VwGH 87/14/0114

VwGH87/14/011413.10.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl, über die Beschwerde des M und der AP in L, vertreten durch Dr. Gerhard Waisocher, Rechtsanwalt in Graz, Kaiser-Josef-Platz 5, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 6. Mai 1987, Zl. B 222-3/86, betreffend Versagung der Feststellung von Einkünften aus einem Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO für 1983, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1175;
ABGB §1178;
BAO §188 Abs1;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
BAO §24 Abs1 lite;
EStG 1972 §21 Abs2 Z2;
EStG 1972 §22 Abs1 Z3;
EStG 1972 §23 Z2;
HGB §121;
HGB §122;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987140114.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar, erwarben zu gleichen Teilen mit 31. Dezember 1982 die Gemischtwarenhandlung der Mutter des Erstbeschwerdeführers, in der die Zweitbeschwerdeführerin bis dahin als Angestellte ihrer Schwiegermutter gearbeitet hatte. Die Beschwerdeführer vereinbarten, dieses Unternehmen entsprechend der Gewerbeberechtigung nach außen im Namen der Zweitbeschwerdeführerin zu führen, die Zweitbeschwerdeführerin sollte im Betrieb voll tätig sein, weil der Erstbeschwerdeführer zu einem fremden Unternehmen in einem Dienstverhältnis stand. Im Innenverhältnis wurde laut einem schriftlichen Gesellschaftsvertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vereinbart, daß die Zweitbeschwerdeführerin monatlich einen durch Anknüpfung an den Kollektivvertrag für entsprechende Angestellte wertgesicherten monatlichen Vorausbezug von S 10.000,-- erhalte, während der Ergebnisrest auf beide Gesellschafter je zur Hälfte aufgeteilt werde. Dieser Vertrag enthält auch Regeln über die Kündigung der Gesellschaft und solche für den Fall eines Ausscheidens eines Gesellschafters. Darnach kommt bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens des Ausscheidenden kein fiktiver Firmenwert zum Ansatz, die Bewertung der Einrichtungsgegenstände hat nach dem derzeit gültigen Bewertungsgesetz zu erfolgen, ein Ansatz von Rücklagen, insbesonders solcher steuerlicher Art, ohne direkte Schuldverpflichtung unterbleibt ebenfalls. Das Betriebsgrundstück sollte von den Regeln des genannten Vertrages nicht erfaßt sein. Die Beschwerdeführer erklärten für 1983 positive Einkünfte aus der erwähnten Personengesellschaft, die sie mit +S 90.684,-- der Zweitbeschwerdeführerin und mit -S 29.316,-- dem Erstbeschwerdeführer zurechneten.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde im Instanzenzug aus, daß eine Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO aus dem erwähnten Gewerbebetrieb für 1983 nicht durchgeführt werde. Diese Entscheidung begründete sie damit, daß es sich zwar nicht um einen Voluptuarbetrieb im steuerlichen Sinn handle, weil die bisherigen Betriebsergebnisse gezeigt hätten, daß im Laufe der Jahre, wenn auch nur bescheidene Gewinne erzielt werden könnten. Darauf, ob diese Gewinne dem Arbeitseinsatz des Unternehmers oder eines Mitunternehmers entsprechen, komme es nicht an. Der (schriftliche) Gesellschaftsvertrag zwischen den Beschwerdeführern, die nahe Angehörige seien, halte jedoch einem Fremdvergleich nicht stand, weil ein Familienfremder niemals einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen hätte, aus dem er zwar verpflichtet sei, der Gesellschaft als Mitunternehmer Kapital zur Verfügung zu stellen und, wie dies nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer der Fall sei, für Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit seinem gesamten Vermögen zu haften, wenn ihm aller Voraussicht nach aus dieser Beteiligung nur Verluste entstünden. Wie gering die Chancen dieses Gesellschafters (Erstbeschwerdeführers) auf Erzielung eines Gewinnes seien, sei daraus zu ersehen, daß der gesamte Gewerbebetrieb im Streitjahr einen Gewinn von S 61.368,-- und im Jahr 1984 sogar einen Verlust von S 89.327,-- erzielt habe. Erst ein Gewinn von über S 120.000,-- würde aber zu einer Aufteilung und damit zu einem positiven Ergebnis für den derzeit nicht (bzw. kaum) mitarbeitenden Gesellschafter führen. Ein solcher Gewinn sei für diesen Betrieb aber kaum zu erwarten. Im Jahre 1982 - also noch vor der Übergabe des Betriebes - sei ein Verlust von S 3.789,-- entstanden, im Jahre 1981 habe der Gewinn S 35.005,--, im Jahre 1980 S 24.675,--, im Jahre 1979 S 59.694,-- und 1978 S 29.810,-- betragen. Daraus sei ersichtlich, daß ein Gewinnvoraus von S 120.000,-- jährlich für den Betrieb völlig unrealistisch sei. Die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Gewinnvoraus der Zweitbeschwerdeführerin erscheine, gemessen an ihrer Arbeitsleistung relativ bescheiden, sei deshalb nicht zielführend, weil die Zweitbeschwerdeführerin als Unternehmerin keinen Anspruch auf ein Entgelt für ihre Arbeitsleistung in angemessener Höhe geltend machen könne. Es könne daher auch der Ansicht, daß der gesamte Gewerbebetrieb als Voluptuar anzusehen sei, nicht zugestimmt werden.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus dem erwähnten Gewerbebetrieb einer Mitunternehmerschaft verletzt. Sie behaupten inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragen deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer stellen ausdrücklich außer Streit, daß es sich bei dem Gewerbebetrieb nicht um einen Voluptuarbetrieb im steuerlichen Sinn handle. Sie stellen auch die Berechtigung der Behörde, im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis der Beschwerdeführer, einen Fremdvergleich anzustellen, grundsätzlich nicht in Frage. Sie erheben jedoch den Vorwurf, daß die belangte Behörde den Umstand nicht berücksichtigt habe, daß die Beschwerdeführer den Betrieb zu gleichen Teilen von der Mutter des Erstbeschwerdeführers erworben hätten, es sich dabei um einen Betrieb gehandelt habe, der schon mehreren Generationen der Familie des Erstbeschwerdeführers als Lebensgrundlage gedient habe und die Beschwerdeführer die Absicht hätten, die Ertragskraft des Unternehmens durch geeignete Maßnahmen zu heben.

