VwGH 89/13/0049

VwGH89/13/00496.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 13. Jänner 1989, GZ 6/1-1268/88, betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für 1975 bis 1979, zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 1984;
EStG 1972 §4 Abs3;
UStG 1972 §4 Abs3;
AbgÄG 1984;
EStG 1972 §4 Abs3;
UStG 1972 §4 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Immobilienverwalter in Wien. Den Gewinn ermittelte er in den Streitjahren durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben. Im Jahre 1983 wurde beim Beschwerdeführer auf Grund der Bestimmungen des § 99 FinStrG eine Betriebsprüfung durchgeführt, die sich insgesamt über die Jahre 1974 bis 1981 erstreckte.

Nach der Lage der Akten hat der Beschwerdeführer in den Streitjahren 1975 bis 1979 seinen gesamten Zahlungsverkehr im wesentlichen über ein Girokonto abgewickelt. Dabei wurde nicht zwischen Geldbeträgen, die dem Beschwerdeführer selbst zugeflossen waren, und Geldbeträgen, die von ihm lediglich treuhändig für die Eigentümer der verwalteten Liegenschaften übernommen worden waren, unterschieden. Nach den Feststellungen im Zuge des Prüfungsverfahrens wurden Guthaben auf dem Girokonto auf zwei Sparbücher eingelegt. Ein Sparbuch mit der Bezeichnung "Treuhandgelder" wurde am 13. November 1975 mit Einlagen von S 600.000,-- und S 880.117,28 eröffnet und am 3. Mai 1976 mit einem Guthabensstand von S 1,554.474,30 liquidiert. Ein Sparbuch mit der Bezeichnung "Hyberocha" (Schreibweise laut Eintragung im Sparbuch) wurde am 29. Oktober 1976 eröffnet und nach verschiedenen Einlagen und Abhebungen am 31. März 1980 liquidiert. Die Sparzinsen wurden bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit erklärt.

Das Finanzamt erließ nach der Betriebsprüfung unter anderem Bescheide hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer für 1975 bis 1979. Abgesehen von weiteren, nicht den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Auswirkungen der Prüfungsfeststellungen wurden dabei insbesondere Einlagen auf den genannten Sparbüchern als Betriebseinnahmen bzw. Umsätze behandelt.

In der Berufung gegen diese Bescheide wurde zum Streitpunkt der Sparbucheinlagen ausgeführt, das Sparbuch "Hyberocha" sei "aus offenen Mitteln der Verwaltung gespeist" worden und habe sich im Betriebsvermögen befunden. Die Zinsen seien besteuert worden. Mit dem Geld des Sparbuches habe der Beschwerdeführer verschiedene Liegenschaften kaufen, aber auch andere Anschaffungen tätigen wollen. Die beabsichtigten Käufe hätten sich nur mit Bargeld realisieren lassen.

Das Finanzamt erließ eine Berufungsvorentscheidung, in der unter anderem die Einlagen auf den Sparbüchern "Treuhandgelder" (1975 und 1976) und "Hyberocha" (1976 bis 1979) vermindert um "laufende" Abhebungen als Betriebseinnahmen bzw. Umsätze angesetzt wurden. Infolge des Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz galt die Berufung wiederum als unerledigt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich des Streitpunktes der Besteuerung der Sparbucheinlagen - abgesehen von einer betragsmäßigen Berichtigung - keine Folge gegeben. In der Begründung der Berufungsentscheidung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Dotierung der beiden Sparbücher sei ausschließlich mit Geldern erfolgt, die dem Beschwerdeführer lediglich zur treuhändigen Verwaltung überlassen worden seien. Die Sparguthaben seien mit bestimmten Einschränkungen für private Zwecke des Beschwerdeführers verwendet worden. Nach Auffassung der belangten Behörde scheine es ausgeschlossen, daß vom Beschwerdeführer bereits der Umsatz- und Einkommensteuer unterzogene Einnahmen auf den beiden Sparbüchern (mit der Bezeichnung "Treuhandgelder" und "Hyberocha") veranlagt wurden. Der Beschwerdeführer habe nämlich auch über weitere Sparbücher verfügt, die tatsächlich nur mit dem Beschwerdeführer gehörenden Mitteln dotiert worden sein "dürften". Auch die Bezeichnung der vorgenannten beiden Sparbücher spreche dafür. Weiters könnten dem Beschwerdeführer kaum nennenswerte zusätzliche eigene Mittel zur Dotierung dieser Sparbücher zur Verfügung gestanden sein. Wenngleich Einkommen zwischen S 161.297 (1975) und S 476.976,-- (1980) ausgewiesen worden seien, sei zu bedenken, daß der Beschwerdeführer stets hohe Investitionen getätigt, mehrere Mietwohngrundstücke erworben und kaum Banksollzinsen als Ausgaben geltend gemacht habe. Die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß Treuhandgelder vom Beschwerdeführer widmungswidrig nur in jenem Umfang verwendet worden seien, der den Einlagen auf den Sparbüchern "Treuhandgelder" und "Hyberocha" entspricht. Es sei auch davon auszugehen, daß Abhebungen von diesen Sparbüchern, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit entsprechenden Eingängen auf dem Girokonto stehen, wieder an die Hauseigentümer zurückgeflossen seien, dh. daß der Beschwerdeführer die entsprechenden Eingänge auf seinem Girokonto zu Rückzahlungen an die Hauseigentümer bzw. zur Begleichung von Ausgaben, die von den Hauseigentümern zu bestreiten waren, verwendet habe. Weiters habe die belangte Behörde unterstellt, daß sämtliche, jeweils bis unmittelbar vor der Auflösung der Sparbücher vorgenommenen Abhebungen gleichfalls an die Treugeber zurückgeflossen seien.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde in der angefochtenen Berufungsentscheidung davon aus, daß "Betriebseinnahmen" und "Betriebsausgaben", die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten), in den Streitjahren zu berücksichtigen gewesen seien. Jene Beträge, die der Beschwerdeführer als Hausverwalter - sei es im eigenen Namen, sei es im Namen der von ihm vertretenen Hauseigentümer - vereinnahmt habe, seien dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Zufließens als Betriebseinnahmen zuzurechnen. Erst die tatsächliche Weiterleitung an die Hauseigentümer bzw. die Bezahlung von Aufwendungen in deren Namen führe zu Betriebsausgaben. Nach Auffassung der belangten Behörde sei die in der Berufungsvorentscheidung gewählte Schätzungsmethode in sich schlüssig. Die Schätzungsmethode bestehe keineswegs in der Besteuerung von "Innenumsätzen" zwischen Giro- und Sparkonten. Aus der Tatsache der Dotierung der Sparbücher mit Mitteln, die ausschließlich vom betrieblichen Girokonto stammen, schließe die Behörde darauf, daß dem Beschwerdeführer Fremdmittel aus dem Girokonto zugeflossen seien.

