Normen
ABGB §916 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §2a;
ABGB §916 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §2a;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einem S 33.000,-- übersteigenden Einheitswert. Nach den im Akt erliegenden Ausfertigungen der Pachtverträge vom 9. Jänner 1981 und 1. November 1987 verpachtete er diesen Betrieb ab 1. Februar 1981 an seinen Sohn BN und ab 1. November 1987 an seine Schwiegertochter CN, die Ehegattin des BN.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 1988 sprach die Beschwerdeführerin aus, daß der Mitbeteiligte vom 1. Jänner 1981 bis laufend gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2, Abs. 3 und § 2a BSVG in der Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert sei. Begründend wurde ausgeführt, es sei auf Grund der durchgeführten Erhebungen festgestellt worden, daß der Mitbeteiligte den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seit 1. Jänner 1981 auf seine alleinige Rechnung und Gefahr führe. Der Pachtvertrag vom 9. Jänner 1981 sei nie wirksam geworden.
Dem vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Einspruch gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 19. Jänner 1989 keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Abänderung, daß im Spruch die Zitierung des § 2a BSVG zu entfallen habe. Der Mitbeteiligte wende im Einspruch ein, daß beim Schweineverkauf die Rechnungen auf den Pächter lauteten und auch die Maschine beim Viehhändler D in E dies zeige. Außer durch die Schweine sei kein anderes Einkommen gegeben, weil die Fläche zu klein sei und Arbeitskräfte fehlten. Es seien Ausgaben bezahlt worden, wie Pacht, Strom, Versicherung, Kunstdünger, Saatmais, Spritzmittel, Futter für die Schweine, Diesel, der Tierarzt usw. Soweit ihm bekannt sei, sei es bei 80 % der Rentenbezieher üblich, daß sie ihre Wirtschaften an die Gattin, Söhne und Töchter verpachteten, der Betrieb jedoch gleich weiterlaufe. Die Ausgaben würden immer größer, die Einnahmen jedoch kleiner. Jeder Kindesvater helfe seinen Söhnen oder Töchtern, soweit es gehe, damit diese später auch ein Heim hätten. Dazu bemerkte die Einspruchsbehörde in Ergänzung der im wesentlichen zutreffenden Begründung des bekämpften Bescheides folgendes: Der Mitbeteiligte habe unbestrittenermaßen den Pachtvertrag vom 9. Jänner 1981 mit seinem Sohn BN abgeschlossen, um die Pensionsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 BSVG zu erfüllen. Bei diesem Vertrag handle es sich, wie auf Grund der Ermittlungen der Beschwerdeführerin (Einvernahme des Sohnes und der Schwiegertocher des Mitbeteiligten sowie des Mitbeteiligten selbst) zweifelsfrei feststehe, um einen Scheinvertrag, weil der Mitbeteiligte den Betrieb, wie er auch im vorerwähnten Einspruch selbst einräume, auf eigene Rechnung und Gefahr auch nach der Errichtung des Pachtvertrages bewirtschaftet habe. Daran könne der Umstand nichts ändern, daß einige Rechnungen auf Betreiben des Mitbeteiligten auf den Namen seines Sohnes ausgestellt worden seien. Auch der mit der Schwiegertochter ab 1. November 1987 abgeschlossene Pachtvertrag entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen und sei daher rechtlich unbeachtlich. Der Mitbeteiligte habe selbst angegeben, daß sein Sohn tagsüber als Maurer beschäftigt sei und demgemäß für den Betrieb nur wenig Zeit habe. Deshalb habe er sämtliche Ein- und Verkäufe für den landwirtschaftlichen Betrieb bis 31. Oktober 1987 getätigt. Die Einnahmen der Schweinezucht seien zur Gänze für den Hausbau des Sohnes und der Schwiegertochter verwendet worden. Diese Behauptungen seien jedoch durch die entgegenstehenden Ausführungen seines Sohnes und seiner Schwiegertochter bei deren Einvernahmen durch die Beschwerdeführerin glaubwürdig widerlegt worden. Beide hätten übereinstimmend angegeben, daß trotz der Pachtverträge