VwGH 88/02/0020

VwGH88/02/002028.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofrate Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Dr. A M in W, gegen den Bescheid der Wiener Landeregierung vom 30. Dezember 1987, Zl. MA 70-11/227/87/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs1
B-VG Art7 Abs1
B-VG Art89 Abs2
StGG Art2
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs1 idF 1986/105
StVO 1960 §5 Abs11 idF 1986/105
StVO 1960 §5 Abs2a lita idF 1986/105
StVO 1960 §5 Abs2a litb idF 1986/105
StVO 1960 §5 Abs4a idF 1986/105
StVO 1960 §58 Abs1
StVO 1960 §58 Abs1 idF 1986/105

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988020020.X06

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. Dezember 1987 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 25. September 1986 um 23.20 Uhr in "11. A 23 Fahrtrichtung Süden Höhe Ausfahrt Simmering" einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde das Vorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 zur Tatzeit auf Grund der "eingeholten Gutachten und sachverständigen Äußerungen der medizinischen Amtssachverständigen" als erwiesen angenommen, hinsichtlich der sie die Auffassung vertreten hat, sie seien "schlüssig, glaubwürdig und widerspruchsfrei" und stünden "nicht mit den Erfahrungen des täglichen Lebens, mit den Erkenntnissen der Wissenschaft oder mit den Denkgesetzen in Widerspruch". Dabei war einerseits von ausschlaggebender Bedeutung, daß anläßlich der klinischen Untersuchung des Beschwerdeführers um 23.50 Uhr des Tattages (nach einem positiv verlaufenen Alkotest, bei dem der Markierungsring um 3 bis 4 mm überschritten wurde) bei ihm u.a. eine träge Pupillenreaktion festgestellt wurde, die - wie der Beschwerdeführer selbst zugesteht - in der Regel erst bei mindestens 1 %o Blutalkoholgehalt gegeben ist und daher ein eindeutiges Merkmal des Vorliegens einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 darstellt (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0194, und vom 18. Mai 1988, Zl. 87/02/0205). Die belangte Behörde hat deshalb in diesem Zusammenhang auch erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß die Verantwortung des Beschwerdeführers (der sich mit einer Blutabnahme, deren Ergebnis allein geeignet gewesen wäre, den tatsächlichen Blutalkoholgehalt genau zu ermitteln, nicht einverstanden erklärte) hinsichtlich der von ihm angegebenen Trinkmengen und -zeiten (1 Krügel Bier um 17.00 Uhr und ein Seidel Bier um etwa 22.00 Uhr) unrichtig sein müsse, war doch - entsprechend dem (ergänzenden) Gutachten des Chefarztes der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. November 1987 - zur Tatzeit "nur mehr auf das Seidel Bier Rücksicht zu nehmen" und die träge Pupillenreaktion, zu der demnach ebensowenig der vom Beschwerdeführer angegebene Ermüdungszustand führte, "durch den Genuß eines Seidel Biers nicht erklärbar". Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung andererseits die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, Zl. 85/03/0103, u.a. die Erkenntnisse vom 12. November 1987, Zl. 87/02/0131, und vom 20. April 1988, Zl. 87/02/0116) zugrundegelegt, wonach eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 auch dann vorliegt, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht ausschließlich auf Alkoholgenuß, sondern auch auf andere Umstände, wie etwa die Einnahme von Medikamenten oder Übermüdung, zurückzuführen ist, und dies selbst dann gilt, wenn die genossene Alkoholmenge für sich allein keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte. Die belangte Behörde hat ausgeführt, daß sich daraus für den vorliegenden Fall ergebe, daß die vom Amtsarzt (anläßlich der klinischen Untersuchung) festgestellte Fahruntauglichkeit des Beschwerdeführers "auch dann dem § 5 Abs. 1 StVO 1960 zu unterstellen ist, wenn Streß und Ermüdung ihre Hauptursachen waren, zumal der Berufungswerber unbestrittenermaßen 1 Stunde 20 Minuten vor Antritt der Fahrt Alkohol konsumiert hat". Bemerkt werde, "daß ex lege Fahruntauglichkeit eines Lenkers auch dann vorliegen kann, wenn der Blutalkoholwert 0,8 %o nicht erreicht, daß es daher im Zusammenhang mit dem vom Berufungswerber zugegebenen Streß und seiner Müdigkeit gar nicht auf die tatsächliche Höhe des Blutalkoholwertes und somit auf den jeweiligen 'Beitrag' der einzelnen Komponenten (Alkohol, Streß, Müdigkeit) zu der vom Amtsarzt festgestellten Fahruntüchtigkeit des Berufungswerbers ankommt".