In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von der Steuerpflicht von vereinnahmten Fremdgeldern aus. Da das Tatbestandsmerksmal der Verausgabung im fremden Namen und auf fremde Rechnung bei denjenigen Geldmitteln, deren Verwendung im Interesse der Hauseigentümer im Berufungszeitraum nicht nachgewiesen worden sei, nicht vorliege, sei der Entgeltcharakter dieser Beträge auch durch § 4 Abs. 3 UStG 1972 nicht ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Durch den Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Besteuerung nach dem Gesetz dadurch verletzt, daß Geldbeträge, die er selbst als Umsätze und Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Hausverwalter erzielt und bereits versteuert habe und Geldbeträge, die den von ihm vertretenen Hauseigentümern zuzurechnen waren und die bei diesen bereits besteuert wurden, beim Beschwerdeführer nochmals als Umsatz und Einkommen zur Besteuerung herangezogen worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung zunächst auf die Rechtsauffassung, daß Fremdgelder im Zeitpunkt des Einganges bei der Mittelsperson als Betriebseinnahmen zu behandeln seien. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß bereits vor dem Abgabenänderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 531 - womit im zweiten Satz des § 4 Abs. 3 EStG 1972 eine ausdrückliche "Durchlauferregelung" geschaffen wurde - durchlaufende Posten nicht als Betriebseinnahmen zu betrachten waren, da sie wirtschaftlich nicht in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen (der Mittelsperson) gelangten. Dabei ist es nicht erforderlich, daß bei der Fremdgeldgebarung gesonderte Konten (Anderkonten) geführt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1990, Zl. 90/13/0104, worin sich der Gerichtshof auch mit den von der belangten Behörde zur Stützung ihres Standpunktes herangezogenen Erkenntnissen vom 20. März 1959, Zlen. 1593, 2333/58, und vom 7. Juli 1971, Zl. 140/69, auseinandergesetzt hat).

In umsatzsteuerlicher Hinsicht ist zu beachten, daß § 4 Abs. 3 UStG 1972 Vereinnahmung und Verausgabung im Namen und für Rechnung eines anderen fordert, soll ein durchlaufender Posten vorliegen. Dabei kann ein durchlaufender Posten so lange angenommen werden, als die Mittelsperson zur Verausgabung verpflichtet und gewillt ist, wobei der Mittelsperson der Wille zur Verausgabung auch abzusprechen ist, wenn sie ihn mangels vorhandener Mittel nicht mehr realisieren kann (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 14. November 1990, Zl. 90/13/0104). Die von der belangten Behörde hiezu vertretene Auffassung, der Entgeltcharakter derjenigen Beträge sei durch § 4 Abs. 3 UStG 1972 nicht ausgeschlossen, deren Verwendung im Interesse der Hauseigentümer IM BERUFUNGSZEITRAUM nicht nachgewiesen worden sei, ist daher unzutreffend.

