Normen
AVG §58 Abs1
AVG §62 Abs1
AVG §62 Abs4
StVO 1960 §100 Abs3
VStG §32 Abs1
VStG §37 Abs1
VStG §37 Abs2
VStG §37a Abs2 Z2
VStG §37a Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988030150.X00
Spruch:
Die am 2. Juli 1988 durch Organe der Bundespolizeidirektion Innsbruck in Innsbruck erfolgte Beschlagnahme des Pkws des Beschwerdeführers mit dem Kennzeichen … wird für rechtswidrig erklärt.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 4.845,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten, auf Art. 131a B‑VG gestützten Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer zwei am 2. Juli 1988 von Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck gesetzte Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt, und zwar die vorläufige Abnahme seines Führerscheines und die Beschlagnahme seines Pkws. Er beantragt, diese Maßnahmen kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Beschwerdeführer gab dazu eine Äußerung nach § 36 Abs. 8 VwGG ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den nach seiner Geschäftsverteilung zuständigen Senat über die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Beschlagnahme des Fahrzeuges richtet, erwogen:
Gemäß § 37 Abs. 1 VStG kann die Behörde dem Beschuldigten, wenn begründeter Verdacht besteht, daß er sich der Strafverfolgung oder dem Vollzug der Strafe entziehen werde, durch Bescheid auftragen, einen angemessenen Betrag als Sicherheit zu erlegen oder durch Pfandbestellung oder taugliche Bürgen, die sich als Zahler verpflichten, sicherzustellen. Ebenso kann die Behörde vorgehen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe aus Gründen, die in der Person des Beschuldigten liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde.
Gemäß § 37a Abs. 1 VStG kann die Behörde besonders geschulte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigen, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von 2.500 S festzusetzen oder einzuheben. Besondere Ermächtigungen in anderen Verwaltungsvorschriften bleiben unberührt. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen kann sich die Ermächtigung darauf beziehen, daß das Organ
1) von der im § 35 lit. a und b vorgesehenen Festnehmung absieht, wenn der Betretene die vorläufige Sicherheit freiwillig erlegt,
2) von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, die vorläufige Sicherheit einhebt. Nach der Anordnung des Abs. 3 dieses Paragraphen kann das Organ, wenn der Betretene im Falle des Abs. 2 Z. 2 den festgesetzten Betrag nicht leistet, verwertbare Sachen, die dem Anschein nach dem Betretenen gehören und deren Wert 2.500 S nicht übersteigen soll, als vorläufige Sicherheit beschlagnahmen.
Gemäß § 100 Abs. 3 lit. a StVO kann als vorläufige Sicherheit zur Abwendung einer Festnahme im Sinne des § 37a VStG beim Verdacht einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 ein Betrag von S 8.000,‑ ‑ festgesetzt werden.
Auf Grund der Darstellung des Vorfalles durch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nimmt der Verwaltungsgerichtshof folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Beschwerdeführer war am 1. Juli 1988 nach 23.00 Uhr von Organen der Bundespolizeidirektion Innsbruck in alkoholisiertem Zustand in seinem Pkw schlafend angetroffen worden. Nach Durchführung einer Atemluftprobe mit positivem Ergebnis wurde er in das Amtsgebäude der Bundespolizeidirektion Innsbruck gebracht und in den Räumen des Verkehrsunfallkommandos dem Amtsarzt vorgeführt. Die klinische Untersuchung ergab die Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers. Daraufhin wurde ihm der Führerschein abgenommen. Im Zuge der weiteren offenbar wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO durchgeführten Amtshandlungen wurde die Beschlagnahme des an seinem Abstellort verbliebenen Pkws des Beschwerdeführers verfügt. Der Pkw wurde von der Feuerwehr in den Hof des Amtsgebäudes der Bundespolizeidirektion Innsbruck gebracht. Am 5. Juli 1988 wurde dem Beschwerdeführer ein mit diesem Tag datierter Sicherstellungsauftrag gemäß § 37 Abs. 1 VStG in der Höhe von S 10.000,‑ ‑ ausgefertigt und zugestellt. Der Beschwerdeführer erlegte am 7. Juli 1988 diesen Betrag als Sicherheit, worauf ihm das Kraftfahrzeug ausgefolgt wurde.
Der Beschwerdeführer erblickt in der Beschlagnahme seines Pkws eine auf § 37a VStG gestützte Maßnahme der vorläufigen Sicherheit durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Innsbruck. Auch die belangte Behörde räumt ein, daß der Beschwerdeführer begründet annehmen konnte, es handle sich um eine bloße Amtshandlung im Sinne des § 37a VStG. In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Jänner 1985, Slg. Nr. 11660/A, ausgesprochen, daß das Vorgehen eines Gendarmeriebeamten, der bei einer Amtshandlung wegen der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO vom Betroffenen einen Betrag von S 11.000,‑ ‑ als Sicherheit einhob, nur als Maßnahme nach § 37a VStG qualifiziert werden kann, mag auch die Höhe der Summe von einem Beamten der Bezirkshauptmannschaft auf Grund einer fernmündlichen Rückfrage bestimmt worden sein. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß nachträglich mit Bescheid ein Auftrag im Sinne des § 37 VStG ergangen ist. Ausgehend davon aber ist die Beschwerde schon deswegen berechtigt, weil es nach § 37a VStG jedenfalls unzulässig war, als vorläufige Sicherheit einen S 8.000,‑ ‑ übersteigenden Betrag zur Abwehr der Festnahme (vgl. § 37a Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 VStG in Verbindung mit § 100 Abs. 3 StVO) oder einen S 2.500,‑ ‑ übersteigenden Betrag zur Sicherung der Strafverfolgung (vgl. § 37a Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 VStG) festzusetzen und in dem zuletzt angeführten Fall bei Nichtzahlung eine Sache bis zu diesem Wert zu beschlagnahmen, wozu noch kommt, daß dies nur bei Betretung auf frischer Tat möglich ist, woran es im Beschwerdefall mangelte (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1986, Zl. 86/03/0111). Daß im Beschwerdefall eine den Betrag von S 8.000,‑ ‑ übersteigende Sicherheitsleistung angeordnet wurde, ist unbestritten.