Die belangte Behörde ist selbst nicht davon ausgegangen, daß die gleichteilige Übernahme des Geschäftsbetriebes durch die Beschwerdeführer von der Mutter des Erstbeschwerdeführers gemäß den §§ 21 bis 23 BAO steuerlich nicht anzuerkennen wäre, weil sie etwa einem Fremdvergleich nicht standhielte. Hiefür bietet auch die Aktenlage keinen Anhaltspunkt.

Ein Fremdvergleich wäre daher nur auf dem Hintergrund dieses der belangten Behörde bekannten Sachverhaltes (gleichteilige Übernahme eines Familienbetriebes durch die jüngere Generation) zulässig gewesen. Die belangte Behörde hätte sich daher die Frage vorzulegen gehabt, wie in einer vergleichbaren Situation andere Ehepaare, die einen Familienbetrieb zu gleichen Anteilen übernehmen, ihre Verhältnisse gestaltet hätten. Überlegungen zu dieser Frage, insbesonders zur Frage der Angemessenheit der Höhe des Gewinnvoraus, hat die belangte Behörde jedoch überhaupt nicht angestellt und solcherart die Rechtslage verkannt. Aber selbst dann, wenn man davon ausgehen wollte, daß ein in diesem Sinn angestellter Fremdvergleich dazu geführt hätte, daß der (schriftliche) Gesellschaftsvertrag zwischen den Beschwerdeführern steuerlich nicht anerkannt werden dürfte, hätte dies nicht ohne weiteres die Verneinung einer Mitunternehmerschaft zur Folge gehabt. Zu Recht verweist die Beschwerde darauf, daß auch die steuerliche Nichtanerkennung des schriftlichen Gesellschaftsvertrages nichts daran ändern könnte, daß die Beschwerdeführer den Gewerbebetrieb als lebendes Unternehmen gleichteilig von der Mutter des Erstbeschwerdeführers offensichtlich zum Zweck des gemeinsamen Fortbetriebes erworben haben und schon auf Grund dieses Umstandes zwischen ihnen ein Gesellschaftsverhältnis besteht. Hiezu bedarf es grundsätzlich keines schriftlichen, ja nicht einmal eines ausdrücklichen Vertrages. Es genügt konkludentes Verhalten, das jedoch zur steuerlichen Anerkennung mit ausreichender Deutlichkeit nach außen in Erscheinung treten muß. Dies ist der Fall, wenn - wie hier - von der Mutter dem Kind und Schwiegerkind ein lebendes Unternehmen zu gleichen Teilen offensichtlich zum Fortbetrieb übergeben wird, die Kinder diese Übergabe annehmen, der betreffende Vertrag den Abgabenbehörden angezeigt wird und der Fortbetrieb auch tatsächlich erfolgt. In einem solcherart zustandegekommenen Gesellschaftsverhältnis richten sich die Rechte der Gesellschafter bei Fehlen anderweitiger Vereinbarungen nach den Regeln des bürgerlichen Rechtes oder (bei Vollkaufmannseigenschaft) des Handelsrechtes. Ob darnach sowie unter Berücksichtigung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes der zwischen den Beschwerdeführern hinsichtlich ihres gemeinsamen Geschäftsbetriebes gestalteten Verhältnisses Mitunternehmerschaft vorliegt oder nicht, wäre nach den für die Mitunternehmereigenschaft steuerlich maßgebenden Kriterien zu klären und zu beurteilen gewesen. Nach der Aktenlage läßt sich jedenfalls nicht erkennen, daß eine Mitunternehmerschaft im steuerlichen Sinn vorweg auszuschließen wäre. Wie in dieser Mitunternehmerschaft der Gewinn/Verlust mangels gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen, die steuerlich anzuerkennen wären, zugerechnet werden müßte, ergäbe sich dann aus den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes unter Beachtung der §§ 21 bis 23 BAO.

Die belangte Behörde ist daher auch, wie sie in der Gegenschrift dargestellt hat, zu Unrecht davon ausgegangen, daß eine Mitunternehmerschaft einer weiteren "vertraglichen Vereinbarung" bedürfe, die u.a. die Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftern regle.

Auch auf Grund dieses Rechtsirrtums hat es die belangte Behörde unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen, der es ihr erst erlaubt hätte, die Frage zu beantworten, ob gemäß § 188 Abs. 1 und Abs. 3 BAO vorzugehen ist und bejahendenfalls, wie die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber zu erfolgen hat.

Aus den genannten Gründen mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 13. Oktober 1987

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