VwGH 89/10/0194

VwGH89/10/019410.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N-KG gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Juli 1989, Zl. II/3-1130/8, betreffend Aufstellung von Werbeanlagen (Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung), zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG NÖ 1977 §4 Abs5;
NatSchG NÖ 1977 §6 Abs4 Z1;
NatSchG NÖ 1977 §4 Abs5;
NatSchG NÖ 1977 §6 Abs4 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung (belangte Behörde) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf nachträgliche Bewilligung der Aufstellung von zwei Werbeanlagen im Ausmaß von je 5,10 x 2,6 m auf dem im Landschaftsschutzgebiet "Wachau und Umgebung" liegenden Grünlandgrundstück Nr. 245/1, KG X, gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 und § 6 Abs. 4 des Gesetzes über die Erhaltung und Pflege der Natur

- Niederösterreichisches Naturschutzgesetz, LGBl. 5500-3 (in der Folge: NSchG) abgewiesen. Ferner wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, diese Werbeanlage innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Übernahme des Bescheides gemäß § 4 Abs. 9 NSchG zu entfernen.

Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. Oktober 1987 um die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Werbeanlage auf dem genannten Grundstück angesucht. Die Bezirkshauptmannschaft Melk (Behörde erster Instanz) habe nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dessen Rahmen ein Gutachten des Gebietsbauamtes III eingeholt worden sei, das Ansuchen abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet werde, die zwischenzeitig ohne Bewilligung errichtete Werbeanlage innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab Übernahme dieses Bescheides zu entfernen.

In der dagegen erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorgebracht, daß durch die errichtete Werbeanlage eine maßgebliche und dauernde Störung des Landschaftsbildes nicht gegeben sei.

Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen hob die belangte Behörde zunächst die unbestrittene Tatsache hervor, daß das Grundstück, auf dem die Werbeanlage errichtet worden sei, im Grünland und im Landschaftsschutzgebiet "Wachau und Umgebung" liege. Der von ihr beauftragte Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom 25. April 1989 folgende Feststellungen getroffen:

"Die gegenständliche Werbeanlage befindet sich auf Parzelle Nr. 245/1, KG X, EZ 83 (Grundstückseigentümer Y) an der A-Straße gegenüber der Einmündung der B-Straße. Das Grundstück liegt im Grünland und Landschaftsschutzgebiet 'Wachau und Umgebung' und wird landwirtschaftlich genutzt. Der Aufstellungsort der Werbeanlage befindet sich am Rand einer ausgedehnten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Westlich der A-Straße grenzt das Siedlungsgebiet an.

Die Werbeanlage besteht aus zwei Holzwänden im Ausmaß von je 5,10 m x 2,6 m, die pflugförmig aneinander gereiht sind. Die beiden Tafeln stehen jeweils in einem spitzen Winkel zur Achse der A-Straße. Sie sind auf insgesamt fünf Holzstehern montiert und weisen einen Bodenabstand von ca. 50 cm auf.

Der Standort der Werbeanlage an der A-Straße/Ecke B-Straße liegt gegenüber dem Stadtzentrum von X erhöht und man genießt von dort dank der riesigen freien Ackerfläche einen weiträumigen Ausblick über das gesamte Stadtgebiet inklusive Stift und auch die weitere Umgebung südlich von X. Die überproportionierte Plakatwand schränkt die Sicht jedoch drastisch ein, selbst wenn der Betrachter nicht unmittelbar vor der Werbeanlage steht, beeinträchtigt dieselbe den freien Blick auf das Stift und die Hügelketten am Horizont und bildet insofern eine optische Barriere im Landschaftsbild. Die Plakatwand stellt zudem durch ihre Größe und Dimension sowie durch das Anbringen verschiedenster Farbkompositionen der Plakate einen unnatürlichen Fremdkörper dar, der die Harmonie der Landschaft schwerwiegend beeinträchtigt. Diese Wirkung wird durch die exponierte und weithin einsehbare Lage zusätzlich verstärkt. Es liegt somit eine dauernde und maßgebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vor, für deren Minimierung keinerlei Vorkehrungen geeignet sind, da einerseits Maßnahmen im Hinblick auf eine Abdeckung des gegenständlichen Objektes grundsätzlich den Intentionen einer Plakatwand als Werbefläche widersprechen, andererseits der freie Blick auf das Stift und die Hügelketten am Horizont auf jeden Fall beeinträchtigt blieben.

