VwGH 87/10/0024

VwGH87/10/002416.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Ing. FS in A, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Jänner 1987, Zl. N‑450003‑8044‑I/Mü‑1987, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4
NatSchG OÖ 1982 §5 Abs1
VStG §21 Abs1
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit
VStG §9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987100024.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1986, Zl. 86/10/0124, verwiesen, mit dem der Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung (der belangten Behörde) vom 27. Mai 1986 - damit war das gegen den Beschwerdeführer gerichtete erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt worden - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben worden ist. Der Gerichtshof hat sein Erkenntnis damit begründet, daß der Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses entgegen der Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 eine Bezeichnung jener Merkmale vermissen lasse, aufgrund derer der Beschwerdeführer die Verantwortung für das Abstellen des Wohnwagens und das Aufstellen der Ankündigungstafel - diese Handlungen waren als im Schutzbereich von Seen verbotene, da ohne Vorliegen einer bescheidmäßigen Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 gesetzte Maßnahmen gewertet worden - zu tragen habe. Die Kennzeichnung der Person des Beschwerdeführers als „Verantwortlicher gemäß § 9 VStG der Gesellschaft für wirtschaftliches Wohnungseigentum Ges. m.b.H.“ bringe nicht zum Ausdruck, aus welcher Stellung des Beschwerdeführers sich dessen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG 1950 ergebe.

2. In dem aufgrund dieses Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes fortgesetzten Verfahren bestätigte die belangte Behörde neuerlich das erstinstanzliche Straferkenntnis - diesmal mit der Maßgabe, daß anstelle der (spruchmäßigen) Formulierung „als Verantwortlicher gemäß § 9 VStG 1950“ die Wendung „als handelsrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 9 VStG 1950“ zu treten habe.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in dem Recht, „entgegen der Bestimmung des § 37 Abs. 3 Z. 1 iVm § 5 Abs. 1 O.Ö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 nicht bestraft zu werden“, verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131a B‑VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

2.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, der Spruch des bekämpften Bescheides sei schon deswegen rechtswidrig, weil die Berufungsbehörde in ihrer Berufungsentscheidung nicht berechtigt sei, den Tatbestand einer dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Übertretung zu modifizieren bzw. die Formulierung des dem Beschuldigten zur Last gelegten Tatbestandes auszutauschen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 31. Oktober 1986, Zl. 86/10/0124, ausgesprochen, daß die Formulierung „Verantwortlicher der Gesellschaft für wirtschaftliches Wohnungseigentum Ges. m.b.H.“ eine Bestrafung im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht zu rechtfertigen vermöge. Diesem Umstand hätte die belangte Behörde dadurch Rechnung tragen müssen, daß sie der Berufung des Beschwerdeführers Folge gebe, das erstinstanzliche Straferkenntnis behebe und das Strafverfahren einstelle. Zu einer Umformulierung des Spruches des Straferkenntnisses sei die belangte Behörde jedenfalls nicht berechtigt gewesen; diese Vorgangsweise habe auch nicht auf § 44a lit. a VStG 1950 gestützt werden können.

2.2. Mit diesem die Verletzung des § 63 Abs. 1 VwGG durch die belangte Behörde behauptenden Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht durchzudringen.

Daß der Beschuldigte nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft wird, muß bei der Umschreibung der angelasteten Tat - bei sonstiger Rechtswidrigkeit - auch in der Weise zum Ausdruck gebracht werden, daß die Merkmale, aufgrund derer der Beschuldigte für das Verhalten der juristischen Person die strafrechtliche Verantwortung zu tragen hat, bezeichnet werden. Diesen sich aus § 44a lit. a in Verbindung mit § 9 VStG 1950 ergebenden Anforderungen an den Spruch eines Straferkenntnisses hat die belangte Behörde im ersten Rechtsgang, wie erwähnt, nicht Rechnung getragen. Der Gerichtshof vermag indes - im Gegensatz zur Beschwerde - nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde mit der im zweiten Rechtsgang vorgenommenen teilweisen Neufassung der Schuldspruches (vgl. unter I.2.) mit dem hg. Erkenntnis Zl. 86/10/0124 deshalb in Widerspruch geraten wäre, weil sie - so der Beschwerdeführer - als Konsequenz dessen das Strafverfahren gegen ihn einzustellen gehabt hätte.

