Normen
EStG 1972 §67 Abs6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987140146.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die belangte Behörde erkannte mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid zwar Abfertigungen, welche die Beschwerdeführerin zwei Arbeitnehmerinnen gewährt hatte, die lohnsteuerlichen Begünstigungen gemäß § 67 Abs. 3 und 6 erster Satz EStG 1972 zu, versagte jedoch den über die solchermaßen begünstigten Abfertigungsteile hinausgehenden Beträgen die Versteuerung nach der Begünstigungsbestimmung des zweiten Satzes des § 67 Abs. 6 leg. cit. mit der Begründung, daß diese Beträge um die - sie übersteigenden - Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 der Gesetzesstelle zu kürzen wären.
Die Beschwerdeführerin vertritt hingegen in ihrer wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobenen Beschwerde die Auffassung, daß die nach dem zweiten Satz des § 67 Abs. 6 EStG 1972 begünstigten Abfertigungsbeträge nur um solche Abfertigungen im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1972 zu kürzen wären, die ein Arbeitnehmer im Zuge seines Arbeitslebens für verschiedene Dienstverhältnisse bei verschiedenen Arbeitgebern bereits erhalten habe. Dazu zähle jedoch entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde nicht die nach Beendigung eines Dienstverhältnisses ausgezahlte gesetzliche Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1972. Unter den „bestehenden“ Abfertigungsansprüchen des § 67 Abs. 6 EStG 1972 wären vielmehr nur solche aus früheren Dienstverhältnissen noch bestehende zu verstehen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit Abfertigungen auf den im § 67 Abs. 3 EStG 1972 angeführten gesetzlichen bzw. lohngestaltenden Vorschriften beruhen - im folgenden wird der Einfachheit halber von „gesetzlichen Abfertigungen“ die Rede sein -, sind sie nach dieser Bestimmung zu versteuern, andere (darüber hinausgehende) Abfertigungen ‑ „freiwillige Abfertigungen“ im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1972 ‑ sind nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle begünstigt, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate nicht übersteigen. Über dieses Ausmaß hinaus sind freiwillige Abfertigungen nach dem zweiten Satz der Gesetzesstelle mit den dort vorgesehenen Höchstbeträgen, gestaffelt nach der Länge der nachgewiesenen Dienstzeit - z.B. bei einer nachgewiesenen Dienstzeit von 15 Jahren bis zur Höhe von 6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate ‑, mit den Steuersätzen des § 67 Abs. 1 EStG 1972 zu versteuern. Diese Begünstigung des § 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG 1972 kommt jedoch nicht uneingeschränkt zum Zug. Vielmehr bestimmt der anschließende dritte Satz des § 67 Abs. 6 leg. cit. folgendes:
„Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß.“
Aus diesem Wortlaut des Gesetzes ergeben sich zwei Kürzungskomponenten:
1. Die während der im vorstehenden zweiten Satz des § 67 Abs. 6 EStG 1972 genannten nachgewiesenen Dienstzeit bereits erhaltenen Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen des Abs. 6, sowie
2. die bestehenden Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3.
Wenn nun aber das Gesetz auf diese Weise die „bestehenden Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3“ losgelöst von der nachgewiesenen Dienstzeit und damit auch losgelöst von allfällig nachgewiesenen früheren Dienstverhältnissen als eigenständige Kürzungskomponente normiert, so hatte der Gesetzgeber damit doch ganz offenkundig jenen häufig anzutreffenden Fall im Auge, daß auf Grund jenes Dienstverhältnisses, auf Grund dessen die freiwillige Abfertigung bezahlt wird, auch der Anspruch auf eine gesetzliche Abfertigung besteht. So schränkt denn auch ‑ wie die belangte Behörde richtig bemerkt ‑ das Schrifttum den „bestehenden Anspruch auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3“ nicht bloß auf bestehende Ansprüche auf gesetzliche Abfertigungen aus früheren Dienstverhältnissen ein, sondern versteht darunter ausdrücklich oder schlüssig den bestehenden Anspruch auf gesetzliche Abfertigung gegenüber dem die freiwillige Abfertigung auszahlenden Arbeitgeber (siehe z.B. Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, Abschnitt 10 Tz 56, Seiler, Die Besteuerung von Abfertigungen an Dienstnehmer, SWK 1985 A I S. 98, und insbesondere Sailer‑Kranzl‑Mertens‑Bernold, die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 1986 Seite 671).
Anders als die Beschwerdeführerin meint, wird die Begünstigung des § 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG 1972 bei diesem Verständnis des Begriffes der „bestehenden Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3“ auch nicht inhaltsleer, wenn man gleich der belangten Behörde jene Fälle in Rechnung stellt, in denen eine über das Ausmaß der gesetzlichen Abfertigung hinausgehende freiwillige Abfertigung gewährt wird und die gesamte Dienstzeit über jene Dienstzeit hinausgeht, welche den gesetzlichen Abfertigungsanspruch vermittelt. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß die „gesetzlichen“ Abfertigungen auf den unterschiedlichsten lohngestaltenden Vorschriften beruhen können (siehe § 67 Abs. 3 EStG 1972), womit auch aus dieser Sicht nicht auszuschließen ist, daß der der Kürzung zugrundezulegende Anspruch auf „gesetzliche“ Abfertigung geringer ausfällt als der nach § 67 Abs. 6 zweiter Satz EStG 1972 begünstigte Teil der freiwilligen Abfertigung.
Die Beschwerdeführerin vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 13. September 1988
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)