Aus der Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes erscheint daher eine sofortige Entfernung der Werbeanlage notwendig."

Dieses Gutachten sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Wenn diese im Rahmen des Parteiengehörs vorgebracht habe, daß die Anlage in einem Bereich situiert sei, in welchem der Bestand solcher Werbeanlagen geradezu erwartet werde, und die Anlage durchaus den Gegenstand der Erwartungshaltung der Verkehrskreise darstelle, so sei festzuhalten, daß im gegenständlichen Fall zu prüfen sei, ob durch die Werbeanlage eine erhebliche Störung oder Verunstaltung des Landschaftsbildes gegeben seien bzw. ob die Versagungsgründe des § 6 Abs. 4 NSchG vorlägen. Dies habe der Sachverständige für Naturschutz in seinem Gutachten in schlüssiger und widerspruchsfreier Weise dargelegt. Der Berufung sei daher der Erfolg zu versagen gewesen.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Bewilligung einer Werbeanlage gemäß §§ 4 und 6 NSchG verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes verweist sie dabei auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten, wonach die geplante Werbeanlage ein "unnatürlicher Fremdkörper" sei und deshalb die Harmonie des Landschaftsbildes beeinträchtige. Wenn als Begründung hiefür im wesentlichen angeführt werde, die Werbeanlage sei eine "optische Barriere im Landschaftsbild" und "schränke die Sicht auf das Stift und die Hügelketten am Horizont drastisch ein", so werde übersehen, daß sich gemäß § 1 Abs. 2 NSchG der Begriff "Natur" auch auf von Menschen Gestaltetes erstrecke. Daher sei es auch durchaus zutreffend, daß der angefochtene Bescheid das Stift als Teil der zu schützenden Landschaft werte. Warum sich die beantragte Werbeanlage in diese Kulturlandschaft nicht ebenfalls harmonisch einfüge, könne dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht entnommen werden. Auf Grund der Größe und Dimension und einer Vielfalt der Farbkompositionen von Plakaten sei die beantragte Werbeanlage durchaus eine - künstliche und auch künstlerische - Bereicherung einer von Menschen entsprechend zeitgenössischer Kommunikationsformen gestalteten Kulturlandschaft. Die beantragte Werbeanlage störe auch die Verhältnisse des Landschaftsschutzgebietes nicht erheblich bzw. verunstalte diese nicht, da sie im Anschluß an ein Siedlungsgebiet aufgestellt worden sei.

2.2. Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des § 4 NSchG lauten:

"(1) Im Grünland bedürfen einer Bewilligung der Behörde:

2. die Errichtung, Anbringung, Aufstellung, Veränderung und der Betrieb von Werbeanlagen.

(2) Um die Bewilligung hat der Grundeigentümer, Pächter, sonstige Nutzungsberechtigte (Berechtigte) oder bei Werbeanlagen auch derjenige anzusuchen, zu dessen Gunsten die Werbung durchgeführt wird.

...

(4) Werbeanlagen im Sinne des Abs. 1 Z. 2 sind alle der Anpreisung, Anzeige, Ankündigung oder dem Hinweis dienenden Einrichtungen; hiezu zählen insbesondere Schilder, Beschriftungen, Bemalungen, Schaukästen, Transparente und Anschläge.

(5) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn durch die Größe, die Form und Farbgebung, die Art der Darstellung, die Beschriftung und das Schriftbild der Werbeanlage oder durch die Anhäufung von Werbeanlagen oder andere besondere örtliche Verhältnisse das Landschaftsbild erheblich gestört oder verunstaltet würde. Die Behörde hat auf die Interessen des Fremdenverkehrs Bedacht zu nehmen. Bei Bewilligung von Werbeanlagen, die im Landschaftsschutzgebiet errichtet oder erweitert werden, ist darüber hinaus § 6 Abs. 4 anzuwenden.

...

(9) Bei Werbeanlagen, die ohne Bewilligung der Behörde errichtet, angebracht, aufgestellt oder verändert wurden, hat die Behörde durch Bescheid ihre Entfernung innerhalb einer Frist von vier Wochen zu verfügen."