Die der Beschwerdeauffassung zugrundeliegende Meinung, die belangte Behörde habe mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Grenzen der „Sache“ im Sinne des (auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden) § 66 Abs. 4 AVG 1950 überschritten, indem sie letztlich die von der Erstinstanz spruchmäßig vorgeworfene Tat ausgetauscht habe, ist unzutreffend: „Sache“ im Sinne der vorzitierten Bestimmung ist die vor der Unterinstanz in Verhandlung gestandene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches ihres Bescheides gebildet hat, soweit der Bescheid - Trennbarkeit der betreffenden Angelegenheit vorausgesetzt ‑ mit Berufung angefochten worden ist. Die Berufungsbehörde darf demnach nicht über anderes entscheiden als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz war. Von da her gesehen steht es für den Gerichtshof außer Zweifel, daß sich der Schuldspruch des bekämpften Bescheides im Rahmen der „Sache“ hält, hatte doch auch die Strafbehörde erster Instanz die inkriminierten Tathandlungen dem Beschwerdeführer als Organ einer juristischen Person - allerdings unter unzureichender Bezeichnung der die Verantwortung konstituierenden Merkmale - zugerechnet. Um diese Mangelhaftigkeit der Bezeichnung zu beseitigen, hat die belangte Behörde - unter Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Zurechnung - eine im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderliche Präzisierung eines eng umgrenzten Spruchteiles vorgenommen. Solcherart kann von einer Außerachtlassung der Grenzen der „Sache“ keine Rede sein. Dies umso weniger, als - dies sei hinzugefügt - die Berufungsbehörde sogar berechtigt ist, die Bestrafung eines Beschuldigten mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, daß ihm die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 10. November 1969, 1065/69, Slg. Nr. 7680/A).

Die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit im Grunde des § 63 Abs. 1 VwGG (in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950) liegt daher nicht vor.

3.1. Der Beschwerdeführer meint, daß selbst wenn man davon ausginge, er sei wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 zu bestrafen gewesen, die inkriminierten Handlungen (das Aufstellen eines Wohnwagens und das Anbringen einer Ankündigungstafel) als einheitliche Handlung zu werten gewesen wären und ihm daher nur ein einziger Verstoß gegen die vorzitierten Normen zum Vorwurf hätte gemacht werden dürfen.

3.2. Mit diesem Vorbringen vertritt der Beschwerdeführer die Rechtsansicht, die erwähnten Tathandlungen seien als fortgesetztes Delikt und damit als eine strafbare Handlung zu werten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für das Vorliegen eines solchen Deliktes, daß eine Reihe von Einzeltathandlungen u.a. infolge eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes zu einer Einheit zusammentritt (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Mai 1980, 3295/78, Slg. Nr. 10.138/A, und das Erkenntnis vom 27. Jänner 1981, 818/80, Slg. Nr. 10.352/A). Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren wie auch in der Beschwerde auf die Behauptung beschränkt, die belangte Behörde hätte die vom Schuldspruch erfaßten Tathandlungen als einheitliche Handlung werten müssen. Weshalb dies so zu sehen sei, insbesondere, daß den in Rede stehenden Tathandlungen ein Gesamtkonzept des Beschwerdeführers zugrundeliege, wurde nicht dargetan. Der Gerichtshof vermag angesichts dessen nicht zu erkennen, daß die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Ansicht der belangten Behörde, es lägen hier die Voraussetzungen eines fortgesetzten Deliktes nicht vor, rechtsirrig ist.

4.1. Der Beschwerdeführer behauptet des weiteren, daß im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 21 VStG 1950 für das Absehen von der Strafe vorlägen. Bei den inkriminierten Maßnahmen handle es sich um solche von besonderer Geringfügigkeit, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen hätten sohin keine, jedenfalls aber bloß unbedeutende Folgen nach sich gezogen. Auch ein allfälliges Verschulden des Beschwerdeführers könne entgegen der Ansicht der belangten Behörde bloß als geringfügig angesehen werden.

