VwGH 89/08/0266

VwGH89/08/026612.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer‑Blaschka, über die Beschwerde des AS in L, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 5/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. August 1989, Zl. 5-212 Scha 33/5‑89, betreffend Wiedereinsetzung in Angelegenheit von Übertretungen des KJBG, des AZG und des ARG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a
AVG §71 Abs2
AVG §71 Abs5
B-VG Art18 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989080266.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und den vorgelegten Bescheiden ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 31. Oktober 1988 wurden gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretungen des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes Verwaltungsstrafen verhängt.

1.2. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. November 1988 wurde die gegen das Straferkenntnis vom 31. Oktober 1988 erhobene Berufung der AS Gesellschaft m.b.H. & Co KG als unzulässig zurückgewiesen.

1.3. Mit Eingabe vom 3. Jänner 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis vom 7. November 1988 (richtig: 31. Oktober 1988). Dem Beschwerdeführer sei es entgangen, daß er im Zuge der knapp vor Antritt einer Geschäftsreise vorherrschenden Hektik die Berufung nicht unterfertigt habe. Die Berufung habe KS, da dieser ansonsten berechtigt sei, für den Beschwerdeführer entsprechende Schriftstücke zu fertigen und Post entgegenzunehmen, in seiner Vertretung unterfertigt, und zwar in der irrigen Meinung, daß dies ausreichend und zulässig sei. Beim Schreiben der vom Beschwerdeführer diktierten Berufung habe KS irrtümlich als Berufungswerberin die genannte Kommanditgesellschaft angeführt. Der Bescheid des Landeshauptmannes vom 18. November 1988 sei während der beruflich bedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Angestellten PH entgegengenommen worden. Dieser habe den Beschwerdeführer erst am 20. Dezember 1988 hievon verständigt. Der Beschwerdeführer habe zu diesem Zeitpunkt erstmals von den oben geschilderten Fehlern und der Verkettung von unglücklichen Umständen Kenntnis erlangt.

Außerdem legte der Beschwerdeführer Erklärungen des PH und des KS zur Bestätigung seines Vorbringens vor und holte die versäumte Berufung nach.

1.4. Mit Bescheid vom 12. April 1989 wies die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg den Wiedereinsetzungsantrag wegen Nichteinhaltung der einwöchigen Wiedereinsetzungsfrist als unzulässig zurück.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.5. Mit Bescheid vom 29. August 1989 gab der Landeshauptmann von Steiermark dieser Berufung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, der Beschwerdeführer gebe an, er habe am 27. Dezember 1988, die Protokollierung des Wiedereinsetzungsantrages bei der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vornehmen wollen. Diesfalls müsse er durchaus in der Lage gewesen sein, diesen Antrag z.B. am selben Tage schriftlich zu stellen und so die vorgesehene Frist zu wahren. Die behauptete nicht erfolgte Akteneinsicht an diesem Tage könne hiefür schon deshalb keinen Hinderungsgrund darstellen, weil der Beschwerdeführer sowohl von seiner Bestrafung als auch, zumindest am 20. Dezember 1988, vom Wiedereinsetzungsgrund Kenntnis gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei somit nicht erst am 3. Jänner 1989 in die Lage versetzt gewesen, den Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.

1.6. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung verletzt. In der Beschwerdebegründung heißt es, KS, der grundsätzlich ein äußerst pflichtbewußter Mitarbeiter sei, habe irrtümlich die vom Beschwerdeführer verfaßte Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis ebenso wie sämtliche Schriftstücke unter Verwendung des Gesellschaftszusatzes gezeichnet, ohne sie dem Beschwerdeführer nochmals vor seiner Abreise vorzulegen. Der diese Berufung als unzulässig zurückweisende Bescheid des Landeshauptmannes vom 18. November 1988 sei während der Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Angestellten PH übernommen worden. Dieser habe den Beschwerdeführer erst am 20. Dezember 1988 hievon verständigt.

Der Beschwerdeführer habe sich unverzüglich zur Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg begeben, um einerseits Akteneinsicht zu nehmen und andererseits um Aufnahme des Wiedereinsetzungsantrages sowie der Berufung zu Protokoll zu ersuchen. Der zuständige Sachbearbeiter habe sich auf Urlaub befunden. Der Verwaltungsstrafakt habe nicht aufgefunden werden können. Dem Beschwerdeführer sei mitgeteilt worden, er solle bis zur Rückkehr des zuständigen Sachbearbeiters, sohin bis 3. Jänner 1989, warten. Am 3. Jänner 1989 sei dem Beschwerdeführer Akteneinsicht gewährt worden. Erstmals habe er dadurch den gesamten Sachverhalt zur Kenntnis nehmen können und noch am selben Tage den Wiedereinsetzungsantrag samt Berufung überreicht.

Mangels rechtlicher Bildung wisse der Beschwerdeführer nicht, daß die Wiedereinsetzungsfrist im Verwaltungsrecht eine Woche betrage. Er habe sich daher auf die Angaben der Beamten, er möge nach dem Urlaub des Sachbearbeiters noch einmal kommen, verlassen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 71 AVG 1950 lautet auszugsweise:

„(1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist ... die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn: a) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, oder ...

...

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

...

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

...“

2.2. Wie sich aus dem der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Sachverhalt ergibt, endete das vom Beschwerdeführer behauptete Hindernis, die Berufungsfrist gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis einzuhalten, am 20. Dezember 1988. Unbestritten in diesem Zeitpunkt wurde dem Beschwerdeführer bekannt, daß die namens der Kommanditgesellschaft erhobene Berufung zurückgewiesen worden war. Wie sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag vom 3. Jänner 1989 ergibt, habe der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt erstmals von den in dieser Eingabe „geschilderten Fehlern und der Verkettung von unglücklichen Umständen Kenntnis erlangt“. Mit dem Vorliegen dieser Versehen wurde der Wiedereinsetzungsantrag begründet.

Die Wiedereinsetzungsfrist nach § 71 Abs. 2 AVG 1950 hätte daher mit Ablauf des 27. Dezember 1988 geendet.

Ein Irrtum des Wiedereinsetzungswerbers über das Ausmaß der Frist ist für ihren Ablauf ohne Bedeutung. Dazu kommt, daß gemäß § 71 Abs. 5 AVG 1950 gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfindet.

Auch die vom Beschwerdeführer behauptete Nichtgewährung der Akteneinsicht durch die Bezirkshauptmannschaft am 27. Dezember 1988 ermöglicht keine andere Beurteilung. Zum einen durfte die belangte Behörde bereits auf Grund der eigenen Behauptung des Beschwerdeführers davon ausgehen, daß er von den für die Wiedereinsetzung entscheidenden Umständen schon am 20. Dezember 1988 Kenntnis erlangt hatte. Auch in der Beschwerde wird nicht dargetan, welche den Wiedereinsetzungsantrag tragenden Gründe dem Beschwerdeführer erst durch die am 3. Jänner 1989 gewährte Akteneinsicht bekannt geworden wären. Zum anderen vermöchte selbst ein Fehlverhalten der Behörde, wie sie der Beschwerdeführer schildert, die gesetzliche Wiedereinsetzungsfrist nicht zu verlängern. Mangels einer gesetzlich angeordneten bindenden Wirkung von behördlichen Auskünften, Zusagen udgl., vermögen derartige Äußerungen behördlicher Organe die Nichtanwendung bindender gesetzlicher Regelungen - auch für den Einzelfall - nicht zu rechtfertigen (vgl. Art. 18 Abs. 1 B‑VG).

2.3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.4. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

Wien, am 12. Dezember 1989

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