VwGH 88/08/0001

VwGH88/08/000119.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, in der Beschwerdesache des JR in W, vertreten durch Dkfm. DDr. Wilfried Dorazil, Rechtsanwalt in Wien V, Reinprechtsdorferstraße 57/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Oktober 1987, Zl. MA 63-R 32/86/Str., betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, den Beschluss gefasst:

Normen

VStG §14 Abs2;
VStG §64 Abs5;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §51;
VwGG §56;
VwGG §58;
VStG §14 Abs2;
VStG §64 Abs5;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §47 Abs1;
VwGG §51;
VwGG §56;
VwGG §58;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kostenersatzbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, dem Beschwerdeführer am 20. November 1987 zugestellten, angefochtenen Bescheid wurden über den Beschwerdeführer wegen verschiedener Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und Verfahrenskostenbeiträge festgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist nach Einbringung der Beschwerde am 1. Februar 1988 gestorben.

Gemäß den §§ 14 Abs. 2, 64 Abs. 5 VStG 1950 erlischt mit dem Tode des Verurteilten die Vollziehbarkeit der verhängten Geldstrafen und der auferlegten Verfahrenskostenbeiträge. Wurden - wie im Beschwerdefall - diese Strafen und Beiträge noch nicht bezahlt, so fällt daher mit dem Tod des Verurteilten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht nur die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Person des Verurteilten, sondern auch in Ansehung des ruhenden Nachlasses bzw. der Personen, denen der Nachlaß zufällt, weg; ein Eintritt dieser Personen in das verwaltungsgerichtliche Verfahren scheidet deshalb aus. Daran ändert der Umstand, auf den der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (im folgenden Rechtsanwalt genannt) in der Stellungnahme zur Ankündigung der beabsichtigten Einstellung des Verfahrens hingewiesen hat, daß nämlich nach wie vor die Frage ungelöst sei, "ob die bekämpfte Strafverfügung selbst dem Gesetz entsprochen hat oder nicht", deshalb nichts, weil die Erledigung einer Bescheidbeschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG eine beschwerdeführende Person voraussetzt, die durch den bekämpften Bescheid in ihren Rechten verletzt sein kann. Ist diese Voraussetzung - wie im Beschwerdefall - während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weggefallen, so ist das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und einzustellen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 313, zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine derartige Einstellung des Verfahrens hat aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, und den Beschluß vom 18. Dezember 1981, Zl. 08/1078/80) zur Folge, daß die Kostenersatzbegehren der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abzuweisen sind.

