Normen
AVG §38;
AVG §69 Abs1 litb;
BAO §116 Abs1;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc idF 1961/194 ;
FinStrG §214;
VwRallg;
ZollG 1955 §174 Abs3 litc;
ZollG 1988 §174 Abs3 litc;
AVG §38;
AVG §69 Abs1 litb;
BAO §116 Abs1;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc idF 1961/194 ;
FinStrG §214;
VwRallg;
ZollG 1955 §174 Abs3 litc;
ZollG 1988 §174 Abs3 litc;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen und gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1986, Zl. 84/16/0235, auszugsweise veröffentlicht in ÖStZB 24/1986, S. 448, verwiesen.
Mit dem angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich die Beschwerde desselben Beschwerdeführers gegen die Berufungsentscheidung derselben belangten Behörde vom 15. Oktober 1984, Zl. 7/2/G-5/1/1/82, als unbegründet abgewiesen. Mit dieser Berufungsentscheidung hatte die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen insgesamt acht Bescheide des Zollamtes Klagenfurt (in der Folge: Zollamt) je vom 9. Februar 1978,
- 1. Zl. ENr. 565/4/77-III, 2. Zl. ENr. 565/13/77-III,
- 3. Zl. ENr. 565/14/77-III, 4. Zl. ENr. 565/16/77-III,
- 5. Zl. ENr. 565/21/1977, 6. Zl. ENr. 565/24/1977-III,
- 7. Zl. ENr. 565/26/1977-III, und 8. Zl. ENr. 565/43/77, je betreffend die Entstehung der Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes und die Nacherhebung von Eingangsabgaben für einen Pkw (insgesamt daher für 8 Pkws) gemäß § 174 Abs. 3 lit. c i.V.m.
§ 3 Abs. 2 ZollG 1955, als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen deshalb, weil sie trotz (erst nach längerer Zeit ausgesprochenen) Widerrufes des am 21. (und 22.) Dezember 1977 vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Vernehmung durch Beamte des Zollamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz abgelegten Geständnisses dem späteren, damit nicht im Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der freien Beweiswürdigung weniger Glauben beigemessen hatte.
Mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht (in der Folge: Landesgericht) vom 16. Mai 1988, GZ. 25 Vr 4632/86, Hv 315/86-25, wurde der Beschwerdeführer gemäß "§ 259 Z. 3 StPO (§ 214 Abs. 2 FinStrG)" - richtig nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 6. September 1988, GZ. 11 Os 101/88-5, nur gemäß § 214 FinStr - von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe im Zeitraum ab Juli 1973 bei der Einfuhr von 42 Kraftfahrzeugen bei den Zollämtern Schwarzbach und Großgmain im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit ... vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt S 82.167,-- dadurch bewirkt, daß er unrichtige, weil zu niedrige Preise für die Fahrzeuge in den Warenerklärungen und den Erklärungen zur Ermittlung des Zollwertes unter Beischluß entsprechend unterfakturierter Rechnungen bzw. Kaufanträge abgegeben habe, wobei die Taten in der Absicht begangen worden seien, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, freigesprochen. Dies im wesentlichen deshalb, weil das Gericht der Verantwortung des Beschwerdeführers vor Gericht gefolgt sei, mit der er behauptet habe, die Niederschrift über die erwähnte Vernehmung entspreche nicht den Tatsachen. Es sei aber auch grundsätzlich zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer überhaupt etwas mit der Verzollung zu tun gehabt habe. Gewerbsmäßigkeit nach § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG sei in bezug auf den Beschwerdeführer nicht gegeben, da hiefür absichtliches Handeln erforderlich sei.
Am 28. Oktober 1988 langte beim Zollamt der auf das angeführte Urteil des Landesgerichtes gestützte Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Oktober 1988 auf Wiederaufnahme der (zumindest u.a. offensichtlich durch die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 15. Oktober 1984 abgeschlossenen) Verfahren ein. In diesem Wiederaufnahmsantrag wurde einleitend bemerkt, daß gegenüber dem Beschwerdeführer mit Bescheiden des Zollamtes, fortlaufende Zahlen ENr. 565/1/77-565/44/77, Eingangsabgaben in Höhe von S 77.277,-- festgesetzt worden seien. Eine Ablichtung des inzwischen ergangenen Urteiles des Landesgerichtes habe der Vertreter des Beschwerdeführers erst am 12. Oktober 1988 erhalten. Der Wiederaufnahmsantrag wurde mit der Beweiswürdigung durch das Landesgericht und dessen Verneinung der Gewerbsmäßigkeit in bezug auf den Beschwerdeführer begründet.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1988 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des durch die angeführte Berufungsentscheidung vom 15. Oktober 1984 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO und die Entscheidungsgründe des angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1986 mit folgender Begründung:
Der Wiederaufnahmsgrund nach § 303 Abs. 1 lit. a BAO sei nicht in Erwägung zu ziehen. Der Umstand, daß das Strafgericht denselben Sachverhalt (das Geständnis des Beschwerdeführers) anders beurteilt habe als die Abgabenbehörde, stelle weder eine neu hervorgekommene Tatsache noch ein neu hervorgekommenes Beweismittel dar, weshalb das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO zu verneinen sei. Das Strafgericht habe nicht über eine "Vorfrage" im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO entschieden.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch den angefochtenen Bescheid in seinem subjektiv-öffentlichen Recht "auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Geltendmachung der Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes und Nacherhebung von Eingangsabgaben für 8 Pkws in den" eingangs angeführten Bescheiden "des Zollamtes ... vom 9.2.1978" verletzt.
