VwGH 88/15/0040

VwGH88/15/004016.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der L-Warenhandel Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Harald Foglar-Deinhardstein, Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein und Dr. Jürgen Brandstätter, Rechtsanwälte in Wien I, Plankengasse 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Jänner 1988, Zl. GA 11 - 1738/87, betreffend (vorläufige Festsetzung einer) Gebühr für ein Rechtsgeschäft, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1090;
GebG 1957 §33 TP5 Abs2;
GebG 1957 §33 TP5 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt:

Eine - in der Folge als Vermieter bezeichnete - Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. hatte bereits vor dem 13. November 1986 auf ihrer Liegenschaft in Wien mit der Errichtung eines Gästehauses bzw. Hotels mit Verkaufslokalen begonnen. An dem erwähnten Tag hatten der Vermieter und die - in der Folge als Mieter bezeichnete - Beschwerdeführerin (eine Warenhandel Gesellschaft m.b.H.) einen schriftlichen Mietvertrag geschlossen.

Nach diesem Vertrag wurde in dem bis 30. September 1988 fertigzustellenden Rohbau dem Mieter von ihm zu Geschäftsräumlichkeiten zu adaptierende Liegenschaftsteile (Verkaufsfläche im Erdgeschoß einschließlich Aufzug und Stiege) samt Lager- und Nebenräumen im Erdgeschoß, Nebenräumen im Kellergeschoß sowie eine Fläche für 42 PKW-Stellplätze im Kellergeschoß einschließlich anteiliger Zufahrtsfläche vermietet.

Mit Punkt III. dieses Mietvertrages wurde u.a. vereinbart:

"1. Das Mietverhältnis beginnt mit der Übergabe, welche für 30. September 1987 vorgesehen ist. Es wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Kalenderjahres aufgekündigt werden, doch verzichtet der Mieter auf Aufkündigung zu einem vor dem 31. Dezember 2001 liegenden Stichtag.

Der Vermieter wird für diesen Zeitraum nur die folgenden, vom Mieter hiemit als Kündigungsgründe anerkannten Sachverhalte geltend machen

a) nicht- oder nicht vollständige Bezahlung des Mietzinses samt Nebenzahlungen;

b) wenn über das Vermögen des Mieters ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird;

c) wenn der Mieter trotz Abmahnung mehr als einmal gegen wesentliche Bestimmungen dieses Vertrages verstößt, insbesondere die Außenansicht des Mietgegenstandes durch "schreierische" Werbemittel oder durch Verstellen des Vorgartens oder des Gehsteiges vereinbarungswidrig beeinträchtigt, aber auch, wenn er die Bestandräumlichkeiten für einen anderen als den bedungenen Gebrauch oder für längere Zeit nicht für den bedungenen Gebrauch verwendet, insbesondere, durch längere Zeit für den Kundenverkehr geschlossen hält;

  1. d) erheblich nachteiligen Gebrauch;
  2. e) vetragswidrige Beeinträchtigung des Hotel- und Geschäftsbetriebes des Vermieters durch den Mieter;

    f) die Unterlassung zumutbarer, möglicher, notwendiger Maßnahmen des Mieters zur Verhinderung vertragswidriger Beeinträchtigung des Hotel- und Geschäftsbetriebes des Vermieters durch Kunden oder Lieferanten des Mieters, insbesondere bei (vereinbarungswidriger) Anlieferung von Waren über die S-straße oder außerhalb der gesondert festgelegten Lieferzeiten.

    Voraussetzung für eine Kündigung aus diesen Gründen ist es, - auch über den 31. Dezember 2001 hinaus - daß der Vermieter der Geschäftsleitung des Mieters die Kündigung unter Angabe der Beanstandung(en) androht und der Mieter bei Beanstandungen wegen lit. a) den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen bezahlt;

    d) den nachteiligen Gebrauch nicht sofort einstellt und etwaige verursachte Schäden nicht binnen zwei Wochen behebt;

  1. c) und e) das vertragswidrige Verhalten nicht sofort einstellt
  2. f) nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen einleitet.

    2. Unbeschadet des Kündigungsgrundes kann der Vermieter das Bestandverhältnis mit eingeschriebenem Brief an die Geschäftsleitung des Mieters oder Fernschreiben an diese mit sofortiger Wirkung für aufgelöst erklären, wenn

    a) der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblichen nachteiligen Gebrauch macht, insbesondere ohne schriftliche Zustimmung der Geschäftsführung des Vermieters widmungswidrige Änderungen des Mietgegenstandes vornimmt;

    b) der Mieter den Mietgegenstand vertragswidrig an Dritte weiter gibt."

