VwGH 88/14/0080

VwGH88/14/00802.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der C in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat) vom 29. Oktober 1987, Zl. 140-GA3BK-DP/86, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1981 bis 1983, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §126;
BAO §131 Abs1;
BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;
EStG 1972 §18 Abs1 Z4;
EStG 1972 §4 Abs3;
BAO §126;
BAO §131 Abs1;
BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;
EStG 1972 §18 Abs1 Z4;
EStG 1972 §4 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.496,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betrieb in den Streitjahren in der Rechtsform eines Einzelunternehmens einen Zweiradhandel. Ihren Gewinn ermittelte sie gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972. Anläßlich einer für die Jahre 1981 bis 1983 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer Mängel der Aufzeichnungen sowie einen Fehlbestand bei Motorrädern fest. Im Wege der Schätzung nach § 184 BAO nahm er daher ausgehend vom Einstandspreis der Motorräder eine auf die Streitjahre gleich verteilte Erlöshinzurechnung vor und berücksichtige entsprechende Aufwendungen. Den in den Jahren 1977 bis 1980 geltend gemachten Verlusten versagte der Prüfer ihre Anerkennung als Sonderausgabe (Verlustabzug).

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ nach amtswegiger Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechende Abgabenbescheide. Die gegen diese Bescheide eingebrachte Berufung wurde zunächst mit Berufungsvorentscheidung und nach Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

In der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist insbesondere dann zu schätzen, wenn die Bücher oder Aufzeichnungen, die der Abgabepflichtige nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, sachlich unrichtig sind.

Auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 sind Aufzeichnungen im Sinn des § 126 BAO zu führen. Diese müssen auch den Formvorschriften des § 131 Abs. 1 Z. 2 und 6 BAO entsprechen. Die Nichtbeachtung dieser Bestimmungen führt zum Wegfall der Rechtsvermutung nach § 163 BAO, ein Umstand, der die Behörde zur Schätzung berechtigt (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1989, 86/14/0037).

Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweist, daß ausreichend buchhalterische Unterlagen vorgelegen hätten, übersieht sie, daß eine Pflicht der Abgabenbehörden zur (Re-)Konstruktion von nicht oder nur unzureichend vorgelegten Aufzeichnungen, die der Abgabenpflichtige zu führen und vorzulegen verpflichtet war, - ob mit, ob ohne Mitwirkung des Abgabepflichtigen - in keiner gesetzlichen Vorschrift verankert ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1984, 83/14/0236, 0242, 0243). Nach den Feststellungen des Prüfers und ihm folgend der Abgabenbehörde hat die Beschwerdeführerin neben einem "Spesenverteiler" für das Jahr 1982 keine und für das Jahr 1981 und 1983 weder der Zeitfolge nach geordnete noch vollständige Aufzeichnungen geführt, sodaß der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie die Berechtigung zur Schätzung nach § 184 BAO als gegeben erachtete. Eine Rechtswidrigkeit vermag der Gerichtshof jedenfalls insofern nicht zu erkennen.

Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht nach ständiger Rechtsprechung die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im allgemeinen frei, doch muß das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt, die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge müssen schlüssig und folgerichtig sein und das Ergebnis, das in der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen besteht, muß mit den Lebenserfahrungen im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muß stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muß die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen, auch wenn ihre Richtigkeit erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muß (vgl. unter anderem hg. Erkenntis vom 21. Oktober 1986, 84/14/0102, und vom 17. Februar 1988, 87/13/0116).

Die Beschwerdeführerin bestreitet einen Fehlbestand von 46 Motorrädern und macht dabei geltend, daß entgegen den Feststellungen im Abgabenverfahren lediglich ein Fehlbestand von 6 bis 8 Motorrädern gegeben gewesen wäre, deren Zuordnung ihr in der aufgetragenen Frist aber nicht möglich gewesen sei. Diese Fahrzeuge seien zum größten Teil als Vorführmotorräder verwendet und zerlegt worden, weil ein Verkauf unmöglich gewesen sei.

Dem Einwand, ein Fehlbestand von 46 Motorrädern sei für den Zeitraum 1981 bis 1983 nicht festgestellt worden, kommt auf Grund der Aktenlage Berechtigung zu. Der Prüfer und ihm folgend die Abgabenbehörde hat für das Jahr 1981 zu 17 Fahrzeugen, 1982 zu 9 Fahrzeugen, 1983 zu 13 Fahrzeugen und 1984 zu 7 Fahrzeugen keinen Erlös in den Unterlagen festgestellt. Das Jahr 1984 scheidet im vorliegenden Fall als nicht verfahrensgegenständlich aus, sodaß die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren auch nur von 39 Fahrzeugen ausgegangen sein, den Einstandspreis dieser Fahrzeuge als Erlös herangezogen und gleichmäßig auf die Jahre 1981 bis 1983 verteilt haben dürfte. Nach dem Akteninhalt konnte allerdings für einen Teil der restlichen 39 Fahrzeuge ein Erlös festgestellt werden, sodaß in diesen Fällen eine Schätzung nicht vorzunehmen gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin kann sich jedoch bezüglich dieser als verkauft festgestellten Fahrzeuge insofern durch die vorgenommene Erlöshinzurechnung nicht beschwert erachten, weil die vom Prüfer herangezogenen Einstandspreise insgesamt unter den von ihm festgestellten Erlösen liegen. Da allerdings nach der Aktenlage nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde auch Fahrzeuge des Jahres 1980 in die Schätzung für die Jahre 1981 bis 1983 miteinbezogen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Im weiteren Verfahren wird dann auch auf offenbar unterlaufene Rechenfehler bei der Addition der Einstandspreise Bedacht zu nehmen sein.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, daß den Verlustvorträgen der Jahre bis 1980 der Verlustabzug versagt geblieben ist.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 sind bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 auf Grund ordnungsgemäßer Buchführung ermitteln, die in den fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstandenen Verluste aus Gewerbebetrieb, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind, vom Gesamtbetrag der Einkünfte als Sonderausgaben abzuziehen. Sofern die Beschwerdeführerin den Gewinn schon in den Verlustjahren nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 ermittelte, war ihr schon deswegen der Verlustabzug zu versagen (s.a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1987, G 170-172/86). Im übrigen ist aber davon auszugehen, daß die "ordnungsgemäße Buchführung" in den Jahren gegeben sein muß, in denen der Verlust entstanden ist. Wenn die Beschwerdeführerin für die Jahre 1979 und 1980 überhaupt keine und für die Jahre 1977 und 1978 nur teilweise und mit erheblichen Mängel behaftete Unterlagen vorlegen konnte, durfte die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, daß ein genau zu ermittelnder, vortragsfähiger Verlust nicht vorlag (hg. Erkenntnis vom 5. Mai 1992, 92/14/0018). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, alle Unterlagen aus den Vorjahren vorgelegt zu haben, sowie der Hinweis auf das Fehlen von Verstößen gegen die Buchführungsvorschriften, ist jedenfalls durch die Aktenlage nicht gedeckt.

Zusammenfassend ist aber festzustellen, daß der Bescheid der belangten Behörde mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 59 Abs. 1. Stempelgebühren waren nur mit dem zu entrichtenden Betrag zu ersetzen.

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