Als Beschwerdegründe im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG bringt die Beschwerde vor, das angeführte Urteil des Landesgerichtes sei als Tatsache und Beweismittel neu hervorgekommen. Ausgehend von der Einheit der Rechtsordnung solle die Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. c BAO verhindern, daß es zu unterschiedlichen Entscheidungen verschiedener staatlicher "Organisationen" komme. Die belangte Behörde lasse überdies unberücksichtigt, daß ein Wiederaufnahmsverfahren zweiteilig sei. Im ersten Schritt sei zu prüfen, ob das Verfahren überhaupt aufzunehmen sei (oder nicht). Erst beim nächsten Schritt sei zu klären, ob im wiederaufgenommenen Verfahren ein anderes Ergebnis als im ersten Verfahren herauskomme (oder nicht).
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach § 305 Abs. 1 BAO steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.
Auch die Beschwerde geht offensichtlich von der zutreffenden Ansicht aus, daß der Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit. a BAO im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.
Ganz abgesehen davon, daß es sich bei dem angeführten Freispruch des Beschwerdeführers um einen gemäß § 214 FinStrG (wegen Unzuständigkeit der Gerichte) handelt und eine unterschiedliche Beweiswürdigung durch eine Verwaltungsbehörde einerseits und eine Verwaltungsstrafbehörde oder ein Gericht andererseits allein noch keinen Wiederaufnahmsgrund darstellt (siehe z.B. aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 21. Februar 1985, Zlen. 83/16/0027, 0029, ÖStZB 23/1985, S. 373, und das zu den diesbezüglich mit § 303 BAO vergleichbaren § 69 AVG 1950 ergangene Erkenntnis vom 12. April 1972, Zl. 285/71), scheint der Beschwerdeführer folgendes zu übersehen:
Ein Wiederaufnahmsantrag nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die beim Abschluß des wiederaufgenommenen Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich möglich wurde (siehe z.B. das bereits angeführte Erkenntnis vom 21. Februar 1985). In gleicher Weise wie z.B. die in dem zuletzt erwähnten Erkenntnis erörterten, die betreffenden Strafverfahren teilweise einstellenden Straferkenntnisse zweiter Instanz oder eine lange nach rechtskräftigem Abschluß des Abgabenverfahrens erfolgte Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 1974, Zl. 6/74, Slg. Nr. 4670/F) vermag auch das hier in Rede stehende Urteil schon rein begrifflich einen Wiederaufnahmsgrund nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO nicht darzustellen. Abgesehen davon, daß dieses Urteil nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden ist, sind "Tatsachen" im Sinne der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Es liegt auf der Hand, daß das angeführte Urteil des Landesgerichtes, auch wenn es bestimmte Sachverhaltselemente feststellt, nicht mit diesen tatsächlichen Umständen selbst gleichzusetzen ist, d.h. also keine "Tatsache" im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO bildet.
Dieses Urteil stellt aber auch kein (neu aufgefundenes) Beweismittel dar, es basiert im wesentlichen vielmehr - in gleicher Weise wie schon die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 15. Oktober 1984 - auf den Angaben des Beschwerdeführers (Geständnis und Widerruf).
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung sind aber auch die Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 lit. c BAO nicht gegeben. Bei einer Vorfrage handelt es sich um eine Frage, für die die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Entscheidung berücksichtigt werden muß. Eine Vorfrage ist somit ein vorweg, nämlich im Zuge der Tatbestandsermittlung zu klärendes rechtliches Element des bestimmten zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles und setzt voraus, daß der Spruch der erkennenden Behörde in der Hauptfrage nur nach Klärung einer in den Wirkungsbereich einer anderen Behörde fallenden Frage gefällt werden kann. Bei der Vorfrage muß es sich demnach um eine Frage handeln, die Gegenstand eines Abspruches rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur durch eine andere Behörde (Gericht) ist (siehe z.B. aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 15. November 1965, Zl. 1193/65, Slg. Nr. 3358/F, und das bereits wiederholt angeführte Erkenntnis vom 21. Februar 1985).
Auch im Beschwerdefall liegt eine nach den Grundsätzen des § 116 BAO zu beurteilende Bindung der Abgabenbehörde an das erwähnte Urteil des Landesgerichtes nicht vor.
Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle zu bemerken, daß der Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. c ZollG nicht mit subjektiven Tatbestandsmerkmalen ausgestattet ist. Das subjektive Bewußtsein der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der in der Warenerklärung enthaltenen Angaben ist für das Entstehen der Zollschuld kraft Gesetzes ohne Belang (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1985, Zl. 84/16/0090, Slg. Nr. 5990/F).
Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung in der Begründung des angefochtenen Bescheides eine Vermengung des letzten Satzteiles des § 303 Abs. 1 BAO mit den übrigen Teilen dieser Bestimmung nicht zu erblicken.
Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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