Normen
EStG 1972 §67 Abs3;
EStG 1972 §67 Abs6;
EStG 1972 §67 Abs3;
EStG 1972 §67 Abs6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit
infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe
von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH (Beschwerdeführerin) hatte ihrem Geschäftsführer Ing. W zum 31. Dezember 1984 Abfertigungsbeträge ausbezahlt und gemäß § 67 Abs. 3 und 6 EStG 1972 versteuert. Diese begünstigte Besteuerung hielt jedoch die belangte Behörde mit der im Instanzenzug ergangenen Berufungsentscheidung vom 27. Juli 1987, Zl. GA 5-1746/87, im wesentlichen aus dem Grund nicht für gerechtfertigt, weil es anläßlich der Abfertigungszahlungen zu keiner Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ing. W gekommen sei. Die aus diesem Anlaß vorgenommene "Kündigung und Wiedereinstellung" beurteilte sie als steuerlich nicht beachtliche Scheinhandlung im Sinne des § 23 Abs. 1 BAO.
Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Berufungsentscheidung mit seinem Erkenntnis vom 25. Mai 1988, Zl. 87/13/0178 (Vorerkenntnis), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, da die belangte Behörde drei von der Beschwerdeführerin namhaft gemachte Zeugen nicht einvernommen hatte. Näheres zum Sachverhalt ist dem Vorerkenntnis zu entnehmen.
Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren vernahm die belangte Behörde die drei Zeugen und erließ im Anschluß daran den nunmehr angefochtenen Bescheid, der unter Abweisung der seinerzeitigen Berufung dem Standpunkt der Beschwerdeführerin, die Abfertigungszahlungen an Ing. W wären gemäß § 67 Abs. 3 und 6 EStG 1972 begünstigt, abermals nicht Rechnung trug. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus dem Vorerkenntnis geht hervor, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Begünstigungsvorschriften nur in Fällen der Auflösung des Dienstverhältnisses anwendbar sind. Zur Frage der Auflösung des Dienstverhältnisses enthält das Vorerkenntnis folgende Aussage:
Treffen zwei unmittelbar aneinander anschließende Dienstverhältnisse zusammen und wurde bei Beendigung des früheren Dienstverhältnisses der Abfertigungsanspruch beachtet oder geltend gemacht, dann sind ein beendetes Dienstverhältnis und ein neu eingegangenes Dienstverhältnis anzunehmen. Ausnahmen davon werden dort angebracht sein, wo die unmittelbare, im wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen oder vom Arbeitgeber zugesagt wurde.
An diese Rechtsanschauung war gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die belangte Behörde gebunden und es ist dies auch der Verwaltungsgerichtshof. Das bedeutet nach der Lage des Beschwerdefalles, daß die umstrittene Auflösung des Dienstverhältnisses verneint werden müßte, wenn die unmittelbare, im wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen wurde.
Die Beschwerdeführerin hatte im Verwaltungsverfahren, das der Berufungsentscheidung vom 27. Juli 1987 voranging, unter anderem vorgetragen, das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer Ing. W, das schon im Juni 1984 von der Beschwerdeführerin gekündigt worden sei, wäre - laut aktenkundiger Vereinbarung vom 17. Dezember 1984 - mit 31. Dezember 1984 einverständlich aufgelöst worden. Dies habe einer Forderung der Erwerber der Geschäftsanteile an der GmbH (Beschwerdeführerin) - zum Erwerb kam es nach der Aktenlage ebenfalls am 17. Dezember 1984 - entsprochen, die eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses abgelehnt hätten. (Erst) Anfang Jänner 1985 hätten die neuen Gesellschafter den Beschluß gefaßt, den Geschäftsführer Ing. W mit einem geringeren Gehalt wieder anzustellen.
