VwGH 87/13/0178

VwGH87/13/017825.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Zach, über die Beschwerde der K-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Herbert Duma, Rechtsanwalt in Wien I, Salzgries 17, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Juli 1987, Z1. GA 5- 1746/87, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Zeit vom 1. Jänner 1982 bis 31. Dezember 1985, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §67 Abs3;
EStG 1972 §67 Abs6;
EStG 1972 §67 Abs3;
EStG 1972 §67 Abs6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Lohnsteuerprüfer, der bei der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, für die Zeit vom 1. Jänner 1982 bis 31. Dezember 1985 eine Prüfung durchgeführt hatte, stellte u. a. fest, daß von der Beschwerdeführerin an ihren Geschäftsführer eine Abfertigung ausbezahlt und gemäß § 67 Abs. 3 und Abs. 6 EStG 1972 versteuert worden war. Da die Beschwerdeführerin aber diesen Geschäftsführer weiterhin als solchen beschäftigte, war der Lohnsteuerprüfer der Auffassung, daß es sich nicht um eine gesetzliche Abfertigung gehandelt habe und berechnete die Lohnsteuer nach § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1972; weiters berechnete er den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie einen Säumniszuschlag.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Lohnsteuerprüfers und erließ an die Beschwerdeführerin einen Haftungs- und Zahlungsbescheid.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung. Das Unternehmen sei zum 31. Dezember 1984 veräußert und das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer - das schon im Juni 1984 von der Beschwerdeführerin gekündigt worden sei - einverständlich mit 31. Dezember 1984 gelöst worden. Dies habe einer Forderung der Erwerber der Geschäftsanteile an der GesmbH entsprochen, die eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses abgelehnt hätten. Der von den neuen Gesellschaftern der Beschwerdeführerin dann Anfang Jänner 1985 gefaßte Beschluß, den Geschäftsführer mit einem geringeren Gehalt wieder anzustellen, ändere nichts daran, daß auf Grund der früheren Auflösung des Dienstverhältnisses die Abfertigung zu leisten gewesen sei.

Die Finanzlandesdirektion wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung diese Berufung ab. Dienstgeber des Geschäftsführers sei die Beschwerdeführerin als juristische Person und nicht deren Gesellschafter. Der Geschäftsführer habe "ohne Unterbrechung" seine Tätigkeit der GesmbH gegenüber ausgeübt. Zum Beispiel habe er "vor und nach seiner 'Kündigung' das gleiche Firmenauto mit dem gleichen polizeilichen Kennzeichen zur Verfügung gehabt". Im übrigen sei die Ehefrau des Geschäftsführers einer der neuen Gesellschafter der Beschwerdeführerin. Habe sich "der Dienstgeber nicht geändert, so stellt die 'Kündigung und Wiedereinstellung' des Geschäftsführers eine steuerlich nicht beachtliche Scheinhandlung im Sinne des § 23 Abs. 1 BAO dar, die nicht geeignet ist, einen abgabenrechtlichen Vorteil zu erlangen". Die ausbezahlte Abfertigung sei daher zu Recht vom Finanzamt nach § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1972 als sonstiger Bezug gewertet worden, "da das Dienstverhältnis im steuerrechtlichen Sinn - und nur dieser ist für den vorliegenden Berufungsfall maßgeblich - fortbestanden" habe. Auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Dienstvertrag des Geschäftsführers habe nach dem Wechsel der Gesellschafter eine wesentliche Änderung hinsichtlich der Höhe des Gehaltes erfahren, treffe nicht zu; es handle sich um ein "Zweckvorbringen, das steuerlich unbeachtlich" sei.

Die Beschwerdeführerin behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, die späteren Erwerber der Geschäftsanteile hätten den Abschluß des Abtretungsvertrages davon abhängig gemacht, daß das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer aufgelöst werde. Dies sei auch tatsächlich zum 31. Dezember 1984 geschehen; die Abmeldung des Geschäftsführers bei der Gebietskrankenkasse sei am 20. Dezember 1984 vorgenommen worden. Die dienstrechtlichen Ansprüche des Geschäftsführers seien zum 31. Dezember 1984 abgerechnet und die gesetzlich und vertraglich zustehende Abfertigung ausbezahlt worden. Die von den neuen Gesellschaftern beabsichtigte Anstellung eines neuen Geschäftsführers sei Anfang Jänner 1985 gescheitert. Sie hätten deshalb beschlossen, den früheren Geschäftsführer wieder als Geschäftsführer anzustellen, falls dieser bereit wäre, mit einem deutlich verminderten Gehalt zu arbeiten. Der Geschäftsführer sei damit einverstanden gewesen; es seien ein neuer Dienstvertrag abgeschlossen und der Geschäftsführer rückwirkend mit 1. Jänner 1985 bei der Gebietskrankenkasse angemeldet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1972 ist unter der in diesem Absatz genannten Abfertigung eine einmalige Entschädigung zu verstehen, die einem Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses u. a. auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder auf Grund eines Kollektivvertrages vom Arbeitgeber zu leisten ist. Die Lohnsteuer wird von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, so berechnet, daß die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung der Steuersätze den § 67 Abs. 1 leg. cit. niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigung nach dieser Bestimmung.