Die belangte Behörde ist somit von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde aber auch bei der Beurteilung des ermittelten Sachverhaltes nicht folgen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht lediglich insoweit Übereinstimmung, daß die streitgegenständlichen Einlagen auf den beiden Sparbüchern mit der Bezeichnung "Treuhandgelder" und "Hyberocha" aus den Guthaben auf dem für betriebliche Zwecke unterhaltenen Girokonto dotiert worden sind. Die aus dieser Tatsache von der belangten Behörde gezogene Folgerung, die Dotierung der Sparbücher sei ausschließlich mit Geldern erfolgt, die dem Beschwerdeführer zur treuhändigen Verwaltung überlassen wurden, erscheint nicht schlüssig. Abgesehen davon, daß die Behörde keinen tatsächlichen Umstand anführen konnte, der eine solche Schlußfolgerung untermauern könnte, spricht gegen den Standpunkt der belangten Behörde, daß die Geldgebarung des Beschwerdeführers grundsätzlich nur über ein einziges Konto, also ohne getrennte Verrechnung der Fremdgelder, geführt worden ist. Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer die auf den genannten Sparbüchern bestehenden Guthaben auch für die Finanzierung privater Aufwendungen verwendet hat, können entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine Rückschlüsse auf die Herkunft der Geldmittel gezogen werden. Weiters sprechen weder die Tatsache, daß der Beschwerdeführer auch weitere Sparbücher unterhielt, noch die Bezeichnung der beiden beschwerdegegenständlichen Sparbücher für die von der belangten Behörde gezogenen Folgerungen. Da beide Sparbücher vom Beschwerdeführer als im Betriebsvermögen befindlich behandelt wurden und eine höherverzinsliche Veranlagung auch von Fremdgeldern den Grundsätzen einer kaufmännischen Führung des Unternehmens entspricht, erscheinen die gewählten Bezeichnungen der Sparbücher nicht ungewöhnlich.

Auch der Hinweis der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer seien keine "eigenen" Mittel zur Dotierung der Sparbücher zur Verfügung gestanden, geht ins Leere, weil sie ja selbst davon ausgegangen ist, daß die Einlagen aus dem betrieblichen Girokonto stammen.

Von der belangten Behörde wird die von ihr vorgenommene Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen als Schätzung bezeichnet. Eine "Schätzung" im abgabenrechtlichen Sinne versucht mit Hilfe von in der Erfahrung gegründeten und aus Vergleichen gewonnenen allgemeinen Ergebniswerten in pauschaler, globaler Weise Besteuerungsgrundlagen zu gewinnen, welche die vom Abgabepflichtigen vorgelegten ersetzen sollen, weil sie begründetermaßen bedenklich oder weil die vom Abgabepflichtigen erklärten Unterlagen begründet unvollständig oder lückenhaft erscheinen (vgl. Stoll, Handbuch zur BAO, S. 417). Die belangte Behörde stützte ihre Berechtigung zur Schätzung auf § 184 Abs. 2 BAO, weil der Beschwerdeführer konkrete Auskünfte über die Verwendung seiner betrieblichen Geldmittel nicht erteilt habe. Dem ist entgegenzuhalten, daß aus der Sicht des Beschwerdefalles die Art und die Höhe der Privataufwendungen nicht wesentlich sind, zumal von der Abgabenbehörde zweiter Instanz eine Vermögensdeckungsrechnung nicht vorgenommen worden ist. Andererseits stellt die vorgenommene Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Sinne der angeführten Begriffsbestimmung überhaupt keine Schätzung (globale bzw. pauschale Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, allenfalls von Teilen der Besteuerungsgrundlagen) dar. Vielmehr hat die Behörde die betragsmäßig feststehenden Einlagen auf den Sparbüchern zugerechnet, wobei sie ausdrücklich von der Anwendung eines Sicherheitszuschlages Abstand genommen hat.

Letzlich verbleibt als Sachverhaltsfeststellung der Behörde lediglich das Vorliegen von Innenumsätzen zwischen betrieblich veranlaßten Bankkonten; trotz zeitaufwendiger und nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes geführter Ermittlungen wurde kein einziger tatsächlicher Fall einer Zueignung von Fremdgeldern festgestellt.

Die von der belangten Behörde angestellten Überlegungen, auf Grund derer sie zum Ergebnis gelangte, die aus dem Girokonto getätigten Einlagen auf die gegenständlichen Sparbücher stellten die erfolgswirksame Zueignung von Treuhandgeldern dar, beruhen damit nicht auf zweifelsfrei festgestellten Tatsachen und deren folgerichtigen Schlußfolgerungen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich damit als inhaltlich rechtswidrig, sodaß es sich erübrigt, auf weitere Ausführungen in der Beschwerde näher einzugehen. Der Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/91. Gemäß § 28 Abs. 5 VwGG war der Beschwerde der Bescheid der belangten Behörde nur in einer Kopie anzuschließen, sodaß für die weiteren angeschlossenen Kopien kein Stempelgebührenersatz zugesprochen werden konnte.

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