VwGH 89/07/0155

VwGH89/07/015530.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Waldner, über die Beschwerde der WV & CO Gesellschaft m. b.H. in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. Juli 1989, Zl. Wa-7371/50-1989/Sch, betreffend Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

VVG §4 Abs1;
VVG §5 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1;
VVG §4 Abs1;
VVG §5 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. Jänner 1989 verpflichtete der

Landeshauptmann von Oberösterreich die Beschwerdeführerin gemäß

§ 138 Abs. 1 WRG 1959, "die über das im wasserrechtlichen

Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich

vom 28.11.1968, Wa-1643/10-1968, festgelegte Maß der

Wasserbenutzung hinausgehenden Ablaufwerte aus dem

Nachklärbecken vor der Einleitung in den Vorfluter auf das

bewilligte Ausmaß

a) BSB5 30 mg/l

b) absetzbare Stoffe: 0,3 mg/l

c) pH-Wert: 6,5 bis 8,5

sofort, längstens jedoch bis 31. Jänner 1989 zurückzuführen".

Dieser wasserpolizeiliche Auftrag erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 6. April 1989 wurde der Beschwerdeführerin die Verhängung einer Zwangsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- für den Fall angedroht, daß sie der zuvor genannten wasserrechtsbehördlichen Anordnung nicht längstens bis 30. April 1989 nachkomme.

Mit Schreiben derselben Bezirksverwaltungsbehörde vom 11. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme für den Fall angedroht, daß die ihr auferlegte Verpflichtung nicht binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens erfüllt werde.

Mit Bescheid dieser Behörde vom selben Tag wurde über die Beschwerdeführerin, da sie dem an sie ergangenen Auftrag bislang nicht entsprochen habe, eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt.

In ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin unter Punkt 1. eine zu kurze Paritionsfrist, unter Punkt 2. die Unzulässigkeit der Verhängung einer Zwangsstrafe während der Auftragserfüllung, unter Punkt 3. die Unzulässigkeit des angewendeten Vollstreckungsmittels anstelle einer Ersatzvornahme und unter Punkt 4. die Unzulässigkeit der gleichzeitigen Androhung der Ersatzvornahme und Verhängung einer Zwangsstrafe geltend.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich wies diese Berufung gemäß §§ 66 Abs. 4 AVG 1950 und 10 VVG 1950 mit Bescheid vom 27. Juli 1989 hinsichtlich der Punkte 1. und teilweise 2. zurück, im übrigen ab. Begründend wurde, zunächst unter Hinweis auf § 10 Abs. 2 VVG 1950, ausgeführt:

Da der Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung (§ 10 Abs. 2 lit. a) sowie jener der Nichtübereinstimmung der Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Titelbescheid (lit. b) in der Berufung selbst nicht behauptet werde, verbleibe lediglich die Beurteilung der behaupteten Unzulässigkeit nach lit. c, weil die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen seien oder mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 2 VVG 1950) im Widerspruch stünden. In dieser Hinsicht müsse der Berufung dort gefolgt werden, wo die Beschwerdeführerin die gesetzliche Unzulässigkeit in der Kumulierung der Vollstreckungsmittel Zwangsstrafe und Ersatzvornahme behaupte, weil der Vollstreckungsbehörde in der Tat eine Wahlmöglichkeit zwischen diesen Vollstreckungsmitteln verwehrt sei. Die ausgesprochene - keinen Bescheid bildende - Androhung der Ersatzvornahme könnte aber unter Umständen dann gebilligt werden, wenn die Annahme einer vertretbaren Leistung nicht ausgeschlossen erscheine. Nur so könne auch die Androhung letzten Endes verstanden werden; da ihr jedoch der Bescheidcharakter und folglich jegliche normative Rechtskraftwirkung mangle, werde die Vollstreckungsbehörde nicht fehlgehen, es bei der Androhung bewenden zu lassen und in der Folge auf dieses Zwangsmittel nicht mehr weiter zurückzugreifen. In der Diktion des Vollstreckungstitels folge die Berufungsbehörde der Auffassung, daß es sich im Gegenstand nicht um eine "vertretbare" Leistung als Voraussetzung für die ausschließliche Anwendbarkeit der im § 4 VVG 1950 vorgesehenen Ersatzvornahme, sondern um eine "nicht vertretbare" Leistung handle, welche nur die Anwendung der im folgenden § 5 leg. cit. vorgesehenen und von der Vollstreckungsbehörde auch zutreffend auferlegten Zwangsstrafe bedinge, weil sich die Entscheidung, welches Zwangsmittel im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens konkret bescheidmäßig zu verfügen sei, ausschließlich an der Art der Leistung, deren Erbringung erzwungen werden solle, zu orientieren habe. Da der Beschwerdeführerin mit dem vollstreckbaren Titelbescheid der allgemein gehaltene Auftrag zur Rückführung der den Konsens überschreitenden Ablaufwerte auf das zustehende Maß der Wasserbenutzung erteilt worden sei und daher Leistungen nicht einzeln aufgezählt worden seien, stehe es in der Disposition und unternehmerischen Freiheit der Beschwerdeführerin, durch welche adäquate Maßnahmen sie die wasserpolizeiliche Anordnung realisiere. Unter diesem Blickwinkel könne es sich begrifflich nur um eine nicht vertretbare Leistung handeln, sodaß nach Meinung der Berufungsbehörde auch unter Wahrung des sich aus den Bestimmungen des § 2 VVG 1950 ergebenden Schonungsprinzips das bekämpfte Zwangsmittel zutreffend verhängt worden sei. Eine solche Zwangsstrafe dürfe nur dann nicht ausgesprochen werden, wenn die Leistung von der Partei aus tatsächlichen Gründen nicht erbracht werden könne. Dies habe die Beschwerdeführerin jedoch auch in ihrer Berufung nicht behauptet, weil sich wohl nicht bestreiten lasse, daß sowohl innerhalb der im wasserpolizeilichen Auftrag, als auch im Zuge des Vollstreckungsverfahrens innerhalb der ausreichend bemessenen vierwöchigen Paritionsfrist es sehr wohl möglich gewesen wäre, nötigenfalls durch Drosselung der Produktion, Stillegung einzelner Produktionszweige oder andere geeignete Maßnahmen den aufgetragenen Erfolg fristgerecht herbeizuführen, und der Beschwerdeführerin dadurch von Anfang an die Möglichkeit offengestanden sei, durch Nachholung der versäumten Handlung einer Vollstreckung überhaupt zu entgehen. Aufgrund des doch sehr auffallenden Mangels des gehörigen Fleißes und der von einem Wasserberechtigten zu erwartenden Aufmerksamkeit und insbesondere aufgrund der Hartnäckigkeit, mit der sich die Beschwerdeführerin bisher behördlichen Anordnungen offenkundig widersetze, erscheine die Höhe der verhängten Zwangsstrafe vor allem aus diesen Gründen gerechtfertigt, sodaß schon allein deshalb ein gelinderes Mittel nicht in Betracht zu ziehen gewesen sei. Die diesbezüglichen Berufungsausführungen gingen auch dort ins Leere, wo die Beschwerdeführerin offensichtlich die irrtümliche Auffassung vertrete, der sich aus § 2 VVG 1950 ergebende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit könne im Zusammenhang bzw. im Verhältnis zwischen Ersatzvornahme und Zwangsstrafe gesehen werden, wobei nach Meinung der Beschwerdeführerin gegenüber der Zwangsstrafe die Ersatzvornahme das gelindere Mittel sei, ohne darzutun, worauf diese Annahme gestützt werde. Da unter den gesetzlichen Voraussetzungen aber entweder nur die Ersatzvornahme oder aber eine Zwangssstrafe als zulässiges Vollstreckungsmittel anzuwenden sei, habe die Berücksichtigung des sich aus § 2 VVG 1950 ergebenden Verhältnismäßigkeitsprinzip nur innerhalb der jeweils anzuwendenden und nicht im Verhältnis der betreffenden Zwangsmittel zueinander zu erfolgen. Ungeachtet dessen, daß die Beschwerdeführerin selbst in der Berufung die Höhe der verhängten Zwangsstrafe unangetastet lasse, finde die Berufungsbehörde aus den an anderer Stelle angemerkten Gründen diese Höhe gerechtfertigt und nicht im Widerspruch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes angefochten, wobei sich die Beschwerdeführerin erkennbar in dem Recht verletzt erachtet, daß keine Zwangsstrafe über sie verhängt werde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde in erster Linie vor, sie habe in rechtsirriger Auffassung von der Unvertretbarkeit der der Beschwerdeführerin auferlegten Verpflichtung das Vollstreckungsmittel der Zwangsstrafe angewendet, während richtigerweise von der geforderten Leistung als einer vertretbaren Handlung auszugehen gewesen wäre, zu deren Erzwingung die Ersatzvornahme in Betracht gekommen wäre. Bereits mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Gemäß § 5 Abs. 1 VVG wird demgegenüber die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen läßt, dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß nach dem zu vollstreckenden Titelbescheid ein Spielraum insofern bleibe, als nicht vorgeschrieben worden sei, "durch welche adäquate Maßnahmen" die wasserpolizeiliche Anordnung realisiert werden müsse, so daß in derselben Hinsicht die Methode der Auftragserfüllung in die "Disposition und unternehmerische Freiheit" der Beschwerdeführerin falle.

