Normen
GewO 1973 §338;
GewO 1973 §367 Z59;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1./8. Bezirk, vom 14. April 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "es zu verantworten, daß" er "am 12. Dezember 1986 in der Zeit von
23.30 bis 24.00 Uhr den Organen des Marktamtes für den 8./9. Bezirk das Betreten und die Besichtigung" seines "Gewerbebetriebes in Wien 8, G-gasse 11, nicht ermöglicht" habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 367 Z. 59 GewO 1973 verletzt. Gemäß § 367, Einleitungssatz, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe 2 Tage) verhängt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, im vorliegenden Fall habe sich die Berechtigung der Behörde zur Durchführung der Überprüfung und die Verpflichtung des Betriebsinhabers, den entsprechenden Organen den Zutritt zur Durchführung dieser Überprüfung zu gewähren, aus dem Verdacht der unbefugten Konzessionsausübung abgeleitet. Ob nun eine der Gewerbeordnung 1973 unterliegende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt worden sei, sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Auch wäre es den für die Vollziehung gewerberechtlicher Vorschriften zuständigen Organen erst nach erfolgter Kontrolle möglich gewesen, eine entsprechende Feststellung treffen zu können. Es seien keine Gründe geltend gemacht worden, die die Verantwortung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Begehung der Übertretung in Frage stellen würden. Es sei lediglich die Anzeige eines Vereines bei der Bundespolizei Wien sowie dessen Rechtsfähigkeit geltend gemacht worden. Einwände hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers als Betriebsinhaber, der zur Einhaltung des § 338 GewO 1973 verpflichtet sei, seien nicht vorgebracht worden. Die Begehung der Verwaltungsübertretung durch den Beschwerdeführer sei nicht ausdrücklich bestritten worden und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer einen Verein gegründet habe, könne keinen Entlastungsgrund darstellen, dies umso weniger, als auch Vereine gewerbliche Tätigkeiten ausüben könnten. Der Tatbestand sei auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung erwiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Mai 1988 wurde das erstbehördliche Straferkenntnis bestätigt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, § 338 GewO 1973 ermögliche es den Organen der Gewerbebehörden, Betriebe auch dann zu betreten, wenn kein konkreter Verdacht einer Nichteinhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften bestehe. Allerdings rechtfertige diese Bestimmung ein Betreten von Betrieben nur insoweit, als dies zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften erforderlich sei. Es sei daher grundsätzlich möglich, daß die Gewerbebehörde ihre Organe in Betriebe zum Zwecke der Kontrolle entsendet, ob bestimmte Vorschriften - gleichgültig, ob es sich um generelle Normen oder um bescheidmäßige Anordnungen handelt - befolgt werden, ohne daß schon der konkrete Verdacht der Nichtbefolgung dieser Vorschriften bestehen müsse. Der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsauffassung, unter "Betrieb" im Sinne des § 338 GewO 1973 sei ausschließlich ein Gewerbebetrieb zu verstehen, sei nicht beizupflichten. Die Gewerbeordnung 1973 enthalte sehr wohl Begriffe für Orte, die mit einer gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen (vgl. weitere Betriebsstätte § 46, Verlegung des Betriebes eines Anmeldungs- und konzessionierten Gewerbes § 49 Abs. 1 und 2 sowie gewerbliche Betriebsanlage § 74 GewO 1973), sodaß für eine restriktive Interpretation des Begriffes "Betrieb" kein Raum bleibe. Vielmehr müsse von der wörtlichen und teleologischen Auslegung des Begriffes "Betrieb" ausgegangen werden, d.h. dieser Begriff könne nur nach dem vom Gesetzgeber im Gesetz selbst zum Ausdruck gebrachten Zweck verstanden werden. Jede andere Betrachtungsweise würde den normativen Gehalt der Bestimmung des § 338 GewO 1973 ad absurdum führen, zumal gerade durch behördliche Erhebungen erst die Feststellung, ob ein Gewerbebetrieb vorliege, getroffen werden könne. Wenn der Gesetzgeber den Organen der zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften zuständigen Behörden sogar das Betreten und Besichtigen von Lagerräumen gestatte, umsomehr müsse dieses Recht für Betriebe als organisatorische Einheit, unabhängig von der Qualifikation als Gewerbebetrieb, gelten. Weiters könne der Meinung des Beschwerdeführers, ein nach dem Vereinsgesetz 1951 konstituierter Verein schließe die Anwendung der Gewerbeordnung 1973 aus, nicht gefolgt werden. Denn bei der Beurteilung der Frage, ob die Gewerbeordnung 1973 anzuwenden sei, seien die im § 1 GewO 1973 festgelegten Kriterien heranzuziehen. Dabei komme es bei der Beurteilung der Frage, ob die von einem Verein entfaltete Tätigkeit der Gewerbeordnung 1973 unterliege, nicht darauf an, inwieweit der Verein nach dem Vereinsgesetz oder nach seinen Statuten befugt sei, Tätigkeiten in der Absicht auszuüben, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, sondern eben darauf, inwieweit eine solche Absicht tatsächlich bestehe. Da der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht den Beweis erbracht habe, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift, der er zuwidergehandelt habe, unverschuldet nicht möglich gewesen sei, habe seine Berufung in der Schuldfrage erfolglos bleiben müssen. (Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.)