der gegenständliche land- und forstwirtschaftliche Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Mitbeteiligten erfolge. Es sei durch die beiden Pachtverträge keine Änderung in der Betriebsführung eingetreten. Dies werde, wie bereits oben ausgeführt, auch vom Mitbeteiligten in seinem Einspruch zugegeben, in dem er darauf hinweise, daß 80 % der Pensionsbezieher so vorgingen wie er. Dazu komme noch, daß die Betriebskosten vom Mitbeteiligten getragen und über ein eigenes Bankkonto abgewickelt würden, auf das die angeblichen Pächter gar keinen Zugriff hätten. Sämtliche Rechnungen, die an BN adressiert worden seien, habe dieser dem Mitbeteiligten zur Bezahlung weitergegeben. Auch sei der vereinbarte Pachtschilling nie entrichtet worden.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Mitbeteiligte ein, seiner Auffassung nach bestehe ein ordnungsgemäßer Pachtvertrag zwischen ihm, seinem Sohn und der Schwiegertochter. Daß er bei der Bewirtschaftung weiterhin, so gut er könne, mithelfe, könne nicht so ausgelegt werden, als würde er den Betrieb wie vorher weiterführen. Er habe größtes Interesse, daß die Bewirtschaftung der Landwirtschaft tadellos gemacht werde, und daß er, soweit es seine Gesundheit zulasse, den Nachfolgern behilflich sei. Daß die Vorgangsweise in vielen anderen Betrieben ebenso praktiziert werde, habe er schon seinerzeit angeführt. Dies könne jedoch nicht dazu führen, daß gerade er "herausgenommen" und ihm seine Pension gestrichen werde.
In der Stellungnahme zur Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, es sei mit dem Einspruchsbescheid nicht der Bezug einer Pension eingestellt, sondern nur über die Frage der Pflichtversicherung entschieden worden. Diesbezüglich hätten die Ermittlungen der Beschwerdeführerin und der Einspruchsbehörde ergeben, daß zumindest eine faktische Übergabe auf Grund der vorgelegten Pachtverträge nicht stattgefunden habe, weil nur eine Willenseinigung ohne beabsichtigte Übergabe getroffen worden sei. Der Mitbeteiligte tätige ohne Bevollmächtigung seitens der Pächter alle land-(forst)wirtschaftlichen Arbeiten auf seine Rechnung und Gefahr. Sollte die belangte Behörde diese Ermittlungen aber nicht für ausreichend halten oder die Rechtsfrage anders sehen (etwa so: "die Eltern führen im Auftrag des Pächters alle Arbeiten, auch die Einkäufe und Verkäufe auf Rechnung und Gefahr des Sohnes durch"), so mögen zusätzliche, näher angeführte Ermittlungen (Beischaffung von Rechnungen über Einkäufe und Verkäufe ab dem 1. Jänner 1981, einer Bestätigung der zuständigen Landwirtschaftskammer, auf wen seit 1981 allfällige Treibstoffvergütungen lauten, einer Bestätigung der zuständigen Molkerei, auf wen die Milchmenge laute und wer sie realisiert habe, Bestätigung, wem das Getreidekontingent zugewiesen worden sei und wer innerhalb dieser Menge der Getreideverkäufer sei) durchgeführt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge und stellte in Abänderung des Einspruchsbescheides fest, daß der Mitbeteiligte vom 1. Jänner 1981 bis laufend nicht gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und Abs. 3 BSVG in der Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert sei. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, es sei unbestritten, daß der Mitbeteiligte am 9. Jänner 1981 mit seinem Sohn BN und am 1. November 1987 mit seiner Schwiegertochter CN einen Pachtvertrag betreffend das gegenständliche Anwesen abgeschlossen habe. BN übe tagsüber seinen Beruf als Maurer aus. Während dieser Zeit nehme der Mitbeteiligte die Ein- bzw. Verkäufe für den landwirtschaftlichen Betrieb vor. Entgegen der Ansicht der Einspruchsbehörde sei es unerheblich, ob die Arbeit im und für den landwirtschaftlichen Betrieb vom Besitzer selbst oder von einem Dritten besorgt werde, weil es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den