    Nach Punkt V. Z. 1 Abs. 1 dieses Mietvertrages beträgt der Mietzins je Monat S 200.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer für den Zeitraum der Ausgestaltung des Mietgegenstandes durch den Mieter - jedoch höchstens auf die Dauer von drei Monaten - je Monat S 100.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer.

    Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind zwei Fragen strittig, und zwar ob

    1. die Vertragsdauer (im Sinn des angefochtenen Bescheides) gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG 1957 bestimmt ist oder (wie die Beschwerdeführerin vermeint) unbestimmt, und

    2. der nach Punkt V. Z. 1 Abs. 1 des Vertrages auf die Dauer von höchstens drei Monaten vereinbarte Mietzins (im Sinn des angefochtenen Bescheides) auf Grund des § 33 TP 5 Abs. 2 GebG 1957 eine zum Wert zählende einmalige Leistung ist oder (wie die Beschwerdeführerin vermeint) nicht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist im Sinn des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG 1957 als ein Vertrag auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist.

Das Unterscheidungsmerkmal zwischen einem auf bestimmte und einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag ist darin zu erblicken, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig auflösen zu können, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht im Wege steht.

Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden behandelt werden muß. Während die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG (früher § 19 Abs. 2 MG) keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit darstellt, vermögen ausnahmsweise bestehende Kündigungsmöglichkeiten die grundsätzliche Bindung einer Vertragspartei an ein nach dem Vertragsinhalt auf bestimmte Dauer abgeschlossenes Bestandverhältnis aus gebührenrechtlicher Sicht nicht aufzuheben.

Die soeben dargestellte Rechtsansicht vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe z.B. die den Parteien dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannten und hier gemäß § 43 Abs. 2 zweier Satz VwGG angeführten Erkenntnisse vom 3. Dezember 1964, Zl. 143/63, Slg. Nr. 3190/F, - verstärkter Senat -, vom 22. Dezember 1976, Zl. 2163/74, Slg. Nr. 5066/F, vom 17. Februar 1986, Zl. 85/15/0112, ÖStZB 1/2/1987, S. 22, oder Anw 7/1987, S. 351, vom 5. Oktober 1987, Zl. 86/15/0102, ÖStZB 7/1988, S. 188, oder Anw 5/1988, S. 276, und vom 6. März 1989, Zl. 88/15/0037).

Nun wiederholt die Beschwerdeführerin ihre bereits im Abgabenverfahren vorgebrachten Ausführungen im wesentlichen wie folgt:

Von den 16 Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 MRG kämen zunächst die der Z. 5, 6, 8 und 16 hier nicht in Betracht, weil sie sich lediglich auf Wohnungen beziehen.

Ihrem Inhalt nach könnte aber noch eine Reihe weiterer Kündigungsgründe auf den in Rede stehenden Vertrag nicht angewendet werden. Dies gelte für die Z. 2, weil diese einen zumindest teilweise in eigenen Dienstleistungen bestehenden Mietzins voraussetze. Weiters gelte dies für die Z. 10, welcher Kündigungsgrund nicht gegeben sein könne, wenn der Mietgegenstand schon vor der Kündigung zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt gewesen sei. Z. 11 sei nicht anwendbar, weil in diesem Fall der Mietgegenstand dem Bund, einem Bundesland oder einer Gemeinde gehören müsse. Z. 12 gelte nur bei im Beschwerdefall nicht gegebenen Untermietverhältnissen.

Der Sonderfall der Z. 13 sei gar kein gesetzlicher Kündigungsgrund, sondern sehe nur die Möglichkeit der Vereinbarung bestimmter Gründe als Kündigungsgrund vor.

Schon aus tatsächlichen Gründen kämen auch die beiden Abbruchsfälle der Z. 14 und 15 nicht in Betracht, weil vorliegendenfalls ein Neubau mit einem Hotel vorliege, sodaß auf die Dauer von 171 Monaten, um die es gehe, mit einem Abbruch überhaupt nicht gerechnet werden könne.

Daher zeige sich, daß für den Vermieter nur fünf gesetzliche Kündigungsgründe des MRG in Betracht kämen. In dem Mietvertrag seien im ganzen sechs "eigentliche" Kündigungsgründe und zwei noch stärker als eine Kündigung wirkende "Auflösungs"gründe vorgesehen.