Die "Handlung", von der im § 5 Abs. 1 VVG die Rede ist - daß es im Beschwerdefall nach dem Wortlaut des Spruches des Titelbescheides keinesfalls um eine Duldung, aber auch nicht um eine bloße Unterlassung (in Form eines Untätigbleibens) geht, steht außer Zweifel -, betrifft aber nicht die Art und Weise der Durchführung der dem Verpflichteten auferlegten Leistung, sondern diese letztere selbst: beispielsweise kann zwar einer persönlichen Ladung nur die geladene Person nachkommen, auch kann ein einem bestimmten Sachverständigen aufgetragenes Gutachten nur dieser selbst erstatten; Wahlmöglichkeit wird aber bei an sich vertretbaren Leistungen nicht nur aufgrund eines nicht ausreichend konkretisierten Titelbescheides - bei dem die Verhängung einer Zwangsstrafe unzulässig ist - bestehen (vgl. die Rechtsprechung bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1990, S. 1141), sondern auch in vielen Fällen einer hinreichend bestimmten Leistungsverpflichtung; denn es bleibt normalerweise etwa dem Verpflichteten überlassen, welcher Geräte er sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtung bedient, welches Unternehmen er hiefür heranzieht oder - betreffend den auf eine bestimmte Fläche bezogenen Auftrag - von welcher Stelle aus und in welchem weiteren Verlauf in örtlicher Hinsicht er der Verpflichtung nachkommt. Auf das Maß möglicher Varianten, also die Größe des der Disposition des Verpflichteten anheimgestellten Spielraums kann es aber nicht ankommen. Daraus ergibt sich, daß in derartigen Fällen mehrerer unterschiedlicher Möglichkeiten, zu einem festgelegten Ergebnis zu kommen, das durchaus im Weg der Ersatzvornahme erzielbar ist, deswegen noch nicht eine unvertretbare Leistung vorliegt. Allerdings muß der Vollstreckungsbescheid nach § 4 VVG, ungeachtet der ursprünglich eingeräumten Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Arten der Realisierung der aufgetragenen Leistung, eindeutig bestimmt sein (siehe erneut die Rechtsprechung bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 1127). Die Wahlmöglichkeit ist dem Verpflichteten durch die zwangsweise Vollstreckung aus der Hand genommen; ein Einfluß auf die Durchführung der Ersatzvornahme steht dem Verpflichteten nicht zu (siehe abermals die Rechtsprechung bei Hauer-Leukauf, a. a.O., S. 1129).

In ihrer Berufung hat die Beschwerdeführerin somit im Ergebnis zutreffend geltend gemacht, daß das ihr gegenüber angeordnete Zwangsmittel (sachverhaltsbezogen) im Gesetz nicht zugelassen ist (§ 10 Abs. 2 lit. c VVG 1950). Dadurch, daß mit dem angefochtenen Bescheid dennoch die Verhängung der Zwangsstrafe aufrechterhalten wurde, ist die Beschwerdeführerin in ihrem durch den Beschwerdepunkt gekennzeichneten Recht verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Von der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

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