VwGH 88/07/0021

VwGH88/07/002120.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, über die Beschwerde des JM in B, vertreten durch Dr. Roland Piccolruaz, Rechtsanwalt in Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 9. Dezember 1987, Zl. LAS-210-246, betreffend Nichtanerkennung eines Rechtsgeschäftes als Flurbereinigungsvertrag, zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §2 Abs2;
FlVfGG §49 Abs1 Z1 impl;
FlVfGG §49;
FlVfGG §50 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §2 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §30 Abs1;
FlVfGG §2 Abs2;
FlVfGG §49 Abs1 Z1 impl;
FlVfGG §49;
FlVfGG §50 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §2 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §30 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 26. Mai 1987 erwarb der Beschwerdeführer die in der KG X gelegenen Grundstücke

GP 3088/2, Acker (3624 m2),

GP 3086/1, Acker (541 m2) und GP 3087, Wiese (468 m2)

um den Kaufpreis von insgesamt S 1,360.050,--. Mit Eingabe vom 23. Juni 1987 wurde dieser Grundstückskauf der Agrarbezirksbehörde Bregenz (ABB) bekanntgegeben. Die ABB wertete dieses Schreiben als Antrag auf Ausstellung eines Zweckdienlichkeitsbescheides zur Erlangung der Grunderwerbsteuerbefreiung.