Auch in der Beschwerde, die zum Vorerkenntnis führte, behauptete die Beschwerdeführerin, die späteren Erwerber der Geschäftsanteile hätten den Abschluß des Abtretungsvertrages davon abhängig gemacht, daß das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer aufgelöst werde. Dies sei auch tatsächlich zum 31. Dezember 1984 geschehen; die Abmeldung des Geschäftsführers bei der Gebietskrankenkasse sei am 20. Dezember 1984 vorgenommen worden. Die dienstrechtlichen Ansprüche des Geschäftsführers seien zum 31. Dezember 1984 abgerechnet und die gesetzlich und vertraglich zustehende Abfertigung ausbezahlt worden. Die von den neuen Gesellschaftern beabsichtigte Anstellung eines neuen Geschäftsführers sei Anfang Jänner 1985 gescheitert. Sie hätten deshalb beschlossen, den früheren Geschäftsführer wieder als Geschäftsführer anzustellen, falls dieser bereit wäre, mit einem deutlich verminderten Gehalt zu arbeiten. Der Geschäftsführer sei damit einverstanden gewesen; es seien ein neuer Dienstvertrag abgeschlossen und der Geschäftsführer rückwirkend mit 1. Jänner 1985 bei der Gebietskrankenkasse angemeldet worden.
Dieses Vorbringen war auf dem Boden der dem Vorerkenntnis zu Grunde liegenden, bereits wiedergegebenen Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich relevant; andernfalls hätte sich auch der vom Verwaltungsgerichtshof aufgegriffene Verfahrensmangel nicht als wesentlich erwiesen.
Auf Grund der im fortgesetzten Verwaltungsverfahren erstatteten Zeugenaussagen verneint die belangte Behörde jedoch, daß erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Geschäftsführer Ing. W dessen Wiederanstellung in Aussicht genommen worden wäre. Vielmehr habe schon vor dem Abschluß des Abtretungsvertrages, also vor dem 17. Dezember 1984, festgestanden, daß der Geschäftsführer Ing. W ununterbrochen weiter Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bleiben werde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist aber aus folgenden Gründen nicht schlüssig:
Die Zeugen haben zwar im Sinne des angefochtenen Bescheides ausgesagt, es habe einer der neuen Gesellschafter, die B-GmbH, darauf bestanden, daß Ing. W Geschäftsführer bleibe. Keiner der Zeugen machte jedoch die Aussage, daß die B-GmbH schon vor Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ing. W oder gar schon vor dem Anteilserwerb am 17. Dezember 1984 auf dem Verbleib des Ing. W als Geschäftsführer bestand. Aus der Aussage des Ing. P ergibt sich vielmehr, daß der frühere Einzelgesellschafter der Beschwerdeführerin dem Geschäftsführer schon vor dem 15. Oktober 1984 - aktenkundig am 20. Juni 1984 zum 31. Dezember 1984 - gekündigt hatte. Der Zeuge Ing. P sollte Geschäftsführer der Beschwerdeführerin werden, während Ing. W die Geschäftsführung einer anderen, zum 15. Oktober 1984 gegründeten Firma übernehmen sollte. Eine mit einer Operation verbundene Augenerkrankung des Zeugen Ing. P habe diese Pläne durchkreuzt; er (Ing. P) habe erst in der zweiten oder dritten Jännerwoche 1985 aktiv arbeiten können. Unmittelbar im Anschluß an diese Darstellung gab Ing. P in seiner Zeugenaussage an, der neue Gesellschafter B-GmbH, ohne den der "Firmenkauf" nicht zustande gekommen wäre, habe auf dem Verbleib des Ing. W als Geschäftsführer bestanden. Es geht aus der Aussage jedoch nicht hervor, daß die B-GmbH schon vor dem 31. Dezember 1984 (Ablauf des Dienstverhältnisses mit Ing. W) auf dessen Verbleib bestand und nicht erst, als sich Anfang Jänner 1985 herausstellte, daß Ing. P die Geschäftsführung nicht übernehmen konnte, wie dies dessen Aussage eher nahelegen würde.
Der Zeuge Mag. K, der im übrigen die Aussagen des Ing. P bestätigte, gab zu Protokoll, er habe von den Gesellschaftern der Beschwerdeführerin den Auftrag erhalten, im Jänner 1985 mit Ing. W einen neuen Geschäftsführervertrag abzuschließen, nachdem die B-GmbH abzuspringen drohte, wenn Ing. W nicht weiterhin im vollen Umfang zur Verfügung stünde. Dieser Aussage läßt sich nicht entnehmen, wann die B-GmbH mit dem Abspringen drohte. Versteht man unter "Abspringen" ein Abspringen aus der Beschwerdeführerin - dieses Verständnis liegt auch der Gegenschrift zu Grunde -, dann stünde dies im Widerspruch zur Annahme der belangten Behörde, es hätte schon VOR dem 17. Dezember 1984 festgestanden, daß Ing. W ununterbrochen weiter Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bleibt, weil ja die B-GmbH erst am 17. Dezember 1984 Gesellschafterin der Beschwerdeführerin wurde. Dieses Verständnis ist freilich nicht zwingend. Das "Abspringen" könnte sich auch schon auf die Verhandlungen beziehen, die der Übertragung der Geschäftsanteile an der Beschwerdeführerin wohl vorangegangen sind: Die B-GmbH (ihr Vertreter) könnte auch erklärt haben, vom Anteilserwerb abzuspringen, wenn Ing. W nicht weiterhin Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bleibt. Unter dieser Voraussetzung wäre die vorstehend wiedergegebene Annahme der belangten Behörde zulässig. Sie kann sich aber auf keinen ausreichend ermittelten Sachverhalt stützen.