Im angefochtenen Bescheid wird in Ansehung des einen nach § 21 Abs. 1 VStG 1950 für ein Absehen von der Strafe maßgeblichen Kriteriums „die Folgen der Übertretung unbedeutend sind“ auf die „hohe Wertigkeit des Schutzes des Landschaftsbildes in den Seeuferzonen“ Bezug genommen und daraus (sowie aus dem nach Meinung der belangten Behörde „hohen Grad des Verschuldens“) gefolgert, daß die Voraussetzungen für die Gebrauchnahme von § 21 Abs. 1 leg. cit. zu verneinen seien.

4.2. Gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz VStG 1950 kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Diese Vorschrift ermächtigt die Behörde - ungeachtet der Verwendung des (Wortes „kann“ - nicht zur Ermessensübung; sie ist vielmehr als Anordnung zu verstehen, welche die Behörde verpflichtet, bei Zutreffen der genannten Kriterien von einer Strafe abzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1980, Zlen. 263, 264/80). Ist aber auch nur eines der beiden Kriterien nicht erfüllt, so kommt eine Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht. Dies ist hier der Fall: Mit ihrem Hinweis auf die „hohe Wertigkeit des Schutzes des Landschaftsbildes in den Seeuferzonen“ (die dem Beschwerdeführer angelasteten Maßnahmen wurden beide innerhalb des gesetzlich relevanten 500 m - Uferschutzbereiches gesetzt), befindet sich die belangte Behörde in Einklang mit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, der in seinem Erkenntnis vom 17. März 1986, Zl. 85/10/0147, zum Ausdruck gebracht hat, daß das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes im Sinne des § 5 Abs. 1 erster Satz des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 (d.h. an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts) „in bezug auf jeden See sehr hoch einzuschätzen ist“. Diese rechtliche Beurteilung im Zusammenhalt damit, daß die inkriminierten Maßnahmen keineswegs als bloß vorübergehend zu werten waren (vgl. zu Letzterem das mehrfach zitierte hg. Erkenntnis Zl. 86/10/0124), schließt es aus, das Tatbestandsmerkmal „die Folgen der Übertretung unbedeutend sind“ als verwirklicht anzusehen. Im Sinne des Vorgesagten erübrigt es sich damit, auf die Frage, ob allenfalls das zweite Kriterium des § 21 Abs. 1 VStG 1950 („das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist“) vorliegt, einzugehen.

Die behauptete Rechtsverletzung ist somit auch in diesem Punkt nicht gegeben.

5.1. Unter dem Gesichtswinkel der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerde, daß der bekämpfte Bescheid für die Änderung des erstinstanzlichen Spruches eine Begründung schuldig geblieben sei; es sei nicht zu erkennen, worauf die Feststellung, der Beschwerdeführer sei „handelsrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 9 VStG 1950“ gestützt werde.

5.2. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde bereits in ihrem im ersten Rechtsgang erlassenen, vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid vom 27. Mai 1986 (Seite 8 unten) - vom Beschwerdeführer unbekämpft festgestellt hat, daß dieser „als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. Gesellschaft für wirtschaftliches Wohnungseigentum Ges. m.b.H. ... zweifelsohne zur Vertretung nach außen berufen (ist)“. Dazu kommt, daß es der Beschwerdeführer auch mit seinem oben wiedergegebenen diesbezüglichen Beschwerdevorbringen wiederum unterlassen hat, das Zutreffen der bezeichneten Eigenschaft zu bestreiten. Das Fehlen entsprechender Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 7. Jänner 1987 stellt damit jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

6. Was schließlich die Behauptung anlangt, der Beschwerdeführer sei in seinem Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt worden, womit ihm die Möglichkeit genommen worden sei, auf die Unzulässigkeit der Abänderung des erstinstanzlichen Schuldspruches durch die belangte Behörde hinzuweisen, so ist diesem Beschwerdevorbringen im Hinblick auf die Ausführungen unter II.2.2. der Boden entzogen.

7. Da die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. März 1987

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