VwGH 87/07/0150

VwGH87/07/015028.5.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft T. gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 23. Juli 1987, Zl. LAS-92/5, betreffend Aufhebung eines Vollversammlungsbeschlusses (mitbeteiligte Parteien: 1. M., 2. S., 3. R., 4. C., 5. H., 6. J., 7. P.), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1002;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfGG §36;
FlVfLG Tir 1978 §35 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;
ABGB §1002;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfGG §36;
FlVfLG Tir 1978 §35 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs2;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. März 1987 wies das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz den Antrag der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmitbeteiligten Partei auf Aufhebung des Beschlusses der Vollversammlung der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft vom 28. Oktober 1986 hinsichtlich der Vergabe der Jagd gemäß § 37 Abs. 2 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG), in Verbindung mit den §§ 11 und 6 der Verwaltungssatzung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

Der Berufung aller am verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Parteien gab hierauf der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Erkenntnis vom 23. Juli 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 1 AgrVG 1950) in Verbindung mit § 37 TFLG Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß der zu Tagesordnungs-Punkt 3) gefaßte Beschluß der Beschwerdeführerin vom 28. Oktober 1986 über die Vergabe der Jagd aufgehoben wurde. Begründend wurde dazu ausgeführt:

Wie sich aus den Aktenunterlagen ergebe, habe die Beschwerdeführerin am 28. Oktober 1986 eine Vollversammlung abgeführt und zu TO-Punkt 3) beschlossen, die Eigenjagd um den jährlichen Pachtschilling von S 120.000,-- an ihr Mitglied X. zu verpachten. Mit Schriftsatz vom 27. Jänner 1987 habe die Erstmitbeteiligte die Aufhebung dieses Vollversammlungsbeschlusses beantragt, weil sie als grundbücherliche Miteigentümerin der Stammsitzliegenschaft "D."

zur Vollversammlung nicht geladen worden sei. Die Erstmitbeteiligte sei zu 1/4 Miteigentümerin der genannten, Mitgliedschaft bei der Beschwerdeführerin vermittelnden Stammsitzliegenschaft. Wie sich aus den Aktenunterlagen ergebe und auch vom Obmann bestätigt werde, sei die Erstmitbeteiligte als Miteigentümerin dieser Stammsitzliegenschaft so wie ihre dritt- und viertmitbeteiligten Töchter, die ebenfalls Miteigentümer dieser Stammsitzliegenschaft seien, zur Vollversammlung über die Jagdvergabe nicht geladen worden. Gemäß § 35 Abs. 2 TFLG sei jedoch eine Vollversammlung überhaupt erst beschlußfähig, wenn sämtliche Mitglieder einer Agrargemeinschaft zur Vollversammlung geladen seien. § 6 der Satzung der Beschwerdeführerin bestimme, daß die Vollversammlung schriftlich unter Angabe der Tagesordnung einzuberufen sei. Mitglieder an einer Agrargemeinschaft seien die jeweiligen Stammsitzliegenschaften. Die Ladung der Mitglieder erfolge demnach in der Form, daß die Eigentümer zu laden seien. Seien jedoch bei einer Stammsitzliegenschaft mehrere Miteigentümer vorhanden, so seien diese Miteigentümer zu laden. Im gegenständlichen Fall sei dies jedoch in bezug auf die erst-, dritt- und viertmitbeteiligten Miteigentümer zu je 1/4 der genannten Stammsitzliegenschaft betreffend die Vollversammlung am 28. Oktober 1986 nicht geschehen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß zumindest die Erstmitbeteiligte durch ihren zweitmitbeteiligten Sohn vom Stattfinden der Vollversammlung erfahren habe. Nach der eindeutigen Bestimmung des § 35 Abs. 2 TFLG seien SÄMTLICHE Mitglieder einzuladen. Auch die Tatsache, daß in den letzten 20 Jahren die Erstmitbeteiligte nie zu den Vollversammlungen erschienen sei und immer ihr Sohn das Stimmrecht für den anteilsberechtigten Hof ausgeübt habe, enthebe den Obmann der Beschwerdeführerin nicht der bezeichneten Verpflichtung. Es sei dann sicher Sache der Erstmitbeteiligten, ob sie zur Vollversammlung erscheine oder nicht. Da im gegenständlichen Fall eine Einladung der drei Miteigentümer der besagten Stammsitzliegenschaft, darunter der Erstmitbeteiligten, zur Vollversammlung vom 28. Oktober 1986 unterblieben sei, habe der in dieser Vollversammlung gefaßte Beschluß über die Vergabe der Jagd als gesetzwidrig aufgehoben werden müssen. Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Aufrechterhaltung des aufgehobenen Vollversammlungsbeschlusses verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde zurück- oder abzuweisen.

Die Mitbeteiligten haben sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt den Standpunkt, die vorliegende Beschwerde sei unzulässig, weil der Obmann ohne entsprechenden Beschluß der Vollversammlung nicht befugt gewesen sei, eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben; dies umso mehr, als der Obmann mit dem Jagdpächter, auf den sich der aufgehobene Beschluß bezogen habe, identisch sei.

