussetzung lag im Beschwerdefall nicht vor.
Die bekämpfte Beschlagnahme erfolgte in den Amtsräumen eines Zollamtes.
Es ist im Beschwerdefall nicht zu erkennen und die belangte Behörde hat diesbezüglich auch nichts vorgetragen, warum es aus organisatorischen Gründen nicht möglich war, eine Beschlagnahme in den Amtsräumen einer Außenstelle des Hauptzollamtes Salzburg - anders als bei der Betretung des Fahrzeuglenkers zwei Stunden vorher im Zuge des Streifdienstes im Stadtgebiet von Salzburg - mittels Bescheid auszusprechen. Es widerspräche dem Sinn der in § 25 Abs. 3 und 4 ZollG getroffenen rechtsstaatlichen Sicherung und dem des Rechtsbegriffes "Gefahr im Verzug", wenn man für den Regelfall "Gefahr im Verzug" annehmen und deshalb generell die Beschlagnahme mittels Bescheides nach § 225 Abs. 1 BAO für entbehrlich halten wollte.
Die der belangten Behörde zuzurechnende Amtshandlung entsprach daher nicht der Rechtslage. Da bei sogenannten faktischen Amtshandlungen eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften von vorneherein ausscheidet (vgl. im Zusammenhang die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1983, Zl. 82/13/0082, Slg. Nr. 5839/F), war der angefochtene Verwaltungsakt gemäß § 42 Abs. 4 VwGG als rechtswidrig zu erklären. Da die bekämpfte Amtshandlung ausschließlich auf § 25 Abs. 3 lit. c ZollG gestützt wurde und die Bestimmung des § 89 Abs. 2 FinStrG zur Deckung dieses Verwaltungsaktes nicht in Betracht kommt, war auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht näher einzugehen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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