Die belangte Behörde bestreitet jedoch, daß der Pkw des Beschwerdeführers in Anwendung des § 37a VStG als vorläufige Sicherheit beschlagnahmt worden sei. Vielmehr seien der Auftrag zur Stellung einer Sicherheitsleistung und die Sicherstellung des Pkws des Beschwerdeführers auf Grund des § 37 Abs. 1 VStG verfügt worden. Nach der Feststellung der Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers sei vom Sicherheitswacheorgan mit dem rechtskundigen Beamten des Journaldienstes als Behördenorgan fernmündlich Fühlung aufgenommen worden. Dieser habe nach seiner Darstellung des Vorganges zunächst die „Einhebung einer Sicherheitsleistung“ in der Höhe von S 10.000,‑ ‑ und, da der Beschwerdeführer diesen Betrag nicht bei sich geführt habe, die Sicherstellung des Fahrzeuges durch Pfandbestellung an diesem angeordnet. Eine Beschlagnahmeverfügung nach § 37 Abs. 2 VStG habe er nicht getroffen. In diesem Punkte weiche die Darstellung allerdings von den Angaben des Sicherheitswacheorganes ab. Der Sicherstellungsauftrag sei vom Journalbeamten fernmündlich erteilt worden, wobei er verfügt habe, daß diese Anordnung dem Beschwerdeführer mündlich zu verkünden sei. Die belangte Behörde beantragt für den Fall, daß der am 5. Juli 1988 ergangene Sicherstellungsauftrag als schriftliche Ausfertigung (Beurkundung) des bereits am 2. Juli 1988 (mündlich) verkündeten Bescheides im Sinne des § 62 Abs. 3 VStG anerkannt werde, die Beschwerde zurückzuweisen, weil gegen den schriftlichen Sicherstellungsauftrag die Berufung zulässig gewesen wäre. Könne jedoch der Sicherstellungsauftrag vom 5. Juli 1988 für die „Sanierung der mittelbaren, mündlichen Verkündigung des Bescheides“ vom 2. Juli 1988 nicht akzeptiert werden, sei eine Rechtmäßigkeit dieser Amtshandlung auch nach Ansicht der belangten Behörde nicht gegeben gewesen.
Die belangte Behörde räumt ein, daß in der Frage der Sicherstellung des Pkws des Beschwerdeführers durch Pfandbestellung an diesem oder durch Beschlagnahme widersprechende Angaben vorliegen. Aber selbst wenn die Version des rechtskundigen Beamten des Journaldienstes zutrifft, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Die belangte Behörde verkennt nämlich, daß eine telefonische Bescheiderlassung unzulässig ist und keine Rechtswirkungen zu erzeugen vermag, wozu im Beschwerdefall noch kommt, daß vom Behördenorgan die fernmündliche Anordnung der Sicherstellung des Pkws des Beschwerdeführers nicht an den Beschwerdeführer erging, sondern der Sicherstellungsauftrag fernmündlich dem Sicherheitswachebeamten mit der Verfügung erteilt wurde, diese Anordnung dem Beschwerdeführer mündlich zu verkünden. Überdies ist die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages erst ab dem Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung (arg.: „Beschuldigter“ im § 37 Abs. 1 VStG) zulässig, eine solche war aber gegen den Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherstellung seines Pkws offensichtlich noch nicht ergangen. Davon, daß der Beschwerdeführer einer pfandweisen Bestellung seines Pkws als Sicherstellung zugestimmt hatte, geht nicht einmal die belangte Behörde aus. Der dem Beschwerdeführer am 5. Juli 1988 bei der Behörde ausgehändigte Sicherstellungsauftrag nimmt ‑ wie die belangte Behörde selbst ausführte ‑ auf eine Sicherstellung durch Bestellung des Pkws des Beschwerdeführers als Pfand keinen Bezug. Solcherart aber konnte such aus diesem Grunde in dem schriftlichen Sicherstellungsauftrag vom 5. Juli 1988 keine „Sanierung der mittelbaren, mündlichen Verkündigung des Bescheides vom 2. Juli 1988“ erblickt werden.
Die Beschwerde ist demnach, soweit sie sich gegen die nach dem Vorgesagten als Beschlagnahme zu wertende Sicherstellung des Pkws des Beschwerdeführers richtet, berechtigt. Diese Maßnahme war daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, wobei vorliegend in Hinsicht auf den Kostenzuspruch im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/11/0260, nur mehr die Hälfte des verzeichneten Betrages zuzusprechen war.
Wien, 22. Februar 1989
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