Der dritte Zeuge (Ing. W) bestätigte (lediglich) die Aussagen der beiden anderen Zeugen.
Die Zeugenaussagen stehen nicht notwendigerweise im Widerspruch zum bisherigen, bereits wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß das Dienstverhältnis mit Ing. W, wie von den neuen Gesellschaftern ursprünglich gefordert, zunächst aufgelöst, Ing. W aber wieder angestellt wurde, als Anfang Jänner 1985 die beabsichtigte Anstellung eines neuen Geschäftsführers scheiterte, was sich vor allem in Einklang mit der Zeugenaussage des Ing. P bringen ließe.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig blieb. Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin und der Zeugenaussagen erscheint ungeklärt, wann die B-GmbH darauf bestand, daß Ing. W Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bleibt oder wieder wird - vor oder nach dem 31. Dezember 1984 als dem Zeitpunkt der (zunächst) vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses. Zur Klärung dieser Frage bietet sich insbesondere die Einvernahme jenes Vertreters der B-GmbH an, der um den Jahreswechsel 1984/85 deren Interessen hinsichtlich der Beschwerdeführerin wahrnahm.
Die Bezugnahme im angefochtenen Bescheid auf die K GmbH & Co KG läßt nicht erkennen, inwieweit die Beteiligung an der KG für den Abfertigungsanspruch gegenüber der beschwerdeführenden GmbH bedeutsam sein sollte. Der der Beschwerdeführerin nicht vorgehaltenen Behauptung im angefochtenen Bescheid, sie habe ihren Betrieb erst am 7. Jänner 1982 aufgenommen, konnte die Beschwerdeführerin erst in der Beschwerde entgegenhalten, daß Ing. W schon mit 1. Jänner 1982 bei der am 31. Dezember 1981 gegründeten GmbH (Beschwerdeführerin) angestellt wurde.
Die Höhe der Bezüge des Geschäftsführers Ing. W und die fehlenden Umsatzsteuerleistungen der Beschwerdeführerin sind, wie dies auch die belangte Behörde in der Gegenschrift erkennt, für die Frage, ob Ing. W sein Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin zu Ende des Jahres 1984 fortsetzte oder nicht, ohne Belang.
Zur Gegenschrift der belangten Behörde sei noch bemerkt, daß die Ausführungen über die voraussichtliche Arbeitsfähigkeit des Ing. P nach seiner Augenoperation (Seite 3 Abs. 3 und Seite 4 Abs. 2) nur auf Vermutungen und nicht auf Feststellungen beruhen.
Zur Beschwerde ist noch anzumerken, daß bei Fortsetzung eines Dienstverhältnisses mit Monatsbezügen von S 42.000,-- statt bisher S 43.660,-- nicht von einer WESENTLICH VERÄNDERT Fortsetzung des Dienstverhältnisses im Sinne des Vorerkenntnisses gesprochen werden kann. Ein Pkw-Sachbezug von S 2.000,-- für 1985 statt S 1.800,-- für 1984 scheint am aktenkundigen Lohnkonto auf. Eine Tantieme für Ing. W sieht auch § 5 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages vom 7. Jänner 1985 vor.
Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid auf die Berufungsentscheidung vom 27. Juli 1987 hinwies. Ein Hinweis auf eine frühere Entscheidung gegenüber derselben Partei, um Wiederholungen zu vermeiden, erscheint zulässig.
Zusammenfassend ergibt sich aber, daß der belangten Behörde wesentliche Verfahrensmängel unterliefen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Demgemäß konnte der Verwaltungsgerichtshof auch nach § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung Abstand nehmen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung.
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