Dagegen wendet sich der Rechtsanwalt in der schon genannten Stellungnahme. Wenn schon eine sinngemäße Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG beabsichtigt sei, dann müsse dies mit allen Konsequenzen geschehen; d.h. es müßte dann auch § 56 VwGG sinngemäß angewendet werden. Es sei mit dem Gesetz schlechthin unvereinbar, eine Art Klaglosstellung anzunehmen, bei der Frage des Kostenersatzes aber so zu tun, als ob eine solche nicht stattgefunden hätte. Es dürfe darauf verwiesen werden, daß ein Kostenersatz nur dann abzusprechen sei, wenn der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unterliege. In den Fällen, in denen er obsiege oder ein Obsiegen von Gesetzes wegen anzunehmen sei, besitze er einen Anspruch auf Kostenersatz. Es könne im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde noch am Leben gewesen sei, auch nicht bestritten werden, daß ihm ein zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung notwendiger Aufwand erwachsen sei. Dazu komme, daß bei einer Einstellung des Verfahrens immerhin auch noch die Frage eines Erfolges der Beschwerde im Raum stehe, wonach dem Beschwerdeführer jedenfalls Kosten zu ersetzen sein würden. Der Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, stehe daher mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Diesen Einwänden kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 58 VwGG hat jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen, soweit die §§ 47 bis 56 nicht anderes bestimmen. Daraus ergibt sich, daß einer Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nur dann der Ersatz der Kosten einer anderen Partei auferlegt werden kann, wenn einer der Kostenersatztatbestände der §§ 47 bis 56 vorliegt. Die Auffassung des Rechtsanwaltes, ein Kostenersatz sei nur dann abzusprechen, wenn der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unterliege, steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang. Für den Kostenersatz genügt es auch nicht, daß einem Beschwerdeführer ein zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung notwendiger Aufwand erwachsen ist oder daß die Frage eines Erfolges der Beschwerde im Raum stehe; entscheidend ist ausschließlich, ob ein Kostenersatztatbestand der §§ 47 bis 56 VwGG vorliegt. Von diesen Tatbeständen kommen von vornherein nur die §§ 47 Abs. 1 Z. 1 und 50 sowie 56 in Betracht. Da der angefochtene Bescheid weder zur Gänze noch zum Teil aufgehoben wird, scheidet der erste Kostenersatztatbestand aus. Eine unmittelbare Anwendung des § 56 VwGG kommt deshalb nicht in Betracht, weil eine Klaglosstellung nach der in § 56 bezogenen Bestimmung des § 33 Abs. 1 VwGG eine formelle Aufhebung des angefochtenen Bescheides voraussetzt (vgl. den schon genannten Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A). Einer sinngemäßen Anwendung des § 56 VwGG steht der klare Wortlaut des § 58 leg. cit. entgegen. Sie ist auch nicht deshalb geboten, weil bei einer Fallkonstellation, wie sie im Beschwerdefall vorliegt, das Verfahren aus den oben angeführten Gründen in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen ist. Denn die "sinngemäße Anwendung" der im § 33 Abs. 1 an eine Klaglosstellung im oben genannten Sinn bzw. eine Zurückziehung der Beschwerde geknüpften Rechtsfolge, nämlich der Einstellung des Verfahrens, auf die im vorliegenden Beschwerdefall gegebene Konstellation hat ihren Grund nicht in einer Ähnlichkeit mit den ausdrücklich geregelten Einstellungstatbeständen, sondern, wie schon ausgeführt wurde, ausschließlich darin, daß bei Wegfall der beschwerdeführenden Person ohne Eintrittsmöglichkeit einer anderen während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die wesentlichste Voraussetzung der Erledigung einer Bescheidbeschwerde fehlt. Die kostenrechtlichen Konsequenzen der Einstellung wegen eines der beiden in § 33 Abs. 1 VwGG angeführten Einstellungstatbestände sind unterschiedlich: Während nämlich bei einer Einstellung wegen Klaglosstellung nach § 56 VwGG die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn der Beschwerdeführer obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 wäre, ist bei einer Einstellung wegen Zurückziehung der Beschwerde nach der Einleitung des Vorverfahrens (also nach einer Befassung der übrigen Parteien) die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz nach § 51 leg. cit. so zu beurteilen, wie wenn die Beschwerde abgewiesen worden wäre. Die vorliegende Fallkonstellation hat mit keinem dieser beiden ausdrücklich geregelten Einstellungstatbestände eine solche Ähnlichkeit, daß eine der beiden Kostenersatzregeln "sinngemäß" angewendet werden könnte. Dies bedarf hinsichtlich § 51 VwGG keiner näheren Erörterung. Aber auch in bezug auf die Kostenersatzregel des § 56 VwGG besteht eine solche Ähnlichkeit nicht, da sie auf ein vorweggenommenes Obsiegen im Sinne des § 47 VwGG, nämlich einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides, abstellt. Gerade dies trifft bei einer (nach den obigen Darlegungen erforderlichen) Einstellung des Verfahrens wegen des Todes des Beschwerdeführers während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zu, weil, wie der Rechtsanwalt selbst ausführt, dabei "die Frage eines Erfolges der Beschwerde" immer noch "im Raum steht" (und notwendigerweise "stehen bleibt"), während bei einer Einstellung wegen Klaglosstellung im obgenannten Sinn der maximal erreichbare Erfolg der Beschwerde, nämlich die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, zur Gänze vorweggenommen ist. Die Kostenersatzbegehren der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens waren daher abzuweisen.

Wien, am 19. Mai 1988

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