Die Vertretungsbefugnis des Obmannes zur Erhebung einer Beschwerde ist im vorliegenden Fall jedoch gemäß §§ 7 und 6 der Satzung sowie § 35 Abs. 7 TFLG nicht durch das Erfordernis einer Beschlußfassung der Vollversammlung eingeschränkt. Da dem Obmann ferner mangels diesbezüglicher Bestimmungen im Gesetz oder in der Satzung auch durch Gründe einer Befangenheit die Vertretung der Beschwerdeführerin nicht verwehrt war, stand der erfolgten Beschwerdeerhebung kein Hinderungsgrund entgegen.

Die Beschwerdeführerin auf der anderen Seite meint, das Anbringen der Mitbeteiligten hätte nicht meritorisch behandelt werden dürfen, weil bereits die Erstmitbeteiligte verspätet (Minderheits-) "Beschwerde" erhoben habe und die übrigen Mitbeteiligten überhaupt erst die Berufung jener mitgefertigt hätten.

Was das Anbringen der Erstmitbeteiligten betrifft, ist der Verwaltungsgerichtshof - in Übereinstimmung mit dem Hinweis auf § 37 Abs. 2 TFLG im erstinstanzlichen Bescheid und abweichend von der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Anschauung - der Ansicht, daß die aufsichtbehördliche Entscheidung über eine Minderheitsbeschwerde ergangen ist, wobei jene auch von einem Mitglied erhoben werden konnte, welches der Vollversammlung ferngeblieben ist, weil diese Abwesenheit gemäß dem letzten Satz des § 6 der Satzung auf einen wichtigen Grund zurückgeht, nämlich die fehlende Einladung zur Teilnahme an der in Frage stehenden Vollversammlung. Wenn die Erstmitbeteiligte auch bereits unmittelbar vor Abhaltung der Vollversammlung von deren Anberaumung wußte, ist eine Kenntnisnahme vom Ausgang der einzelnen Abstimmungen durch die Erstmitbeteiligte länger als acht Tage (§ 6 vorletzter Satz der Satzung) vor ihrem Anbringen an die Aufsichtsbehörde weder den Akten zu entnehmen noch von der Beschwerdeführerin behauptet worden.

Daß die Einladung sämtlicher Mitglieder gemäß § 35 Abs. 2 TFLG Voraussetzung für die Beschlußfähigkeit der Vollversammlung ist, räumt auch die Beschwerdeführerin ein, meint aber, eine eigene Einladung an die Erstmitbeteiligte hätte im Beschwerdefall nicht zu ergehen brauchen, da eine solche für den anteilsberechtigten Hof auch in den letzten 20 Jahren stets nur an den Zweitmitbeteiligten gerichtet und dem seitens der Erstmitbeteiligten nicht widersprochen worden sei, so daß insofern eine Anscheinsvollmacht im Sinne der Verkehrssitte bestanden habe.

Demgegenüber pflichtet der Verwaltungsgerichtshof jedoch der im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsanschauung bei, daß die Einladung gemäß § 35 Abs. 2 TFLG stets an "sämtliche Mitglieder" zu ergehen hat, wobei die Auslegung dieser Vorschrift in ihrem Zusammenhalt mit § 36 Abs. 2 TFLG - wonach für die Stimmabgabe eine schriftliche Vollmacht erforderlich ist, von der nur ausnahmsweise (unter auf die Einladung nicht übertragbaren Voraussetzungen) abgesehen werden kann - zu dem Ergebnis führt, daß für die rechtswirksame Einladung zur Vollversammlung an einen (gewillkürten) Vertreter eines Mitgliedes schriftliche Vollmacht erforderlich ist, eine bloße Anscheinsvollmacht im zivilrechtlichen Sinn also nicht genügt. Im Beschwerdefall brauchte daher nicht geprüft zu werden, ob sachverhaltsbezogen eine Anscheinsvollmacht überhaupt bestand.

Welches Ergebnis die betreffende Abstimmung unter Mitwirkung der Vertreter des Hofes der Erst- bis Viertmitbeteiligten erbracht hätte, ist bei der im Beschwerdefall gegebenen Rechts- und Sachlage unmaßgeblich, da die Vollversammlung nicht in der rechtlichen Lage war, als Organ der Beschwerdeführerin überhaupt einen gültigen Beschluß zu fassen.

Daß die Zweit- bis Siebtmitbeteiligten nicht berechtigt waren, erstmals im Rahmen der Berufung der Erstmitbeteiligten antragsstellend gegenüber der belangten (Rechtsmittel-)Behörde aufzutreten, ändert am Ergebnis der angefochtenen Entscheidung, die berechtigtermaßen über die Berufung der Erstmitbeteiligten ergangen ist, nichts.

Der Vollständigkeit halber sei in Erwiderung auf ein diesbezügliches Vorbringen in der Beschwerde festgehalten, daß das Agrarverfahrensgesetz 1950 nach dessen §§ 1 bis 3 nur von den Agrarbehörden anzuwenden ist.

Die somit unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

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