Gemäß § 67 Abs. 6 leg. cit. sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnissen anfallen (wie z. B. freiwillige Abfertigungen, Abfindungen, Todfallsbeiträge und Sterbegelder, die nicht aus Öffentlichen Mitteln gezahlt werden) und nicht neben laufenden Bezügen des Arbeitnehmers oder dessen Rechtsnachfolgers aus demselben Dienstverhältnis gewährt werden, mit den Steuersätzen des § 67 Abs. 1 leg. cit. zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate nicht übersteigen. § 67 Abs. 2 leg. cit. ist nicht anzuwenden. Über das Ausmaß des ersten Satzes hinaus sind freiwillige Abfertigungen in einem gestaffelten, bestimmt genannten Ausmaß mit den Steuersätzen des § 67 Abs. 1 leg. cit. zu versteuern; § 67 Abs. 2 leg. cit. ist nicht anzuwenden. Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinn des § 67 Abs. 3 leg. cit. oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des § 67 Abs. 3 leg. cit. kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß. Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes überschritten werden, sind solche sonstige Bezüge wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif der Besteuerung zu unterziehen; hiebei ist ein monatlicher Lohnzahlungszeitraum zu unterstellen. Ein laufender Bezug, der letztmalig in dem Lohnzahlungszeitraum, in dem auch ein Bezug im Sinne dieses Absatzes ausbezahlt wird, oder unmittelbar danach zur Auszahlung gelangt, hindert nicht die begünstigte Besteuerung.

Die Begünstigungsvorschrift ist nur in Fällen der Auflösung des Dienstverhältnisses anwendbar. Treffen zwei unmittelbar aneinander anschließende Dienstverhältnisse zusammen und wurde bei Beendigung des früheren Dienstverhältnisses der Abfertigungsanspruch beachtet oder geltend gemacht, dann sind ein beendetes Dienstverhältnis und ein neu eingegangenes Dienstverhältnis anzunehmen. Ausnahmen davon werden dort angebracht sein, wo die unmittelbare, im wesentlichen unveränderte Fortsetzung des ersten Dienstverhältnisses schon bei seiner Beendigung in Aussicht genommen oder vom Arbeitgeber zugesagt wurde.

In den Akten des abgabenbehördlichen Verfahrens erliegen u.

a. in Kopie:

1) Das Kündigungsschreiben des früheren Alleingesellschafters der Beschwerdeführerin an den Geschäftsführer vom 20. Juni 1984, in dem es heißt: "Wie ich Ihnen bereits mündlich mitgeteilt habe, stehe ich mit verschiedenen Interessenten hinsichtlich des Verkaufs der" Beschwerdeführerin "in Verhandlungen. In allen Gesprächen stand auch die Höhe Ihres Gehaltes bzw. die Höhe der Ihnen bereits zustehenden Abfertigung zur Diskussion. Ich sehe mich daher als alleiniger Gesellschafter der" Beschwerdeführerin "gezwungen, Ihr Dienstverhältnis mit Wirksamkeit vom 31. 12.1984 zu kündigen und Sie zu diesem Zeitpunkt auch als Geschäftsführer der" Beschwerdeführerin "abzuberufen."

2) Die Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Geschäftsführer vom 17. Dezember 1984, in der es heißt: "Das am 1. 5. 1979 vereinbarte Dienstverhältnis wird per 31. 12. 1984 infolge des Gesellschafterwechsels einvernehmlich aufgelöst. Es wird jedoch ausdrücklich festgehalten, daß dem Dienstnehmer die ihm kollektivvertraglich bzw. dienstvertraglich zugesicherte Abfertigung im Ausmaß von 12 Monatsbezügen, sowie die ihm zustehenden Resturlaubstage im Ausmaß von 51 Arbeitstagen voll ausbezahlt werden."

3) Die mit 20. Dezember 1984 datierte Abmeldung des Geschäftsführers bei der Gebietskrankenkasse wegen "Ende des Beschäftigungsverhältnisses 31. 12. 1984 zufolge einverständlicher Lösung".

4) Der zwischen der Beschwerdeführerin und dem Geschäftsführer geschlossene Geschäftsführervertrag vom 7. Jänner 1985, in dessen § 1 es heißt:

Der Geschäftsführer "war bis 31. 12. 1984 Angestellter der Gesellschaft und zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Infolge Veräußerung der Gesellschaft durch den früheren alleinigen Gesellschafter an die oben genannten neuen Gesellschafter am 17. 12. 1984 wird mit" dem Geschäftsführer "ein neues Dienstverhältnis begründet. Das alte Dienstverhältnis des" Geschäftsführers "endete mit Ablauf des 31. 12. 1984 und erklärt dieser hiemit ausdrücklich, daß er hinsichtlich seiner dienstrechtlichen Ansprüche aus dem früheren Geschäftsführervertrag mit dem alleinigen Gesellschafter von diesem vollständig befriedigt wurde, insbesondere die gesetzliche Abfertigung erhielt und auch die Abrechnung der offenen Urlaubsansprüche durchgeführt wurde. Die Anrechnung von Vordienstzeiten wird daher ausdrücklich ausgeschlossen und" der Geschäftsführer "ist bereit auch zu dem in diesem neuen Geschäftsführervertrag vereinbarten niedrigeren Gehalt für die Gesellschaft und deren neuen Gesellschafter zu arbeiten".

5) Die mit 4. Jänner 1985 datierte Anmeldung des Geschäftsführers bei der Gebietskrankenkasse als "beschäftigt ab 2. 1. 1985".

Die belangte Behörde versagte die begünstigte Besteuerung, weil "die 'Kündigung und Wiedereinstellung' des Geschäftsführers eine steuerlich nicht beachtliche Scheinhandlung" sei. Sie stützt sich dazu nur auf die oben erwähnten Unterlagen, ohne die im Vorlageantrag gegen die Berufungsvorentscheidung namhaft gemachten Zeugen gehört zu haben, die über die Geschehnisse, die zu diesen Urkunden geführt haben sollen, Auskunft geben könnten.

Der angefochtene Bescheid ist deshalb - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten in der angesprochenen Höhe stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 25. Mai 1988

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