§ 6 Abs. 1 NSchG hat folgenden Inhalt:

"(1) Gebiete, die eine hervorragende landschaftliche Schönheit oder Eigenart aufweisen, als charakteristische Kulturlandschaft von Bedeutung sind, oder die der Erholung der Bevölkerung oder dem Fremdenverkehr dienen können durch Verordnung der Landesregierung zu Landschaftsschutzgebieten erklärt werden."

§ 6 Abs. 4 NSchG bestimmt:

(4) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn durch Maßnahmen oder Vorhaben gemäß Abs. 2

  1. 1. das Landschaftsbild
  2. 2. die Landschaft in ihrer Schönheit und Eigenart oder
  3. 3. der Erholungswert der Landschaft für die Bevölkerung und den Fremdenverkehr

    dauernd und maßgeblich beeinträchtigt wird und nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen die Beeinträchtigung weitgehend ausgeschlossen werden kann. Dabei ist auf die Erfordernisse einer zeitgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung soweit wie möglich Bedacht zu nehmen."

2.3. Es ist unbestritten, daß die gegenständliche Werbeanlage in einem Landschaftsschutzgebiet (§ 6 Abs. 1 NSchG) errichtet worden ist. Damit sind neben den Versagungsgründen des § 4 Abs. 5 NSchG (erhebliche Störung oder Verunstaltung des Landschaftsbildes) die Versagungsgründe des § 6 Abs. 4 leg. cit. anzuwenden. Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung davon aus, daß durch die Anlage das Landschaftsbild im Sinne des § 6 Abs. 4 Z. 1 NSchG dauernd und maßgeblich beeinträchtigt werde und diese Beeinträchtigung durch Vorschreibung von Vorkehrungen nicht weitgehend ausgeschlossen werden könne.

Der Tatbestand des § 6 Abs. 4 Z. 1 NSchG erfordert dabei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, das jeweilige Vorhaben im Landschaftsschutzgebiet dahin zu beurteilen, ob durch sein Erscheinungsbild eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes hervorgerufen würde. Das vorhandene Landschaftsbild ist daher darauf hin zu prüfen, ob die Verwirklichung des Projektes zu einer dauernden und maßgeblichen Beeinträchtigung, also ästhetisch nachteiligen Veränderung führen würde, die durch Vorschreibung von Vorkehrungen nicht weitgehend ausgeschlossen werden kann. Dabei ist zu beachten, daß nicht jede Änderung des Landschaftsbildes eine Beeinträchtigung desselben darstellt, also vom ästhetischen Standpunkt aus nachteilig ist, und nicht jede derartige Veränderung auch dauernd und maßgeblich ist (vgl. das Erkenntnis vom 11. April 1988, Zl. 87/10/0003).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung konnte die belangte Behörde auf Grund der eingeholten Sachverständigengutachten zu Recht als erwiesen annehmen, daß die gegenständliche Anlage die im Gesetz verpönte Wirkung entfaltet. Es kann dabei weder mit den Denkgesetzen noch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehend angesehen werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1969, Zl. 353/67, VwSlg. 7615/A), daß die Werbeanlage geeignet ist, das vom Sachverständigen beschriebene Landschaftsbild maßgeblich und dauernd zu beeinträchtigen, d.h. ästhetisch nachteilig zu verändern (vgl. auch Liehr-Stöberl, Kommentar zum Niederösterreichischen Naturschutzgesetz, Anm. 16 zu § 4), was auch durch Vorschreibung von Vorkehrungen nicht weitgehend ausgeschlossen werden kann. Damit kann auch keine Rede davon sein, daß sich die beantragte Werbeanlage in die bestehende Kulturlandschaft "harmonisch einfüge". Ob die Werbeanlage an sich als ästhetisch zu bezeichnen ist bzw. eine "künstlerische Bereicherung" darstellt, ist bei der Frage, ob eine Werbeanlage das Landschaftsbild maßgeblich beeinträchtigt, ohne Bedeutung. Ebenso unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, daß die gegenständliche Anlage - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - im Anschluß an ein Siedlungsgebiet aufgestellt worden ist.

2.4. Die Beschwerde erweist sich aus diesen Gründen als nicht berechtigt. Sie ist deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1991/104, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwenden war.

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