Normen
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 1. Juli 1986 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht eines Abgabenbetrages von S 800.000,--. Dieser Rückstand war im Jahre 1985 zunächst ausgesetzt worden. Mit Verfügung vom 18. Juni 1986 wurde die Einbringung jedoch wieder aufgenommen.
Das Finanzamt wies das Nachsichtsansuchen mit Bescheid vom 5. September 1986 ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Berufung, in welcher er im wesentlichen begründend vorbrachte, "daß von 1974 bis 1983 ca. S 2,924.000,-- Steuern bezahlt wurden, von 1974 bis 1983 ca. S 3,187.000,-- zu bezahlen gewesen waren. Von 1984 bis 4/1986 wurden die laufenden Abgaben entrichtet, zusätzlich ca. S 160.000,-
- Rückstand abgebaut".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung insoweit stattgegeben, als ein Betrag von S 150.000,-- nachgesehen wurde. In der Begründung wird unter anderem ausgeführt:
Im Streitfall liege auf Grund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers die im § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit sicher vor.
Der Beschwerdeführer habe seinen Gewerbebetrieb mit 30. Juni 1972 von seiner geschiedenen Gattin unentgeltlich übernommen "und befindet sich seither in Vollstreckung". Seit Beginn seiner Tätigkeit habe er seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen "aufs gröblichste" verletzt und keinen Zahlungswillen gezeigt. Die Steuerbescheide 1978, 1979 und 1981 seien mangels Abgabe von Steuererklärungen auf Grund von Schätzungen gemäß § 184 BAO ergangen. Erst im Zuge eines Berufungsverfahrens gegen die Abgabenbescheide für 1979 und 1981 seien Erklärungen vorgelegt worden.
Der Beschwerdeführer habe auch keine Vorsorge für die Abstattung seiner hohen Abgabenschulden getroffen und insbesondere durch die nicht rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen selbst zum Anwachsen des Rückstandes beigetragen.
Der Großteil dieses Rückstandes habe sich durch die Nichtabfuhr von Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag ergeben. Die Nachsicht derartiger Abgaben aber würde "eine Ungerechtigkeit allen anderen Steuerpflichtigen gegenüber, welche ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen gewissenhaft nachkommen" bedeuten. Die Einstellung des Beschwerdeführers zu seinen Steuerschulden zeige sich auch darin, daß diese im Vergleich zu seinen übrigen Verbindlichkeiten "unverhältnismäßig" hoch seien.
Wenn auch einerseits zugestanden werden müsse, daß der Beschwerdeführer in letzter Zeit um die Verringerung seines Abgabenrückstandes mehr als früher bemüht gewesen sei und auch die laufenden Abgaben entrichtet habe, so habe er es doch andererseits unterlassen, die Vorauszahlungen für 1985 rechtzeitig anpassen zu lassen.
Aus dem Dargelegten ergebe sich, daß vorliegendenfalls "dem öffentlichen Interesse des Staates an der Einbringung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel eindeutig der Vorrang gegenüber den berechtigten Interessen" des Beschwerdeführers einzuräumen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschulden auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, demnach ist der Antrag abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung liegt eine Ermessensüberschreitung keinesfalls darin, daß die Behörde den Erwägungen der Zweckmäßigkeit gegenüber denen der Billigkeit den Vorrang einräumt, doch müssen die Zweckmäßigkeitserwägungen mit dem Sinn des Gesetzes im Einklang stehen, d.h. die Behörde darf sich bei ihrer Entscheidung nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, Seite 583 ff).
Wie sich nun aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, hat die belangte Behörde die Rechtsfrage, ob die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten im Beschwerdefall unbillig ist, bejaht, womit die Voraussetzung für eine von ihr zu treffende Ermessensentscheidung gegeben erscheint. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Gerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmißbrauches nicht der Fall gewesen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. November 1984, Zl. 83/13/0086, und die dort angeführte hg. Vorjudikatur).
Als Begründung dafür, daß die belangte Behörde im Rahmen des ihr durch § 236 BAO eingeräumten Ermessens von den bestehenden Abgabeschuldigkeiten des Beschwerdeführers statt der beantragten S 800.000,-- nur S 150.000,-- nachgesehen hat, weist sie zum einen darauf hin, daß der Beschwerdeführer seit Beginn seiner gewerblichen Tätigkeit vor rund 15 Jahren ständig mehr oder wenig hohe Steuerrückstände gehabt hat und in einigen Jahren Steuererklärungen nicht vorlegte, sodaß das Finanzamt gezwungen war, die betreffenden Abgaben im Schätzungsweg zu ermitteln, zum andern führt sie aus, daß sich der Großteil der Abgabenschuldigkeiten des Beschwerdeführers durch die Nichtabfuhr von Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag ergeben habe. Die belangte Behörde gesteht allerdings zu, daß der Beschwerdeführer in letzter Zeit durch Einhaltung ihm gewährter Monatsraten einen teilweisen Abbau seiner Schuldigkeiten bewirkt und auch die laufenden Abgaben entrichtet hat. Zusammenfassend freilich vertritt sie die Auffassung, daß der Beschwerdeführer seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen laufend in nicht ausreichender Weise nachgekommen ist und merkt in diesem Zusammenhang insbesondere an, er habe es unterlassen rechtzeitig eine Anpassung der Vorauszahlungen für 1985 zu beantragen.
Die auf diese, konkret nicht in Streit gestellten Darlegungen gestützte Entscheidung der belangten Behörde von den bestehenden Steuerrückständen des Beschwerdeführers nicht S 800.000,-- sondern bloß S 150.000,-- nachzusehen, stellt sich nach Ansicht des Gerichtshofes als durchaus sachlicher Art dar und läßt nicht erkennen, daß die belangte Behörde ihr Ermessen willkürlich gehandhabt hat. Daran vermag auch der Hinweis in der Beschwerde nichts zu ändern, wonach vom Beschwerdeführer Steuererklärungen deshalb teilweise nicht eingebracht worden seien, weil sein Steuerberater sich wegen Honorarrückständen geweigert habe Bilanzen zu erstellen, wobei es zu diesen Honorarrückständen deshalb gekommen sei, weil der Beschwerdeführer es auf Grund gewisser Überlegungen "damals leider für listig" gehalten habe, sich "das Bilanzhonorar zu ersparen".
Da demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erscheint, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 8. Juni 1988
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