selbständig Erwerbstätigen typisch sei, daß er nicht selbst tätig werden müsse. Der Mitbeteiligte könne daher im landwirtschaftlichen Betrieb seines Sohnes tätig werden, ohne versicherungspflichtig zu sein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Der Mitbeteiligte erstattete keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1961, Slg. Nr. 5644/A, vom 27. März 1981, Zl. 08/0558/79, vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051, und vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119) wird ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb dann auf Rechnung und Gefahr einer Person (auf gemeinsame Rechnung und Gefahr mehrerer Personen) im Sinne des Sozialversicherungsrechtes der Bauern geführt, wenn sie aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird (werden). Wer in diesem Sinn aus der Betriebsführung berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die letztlich nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten beantwortet werden kann. Das Eigentum bzw. Miteigentum am Betrieb ist eine solche rechtliche Gegebenheit. Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten aus der Betriebsführung setzt voraus, daß durch rechtswirksame dingliche (z.B. Einräumung eines Fruchtgenußrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (z.B. durch Abschluß eines Pachtvertrages oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahekommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern) statt des Eigentümers bzw. Miteigentümers ein Nichteigentümer (z.B. der Pächter) bzw. statt aller Eigentümer einer der Miteigentümer allein aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird. Ob eine Person, auf deren Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, allerdings im Betrieb persönlich mitarbeitet oder die erforderlichen Arbeiten durch Bevollmächtigte, Familienmitglieder oder Dienstnehmer verrichten läßt, ist für die Versicherungspflicht irrelevant (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119).
Diese Rechtslage verkennt die belangte Behörde, wenn sie das zur Entscheidung anstehende Problem der Scheinpachtverträge zwischen dem Mitbeteiligten und seinem Sohn bzw. der Schwiegertochter mit der Feststellung des formellen Abschlusses der Pachtverträge und Ausführungen im Sinn des zuletzt wiedergegebenen Rechtssatzes abtut. Denn der formelle Abschluß der Pachtverträge sagt nichts darüber aus, ob die bezüglichen Willenserklärungen nicht im Sinne des § 916 Abs. 1 ABGB bloß zum Schein abgegeben wurden und daher die Pachtverträge nichtig sind. Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn die Vertragspartner von vornherein nicht beabsichtigten, mit dem Abschluß der Pachtverträge eine Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten zu bewirken. Denn dann wäre die Verpachtungserklärung des Mitbeteiligten, nämlich die Erklärung der entgeltlichen Überlassung des Gebrauches des Betriebes auf eine gewisse Zeit zum Zweck der Fruchtziehung durch seinen Sohn bzw. seine Schwiegertochter mit dem dieser Erklärung entsprechenden Ausschluß einer weiteren Betriebsführung auf Rechnung und Gefahr des Verpächters (vgl. Erkenntnis vom 28. Februar 1985, Zl. 84/08/0120), mit Einverständnis der "Pächter" zum Schein abgegeben worden. Mit diesen Fragen hat sich die belangte Behörde, offensichtlich auf Grund ihrer Rechtsauffassung, daß es allein auf den formellen Abschluß der Pachtverträge ankomme, nicht befaßt, obwohl sowohl die Einspruchsbehörde in ihrem Bescheid als auch die Beschwerdeführerin in der Berufung, gestützt auf die Ermittlungsergebnisse, in diese Richtung zielende Ausführungen gemacht haben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mi der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, begrenzt durch das Begehren der Beschwerdeführerin.
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