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür nicht bestraft zu werden. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, vorerst sei festzuhalten, daß er in der Funktion als Betriebsinhaber eines Betriebes bestraft worden sei. Aus dem gesamten Akteninhalt gehe nicht hervor, daß Erhebungen über seine Person als Betriebsinhaber gepflogen worden seien. Im Gegenteil, es sei aktenkundig, daß er immer nur im Namen des Vereines "A" tätig geworden sei. Die belangte Behörde sei immer von der Voraussetzung ausgegangen, daß die vom Verein auf Grund der Statuten betriebene Tätigkeit eine betriebliche Tätigkeit vereinigen müßte. Die belangte Behörde gehe hiebei von einer irrigen Rechtsansicht aus. Die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973, auf die sich die Absicht der Kontrollorgane gestützt habe, würden "sinngemäß" nur für Gewerbebetriebe, nicht jedoch für Tätigkeiten, die der Gewerbeordnung 1973 nicht unterliegen, gelten. Der Beschwerdeführer habe einwandfrei nachgewiesen - und es sei deshalb auch das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn zu Zl. MA 63-St 11/87/Str, am 9. Mai 1988 eingestellt worden -, daß er keine gewerbliche Tätigkeit im fraglichen Standort in der fraglichen Zeit ausgeübt habe. Damit falle jedoch eine Voraussetzung der Kontrollmöglichkeit der Organe des Marktamtes im Rahmen der Gewerbeordnung 1973 weg. Diese hätten ihre beabsichtigte Tätigkeit daher nicht auf die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 stützen können, da keine gewerbliche Tätigkeit vorgelegen gewesen sei. Da sich die belangte Behörde aber zu Unrecht auf eine vorgeschobene Gesetzesstelle gestützt habe, leide der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten - nämlich nur für eine Handlung bestraft zu werden, die tatsächlich auch eine Verwaltungsübertretung beinhaltet - verletzt worden sei. Es erübrige sich hiemit, darauf hinzuweisen, daß das Vorgehen der Organe der belangten Behörde auch mit der Bundesverfassung - Gesetz zum Schutz des Hausrechtes - nicht im Einklang stünde. Nur deshalb, weil der Verdacht bestehe, dürfe eine einer Hausdurchsuchung ähnliche Handlung nicht - gestützt noch dazu auf eine unzutreffende Gesetzesstelle - durchgeführt werden. Es sei auch eine Handlung, die eine solche Vorgangsweise der belangten Behörde vereitle, nicht strafbar.
Im Hinblick auf den vor dem 1. Jänner 1989 gelegenen Zeitpunkt sowohl der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat als auch der Erlassung des angefochtenen Bescheides sind im vorliegenden Fall die Bestimmungen der §§ 338 und 367 Z. 59 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, anzuwenden.
Gemäß § 338 Abs. 1 leg.cit. sind, soweit dies zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften erforderlich ist, die Organe der zur Vollziehung dieser Vorschriften zuständigen Behörden sowie die von diesen Behörden herangezogenen Sachverständigen berechtigt, Betriebe sowie deren Lagerräume während der Betriebszeiten zu betreten und zu besichtigen und Kontrollen des Lagerbestandes vorzunehmen. Der Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter ist spätestens beim Betreten des Betriebes oder der Lagerräume zu verständigen.
Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle haben die Gewerbetreibenden oder deren Beauftragte, soweit dies zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften erforderlich ist, den Organen der im Abs. 1 genannten Behörden sowie den von diesen Behörden herangezogenen Sachverständigen das Betreten und die Besichtigung des Betriebes und der Lagerräume zu ermöglichen sowie den Anordnungen dieser Organe zur Inbetriebnahme oder Außerbetriebsetzung und über die Betriebsweise von Maschinen und Einrichtungen und zur Vornahme betrieblicher Verrichtungen zu entsprechen, weiters haben sie den im Abs. 1 genannten Behörden die notwendigen Auskünfte zu geben, notwendige Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Einblick in die Aufzeichnungen über den Lagerbestand sowie die Warenein- und -ausgänge zu gewähren.
Gemäß § 367 Z. 59 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen des § 338 zuwiderhandelt.
Der im vorliegenden Fall im Instanzenzug bestätigte Schuldspruch stellt in Ansehung des Tatverhaltens auf den Tatbestand der Verpflichtung, "das Betreten und die Besichtigung des Betriebes ... zu ermöglichen" im Sinne des Abs. 2 des § 338 GewO 1973 ab. Normadressat des in dieser Gesetzesstelle niedergelegten Gebotes ist der Gewerbetreibende und weiters der vom Gewerbetreibenden Beauftragte. Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle in ihrem Regelungszusammenhang in der Gewerbeordnung 1973 ist unter einem Gewerbetreibenden nur eine Person zu verstehen, die eine in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973 fallende Tätigkeit ausübt.
Die im angefochtenen Bescheid angestellten Überlegungen treffen zwar insoweit zu, als etwa Übertretungen der unbefugten Gewerbeausübung im Sinne des § 366 Abs. 1 Z 1 und 2 von Amts wegen zu verfolgen sind. Dessen unbeschadet lassen die Bestimmungen der §§ 338 und 367 Z. 59 GewO 1973 keinen normativen Gehalt erkennen, demzufolge sich nach diesen Bestimmungen außer Gewerbetreibenden und deren Beauftragten auch andere Personen, etwa solche, die einer unbefugten Gewerbeausübung lediglich verdächtigt werden, die tatsächlich jedoch keine gewerbliche Tätigkeit ausüben, noch Beauftragte eines Gewerbetreibenden sind, nach § 367 Z. 59 (in Verbindung mit § 338 Abs. 2) GewO 1973 als Täter strafbar machen könnten.
Der gegenständliche, an den Beschwerdeführer gerichtete Schuldspruch bezieht sich auf das Betreten und die Besichtigung "Ihres Gewerbebetriebes". Dieser Wortlaut läßt zunächst erkennen, daß dem Schuldspruch nicht zugrunde gelegt wurde, auf den Beschwerdeführer treffe in Ansehung der ihm zur Last gelegten Tat die persönliche Qualifikation als Beauftragter eines Gewerbetreibenden (etwa des Vereines "A") zu. Vom Schuldspruch scheint vielmehr im Hinblick auf dessen Wortlaut der Beschwerdeführer als Gewerbetreibender erfaßt worden zu sein. Dem angefochtenen Bescheid in Verbindung mit der Begründung des im Verwaltungsrechtszug bestätigten erstbehördlichen Straferkenntnisses liegt allerdings die Auffassung zugrunde, es sei irrelevant, ob eine der Gewerbeordnung 1973 unterliegende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt worden sei. Die Frage nach der Ausübung einer in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973 fallenden Tätigkeit durch den Beschwerdeführer als Gewerbetreibenden läßt sich anhand des in der Begründung des erstbehördlichen Straferkenntnisses enthaltenen Satzes, "Einwände hinsichtlich Ihrer Person als Betriebsinhaber, der zur Einhaltung der erwähnten Gesetzesstelle verpflichtet ist," seien "keine vorgebracht" worden, nicht beantworten. Auch sonst wurden im angefochtenen Bescheid wie auch im erstbehördlichen Straferkenntnis keine Feststellungen darüber getroffen, denen in überprüfbarer Weise zu entnehmen wäre, ob der Beschwerdeführer zur Tatzeit die persönliche Qualifikation als Gewerbetreibender aufgewiesen habe.
Im Hinblick auf die von der belangten Behörde aus dem erstbehördlichen Straferkenntnis übernommene, der dargelegten Rechtslage jedoch widersprechende Auffassung über die Irrelevanz der tatsächlichen Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Fehlen der nach der Rechtslage erforderlichen Feststellungen war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 28. März 1989
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