Mit Bescheid der ABB vom 14. Juli 1987 wurde diesem Antrag gemäß § 30 Flurverfassungsgesetz, LGBl. Nr. 2/1979 (FLG), in Verbindung mit § 15 Agrarverfahrensgesetz 1950 keine Folge gegeben. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß sowohl die bereits im Eigentum des Beschwerdeführers stehende GP 3078 als auch die angrenzenden Kaufliegenschaften, GP 3086/1 und 3087 als Bau-Wohngebiet im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Stadt Bludenz ausgewiesen seien. Auf Grund dieser Widmung könne der Liegenschaftserwerb nicht als unmittelbare Bodenreformmaßnahme angesehen werden, weil auf Grund dieser Widmung jederzeit die Möglichkeit bestehe, die Liegenschaft der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen. Der entrichtete Kaufpreis sei weit überhöht und lasse sich nur aus der Widmung der Grundstücke als Baufläche erklären. Die Bezahlung derart überhöhter Kaufpreise wirke sich nachteilig auf den Bodenmarkt in der Landwirtschaft aus.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung berufen, bei Behandlung seines Antrages müsse die Widmung der erworbenen Grundstücke außer Betracht bleiben. Grundsätzlich bestehe bei jedem Grundstück die Möglichkeit, es der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen. Der Beschwerdeführer beabsichtige, die erworbenen Grundstücke trotz ihrer Widmung so wie bisher landwirtschaftlich zu nutzen. Die Höhe des Kaufpreises ergebe sich aus der günstigen Lage der Grundstücke mitten im Ortsgebiet von B. Der Beschwerdeführer bewirtschafte das im Eigentum seines Bruders stehende Grundstück GP 3111/2, welches an die Kaufliegenschaften angrenze und welches der Beschwerdeführer im Tauschwege zu erwerben beabsichtige. Durch das Entstehen einer großen landwirtschaftlich nutzbaren zusammenhängenden Fläche mitten im Ortsgebiet von B seien die Ziele des § 1 FLG erreicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Dezember 1987 wurde der Berufung gemäß § 30 FLG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer bewirtschafte ca 2 ha Eigenfläche, wobei er 2 Stück Großvieh und 2 Ziegen halte. Das anfallende Gras werde gemäht und, soweit es nicht an das eigene Vieh verfüttert werde, verkauft. Der Beschwerdeführer sei hauptberuflich Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebes mit ca 70 Arbeitnehmern. Wohl grenzten die erworbenen Grundstück GP 3087 und GP 3086/1 auf eine Länge von ca 35 m an die zur Hälfte im Miteigentum des Beschwerdeführers stehende GP 3078 an, doch könne schon allein deswegen von einer Flurbereinigung nicht gesprochen werden, weil der Beschwerdeführer zwar Alleineigentum an den Kaufliegenschaften erwerbe, die daran angrenzende Liegenschaft aber nicht in seinem Alleineigentum stehe. Im Hinblick auf diese Eigentumsverhältnisse bewirke der Erwerb der Liegenschaften auch nicht, daß eine "Insel" zwischen bereits im Eigentum des Beschwerdeführers befindlichen Grundflächen bereinigt werde. Außerdem grenzten sowohl das Grundstück GP 3078 wie auch die Kaufliegenschaften direkt an einen mit landwirtschaftlichen Maschinen befahrbaren öffentlichen Weg. Gemäß dem im Flurbereinigungsverfahren sinngemäß anzuwendenden § 14 Abs. 1 FLG sei die Behörde gehalten, eine Gesamtlösung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht anzustreben und insbesondere durch Berücksichtigung der örtlichen und überörtlichen Raumplanung auf eine geordnete Entwicklung des ländlichen Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraumes und der Betriebe Bedacht zu nehmen. Da die vom Beschwerdeführer erworbenen Grundstücke als Baufläche gewidmet seien, widerspräche die Anerkennung des Grunderwerbs als Bodenreformmaßnahme der angeführten Gesetzesstelle. Auch müsse ein Grundstückserwerb unmittelbar zur Arrondierung des landwirtschaftlichen Besitzes des Erwerbers dienen. Davon könne im vorliegenden Fall aber nicht gesprochen werden, weil es zur Arrondierung des erworbenen Grundstückes GP 3088/2 mit dem bereits im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstück GP 3110 noch eines weiteren Rechtsaktes, nämlich eines Vertrages zwischen dem Eigentümer des Grundstückes GP 3111/2 mit dem Beschwerdeführer, bedürfe. Beim landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers handle es sich angesichts der Einkünfte aus seinem Unternehmen umfang- und ertragsmäßig um eine Kleinstlandwirtschaft, sodaß durch den Erwerb der Kaufliegenschaften unter Berücksichtigung des Umfanges der vom Beschwerdeführer betriebenen Landwirtschaft keine unwirtschaftliche Betriebsgröße behoben werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit "durch Verletzung der §§ 1 und 30 FLG und der durch diese Gesetzesstellen dem Beschwerdeführer zuerkannten subjektiven öffentlichen Rechte" geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insbesondere darin, daß die belangte Behörde auf die Verbesserung der Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse nicht Bedacht genommen habe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 lit. a FLG kann anstelle eines Zusammenlegungsverfahrens ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, wenn dadurch die Besitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse in einem kleineren Gebiet oder bei einer kleineren Anzahl land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe oder lediglich durch einzelne Maßnahmen verbessert oder neu gestaltet werden. Nach § 29 FLG sind im Flurbereinigungsverfahren die Bestimmungen für die Zusammenlegung sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 30 Abs. 1 FLG sind dem Flurbereinigungsverfahren Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteiübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet werden (Flurbereinigungsübereinkommen), zugrunde zu legen, wenn die Behörde bescheidmäßig feststellt, daß sie zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung der im Flurbereinigungsverfahren sonst vorgesehenen Bescheide Abstand genommen werden. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist der Bescheid gemäß Abs. 1 nach Rechtskraft dem für die Erhebung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt mitzuteilen. Die Behörde hat von Amts wegen die Durchführung der Flurbereinigungsübereinkommen im Grundbuch zu veranlassen.