Im einzelnen entspreche der vertragliche Kündigungsgrund des Punktes III. Abs. 1 lit. a) der Z. 1 des § 30 Abs. 2 MRG. Lit. b) (Insolvenzverfahren) gehe über das Gesetz hinaus, da jedenfalls ein Ausgleichsverfahren nach dem Gesetz keinen Kündigungsgrund darstelle. Lit. c) enthalte eingangs eine sehr allgemeine und gravierende Bestimmung, der nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit eine besondere Bedeutung zukomme. Einen derartigen Kündigungsgrund gebe es im Gesetz nicht, allenfalls könnte dies unter Z. 13 subsumiert werden. Lit. c) enthalte aber darüber hinaus eine Regelung, die der Z. 7 des § 30 Abs. 2 MRG entspreche (Nichtverwendung der gemieteten Räumlichkeiten für den bedungenen geschäftlichen Gebrauch). Lit. d) entspreche der Z. 3 des § 30 Abs. 2 MRG. Lit. e) und f) seien wieder zusätzliche Gründe, die es nach dem Gesetz gar nicht gebe und für die dasselbe gelte wie für den ersten Teil der lit. c). Von dem Abs. 2 des Vertragspunktes III. enthalte die lit. a) nochmals den erheblichen nachteiligen Gebrauch, jedoch etwas ausgedehnt. Lit. b) entspreche der Z. 4 des § 30 Abs. 2 MRG.

Zusammenfassend lasse sich demnach sagen, daß von den gesetzlichen Kündigungsgründen, die hier aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen überhaupt nicht in Betracht kämen, scheine nur die Z. 9 des § 30 Abs. 2 MRG im Vertrag nicht auf; diese, Selbstbedarf gegen Ersatzbeschaffung, sei aber auch im vorliegenden Fall bei der Person und der Tätigkeit des Vermieters nicht denkbar und würde andererseits wegen der für einen Vermieter sehr teuren und kaum oder gar nicht möglichen (Lage!) Ersatzbeschaffung nicht in Betracht kommen.

Diese Ausführungen erscheinen dem Verwaltungsgerichtshof jedenfalls im Ergebnis zutreffend, weil die gewählte Vertragsformulierung - ganz abgesehen von den beiden "Auflösungsgründen - im wesentlichen nichts anderes zum Ausdruck bringt, als die Vereinbarung aller im vorliegenden Fall denkmöglicher Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG, wobei lediglich auf die (wenn überhaupt in Betracht kommende) Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z. 9 MRG (Eigenbedarf) verzichtet wurde.

Die von der belangten Behörde zu Unrecht vorgenommene isolierte Heraushebung der in dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1986 u.a. gemachten Ausführungen, wonach der damalige Bestandgeber seinen Kündigungsverzicht auf jene wichtigen Kündigungsgründe eingeschränkt habe, die auf Umständen beruhten, die allein die damalige Beschwerdeführerin als Bestandnehmerin zu vertreten habe (wie Nichtzahlung des Mietzinses, ein erheblicher nachteiliger Gebrauch und Eröffnung des Insolvenzverfahrens), erscheint im vorliegenden Fall schon deswegen verfehlt, weil auch beim Verwaltungsgerichtshof die Tatsache der in der Gegend des Mietobjektes immer wieder auftretenden Parkplatzschwierigkeiten, und zwar insbesondere zu bestimmten Spitzeneinkaufszeiten, offenkundig ist, sodaß vor allem die Realisierung des oben angeführten gewichtigen Kündigungsgrundes nach Punkt III. Z. 1 lit. f) des Vertrages durchaus als wahrscheinlich zu beurteilen ist.

Geht man von dem maßgebenden deutlichen Inhalt (des eingangs angeführten Punktes V. Z. 1 Abs. 1) der Urkunde (§ 17 Abs. 1 und 2 GebG 1957) aus, dann ist zweifelsfrei ein für den Zeitraum der Ausgestaltung des Mietgegenstandes durch den Mieter - jedoch höchstens auf die Dauer von 3 Monaten - vereinbarter Mietzinsnachlaß auf die Hälfte des grundsätzlich vereinbarten Mietzinses zu erkennen.

Ein solcher ausdrücklich (auf bestimmte Zeit) vereinbarter Mietzinsnachlaß kann aber - schon rein begrifflich - weder den Jahreswert des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG 1957 beeinflussen (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1985, Zl. 84/15/0184, Slg. Nr. 5999/F), noch - insbesondere unter Bedachtnahme auf die bereits im Rohbauzustand erfolgte Vermietung - als einmalige Leitung im Sinn des § 33 TP 5 Abs. 2 GebG 1957 angesehen werden.

Schon auf Grund der bisherigen Ausführungen ist die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, weshalb eine Wiedergabe und Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens entbehrlich ist.

Ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin kann der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG von einer Verhandlung absehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Vorlage der - offensichtlich für die belangte Behörde gedacht gewesenen - weiteren Bescheidausfertigung war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.

Wien, am 16. Oktober 1989

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