Der Beschwerdeführer ist selbst nicht der Ansicht, daß die bei ihm bestehende Übermüdung zur Tatzeit keine Fahruntauglichkeit bewirkt hätte. In der Beschwerde verbindet er seine Rüge, die belangte Behörde habe deshalb, weil sie die - wegen des seiner Meinung nach gegebenen und daher von ihr aufzuklärenden Widerspruches zwischen der vom Amtsarzt festgestellten trägen Pupillenreaktion und einem sich auf Grund des von ihm angegebenen Alkoholkonsums ergebenden Blutalkoholwert - "Mangelhaftigkeit verkannte", "eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Tatvorganges in Richtung §§ 5 Abs. 1, 99 Abs. 1 StVO vorgenommen", mit dem Vorwurf, daß "die Beurteilung richtigerweise nur in Richtung Lenken eines Fahrzeuges entgegen §§ 58 Abs. 1, 99 Abs. 3 lit. a StVO hätte erfolgen dürfen". Dabei nimmt er insbesondere auch auf das bereits erwähnte chefärztliche Gutachten vom 20. November 1987 Bezug, wobei er an anderer Stelle der Beschwerde ausdrücklich für seinen Standpunkt in Anspruch nimmt, daß nach diesem Gutachten bei ihm "mit Sicherheit nur mehr von einem Alkoholkonsum von einem Seidel Bier ausgegangen hätte werden dürfen und daß die Übermüdung ein Grund gewesen wäre, von der Inbetriebnahme des PKW Abstand zu nehmen, daß also bei mir Übermüdung vorgelegen sei". Damit hat der Beschwerdeführer praktisch zugegeben, daß er sich auf Grund seiner (schon den beiden Polizeibeamten anläßlich seiner Beanstandung und dem Amtsarzt bei der klinischen Untersuchung gegenüber sowie in der Folge im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens immer wieder zur Erklärung des von ihm gewonnenen Eindruckes besonders betonten, mit berufsbedingtem Streß begründeten) Übermüdung nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden hat, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermochte. Dem Beschwerdeführer ist zwar darin beizupflichten, daß er gegen die Bestimmung des § 58 Abs. 1 StVO 1960 und nicht gegen jene des § 5 Abs. 1 leg. cit. verstoßen hätte, wenn als einziger Grund für seine Fahruntauglichkeit die Übermüdung angesehen werden könnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 1980, Zl. 1625/78). Dies trifft aber im Hinblick auf den von ihm selbst behaupteten Alkoholkonsum vor Antritt der Fahrt (um etwa 22.00 Uhr) bei Beachtung der bereits wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge eine Person, die ein Fahrzeug in Betrieb nimmt, obwohl sie vorher getrunken hat, den Tatbestand nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 auch dann verantwortet, wenn ihre Fahruntüchtigkeit unabhängig von der Menge des genossenen Alkohols auf Grund irgendwelcher zusätzlicher Komponenten, wie z.B. Ermüdungserscheinungen, eingetreten ist (vgl. dazu auch noch die Erkenntnisse vom 11. September 1985, Zl. 84/03/0073, und vom 27. April 1988, Zl. 87/03/0126), nicht zu. Es kann nämlich kein Zweifel darüber bestehen, daß im Falle der Übermüdung jeder Alkoholkonsum, mag er auch nur gering sein, zusätzlich die Fahrtauglichkeit mindert und daher vor allem in erhöhtem Maße die Verkehrssicherheit gefährdet, sodaß bei Zusammenwirken beider genannter, das Fahrverhalten beeinflussender Komponenten ebenfalls vom Vorliegen eines durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 gesprochen werden muß. Daß der sich aus dem zuletzt genossenen Seidel Bier ergebende Blutalkoholwert zur Tatzeit bereits zur Gänze abgebaut gewesen sei, hat der Beschwerdeführer selbst nicht ins Treffen geführt und könnte im übrigen auch nicht angenommen werden, weil bei einem Seidel Bier gewöhnlich von einem Blutalkoholgehalt von 0,2 %o (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1977, Zl. 639/76, und vom 18. September 1979, Zlen. 1086/78, 130/79) und einem stündlichen Abbauwert von 0,10 bis 0,12 %o (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1985, Zl. 85/02/0019, und die dort angeführte weitere Judikatur) auszugehen ist. Der Beschwerdeführer wurde daher dadurch in keinem subjektiven öffentlichen Recht verletzt, daß die belangte Behörde - wenn auch auf dem Boden des vom Beschwerdeführer bestrittenen, im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobenen Befundes, welcher außer einer trägen Pupillenreaktion an Alkoholisierungsmerkmalen einen unsicheren Gang, eine deutliche Rötung der Bindehäute, einen deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol und ein enthemmtes Benehmen erbracht hat - eine durch Alkohol beeinträchtigte Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers als feststehend erachtet hat. Daran vermögen die Beschwerdeausführungen, die eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur insoweit aufzuzeigen versuchen, als sie den Alkoholkonsum des Beschwerdeführers vor Antritt der Fahrt, die von ihm aufgewiesenen Alkoholisierungsmerkmale und die Höhe seines Blutalkoholgehaltes betreffen, nichts zu ändern, sodaß darauf nicht mehr näher einzugehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. März 1988, Zl. 87/18/0129, ausgesprochen, daß die zu § 5 Abs. 1 StVO 1960 (seit dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Oktober 1973, Slg. Nr. 8477/A) ergangene Rechtsprechung, wonach eine (auch) auf die Einwirkung durch Alkohol zurückzuführende Fahruntüchtigkeit - ohne Rücksicht auf die Höhe des Blutalkoholgehaltes und daher auch bei einem solchen unter der im zweiten Satz genannten Grenze von 0,8 %o - eine Übertretung nach dieser Gesetzesstelle zur Folge haben kann, auch nach der am 1. Mai 1986 wirksam gewordenen (sohin auch auf den vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden)

13. Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, aufrecht erhalten wird. Demnach sei nicht ausgeschlossen, daß auch Personen, deren Atemluft entsprechend der Untersuchung mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b leg. cit. einen Alkoholgehalt von weniger als 0,4 mg/1 aufgewiesen hat, wegen einer solchen Übertretung bestraft werden, weshalb unter dem vom (damaligen) Beschwerdeführer geltend gemachten Gesichtspunkt eines Gleichheitsprinzips keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des durch die 13. Novelle geänderten § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestünden, und könnten allfällige gleichartige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 5 Abs. 4a zweiter Satz leg. cit. im (damaligen) Beschwerdefall mit Rücksicht auf die Tatzeit (damals 28. Oktober 1986), zu der die erst im BGBl. Nr. 106/1987 kundgemachte "Verordnung über Atemalkoholmeßgeräte" noch nicht gegolten hat, nicht zum Tragen kommen. Der Beschwerdeführer, der ebenfalls Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der "§§ 5 Abs. 1, 4a erster Satz, 4b StVO" geltend macht, wird auf die in diesem Erkenntnis näher angeführten Gründe verwiesen, von denen abzugehen sich der Verwaltungsgerichtshof auch auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführers nicht veranlaßt sieht, weil die vom Verwaltungsgerichtshof gegebene Begründung im vorliegenden Beschwerdefall gleichermaßen Platz greift, wobei unerörtert bleiben kann, ob (nach Erlassung der genannten Verordnung) verfassungsrechtliche Bedenken auch gegen § 5 Abs. 4a erster Satz und 4b StVO 1960 entstehen könnten.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 28. September 1988

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