Die Argumentation der belangten Behörde, allein wegen des Umstandes, daß der Beschwerdeführer nicht Alleineigentümer des an die Kaufliegenschaften grenzenden Grundstückes GP 3078 sei, könne von einer Flurbereinigung nicht gesprochen werden, läßt außer acht, daß nicht nur die Verbesserung der Besitzverhältnisse, sondern auch die Verbesserung der Benutzungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse Gegenstand und Ziel einer Flurbereinigung sein können. Unbestritten betreibt der Beschwerdeführer eine Landwirtschaft im Nebenerwerb und bewirtschaftet das an die Kaufgrundstücke angrenzende Grundstück GP 3078. Desgleichen bewirtschaftet er auch die an der gegenüberliegenden Seite der Kaufgrundstücke angrenzenden Grundstücke, wobei allerdings das Grundstück GP 3111/2 im Eigentum des Bruders des Beschwerdeführers steht und vom Beschwerdeführer lediglich gepachtet ist (die Absicht, dieses Grundstück allenfalls im Tauschwege zu erwerben, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bekundet). Feststellungen über diese unter den gegebenen Umständen durch den Erwerb der zwischen den vom Beschwerdeführer bewirtschafteten Grundkomplexen liegenden Grundstücke erzielte - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auf der Hand liegende - Verbesserung der Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse hat die belangte Behörde nicht getroffen. Das von der belangten Behörde zur Bekräftigung ihrer Rechtsanschauung herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1964, Zl. 698/61 (Slg. 3141/F), ist zu einem Anwendungsfall des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 in der Fassung der dem Rechtsbestand nicht mehr angehörenden Novelle BGBl. Nr. 178/1956 ergangen und ist im übrigen wegen der verschiedenen Rechtslage auf den Beschwerdefall nicht übertragbar. Im übrigen enthält dieses Erkenntnis keine Aussage in der Richtung, daß eine Abrundung des landwirtschaftlichen Besitzes nicht vorliege, wenn ein Landwirt, der nur Miteigentümer eines Grundstückes ist, an dieses angrenzende Grundstücke ins Alleineigentum erwirbt.

Soweit die belangte Behörde die Auffassung vertritt, der Erwerb von Bauland durch einen Landwirt widerspreche den Zielsetzungen des § 14 FLG, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Widmung einer Grundfläche als Bauland in der Regel nicht die Verpflichtung des Eigentümers nach sich zieht, auf einem derart gewidmeten Grundstück ein Bauwerk zu errichten. Die vom Beschwerdeführer geäußerte Absicht, die von ihm erworbenen Flächen weiterhin landwirtschaftlich nutzen zu wollen - diese Absicht wurde von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen - steht sohin nicht in Widerspruch zu der Baulandwidmung; letztere kann demnach nicht als Hindernis für eine bescheidmäßige Feststellung gemäß § 30 Abs. 1 FLG angesehen werden. Dies umso weniger, als gemäß § 2 Abs. 2 FLG auch Bauflächen Gegenstand einer Zusammenlegung bzw. Flurbereinigung sein können (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1987, Zl. 86/07/0280).

Aber auch der Ansicht der belangten Behörde, auf Grund der Kleinheit der vom Beschwerdeführer betriebenen Landwirtschaft und des geringen Einkommens daraus, könne im Hinblick auf die Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers aus seinem metallverarbeitenden Betrieb nicht davon gesprochen werden, daß durch den Erwerb der gegenständlichen Grundstücke eine unwirtschaftliche Betriebsgröße behoben worden wäre, kann nicht gefolgt werden. Denn einerseits sind auch Kleinstlandwirtschaften nicht von den Bestimmungen des FLG ausgenommen, sodaß auch die Verbesserung der Struktur solcher Betriebe Gegenstand einer Flurbereinigung sein kann. Andererseits findet sich im FLG kein Ansatzpunkt dafür, daß - wie etwa im Anwendungsbereich der landwirtschaftlichen Siedlungsgesetze (in Vorarlberg: des Bäuerlichen Siedlungsgesetzes) - auf die Vermögensverhältnisse einer eine Feststellung im Sinne des § 30 Abs. 1 FLG beantragenden Partei einzugehen wäre.

Da sohin die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil über den pauschalierten Schriftsatzaufwand hinaus ein Anspruch auf Ersatz von Einkommensteuer und Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann.

Wien, am 20. September 1988

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte