VwGH 87/05/0097

VwGH87/05/009724.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Honsig-Erlenburg, über die Beschwerde des Staates von X, vertreten durch Dr. Hans G. Mondel, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. März 1987, Zl. MDR-B XIX-8/87, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: H-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Axel Nepraunik, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenbastei 2), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §79 Abs3;
BauRallg;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §79 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.830,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 29. April 1986 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Kleinwohnungshauses in Wien nn, G-gasse 27, EZ. 636, Grundstücksnummern 87/3 und 87/4 KG X. Nach Vorlage neuer Pläne fand am 12. November 1986 eine mündliche Verhandlung über dieses Vorhaben statt.

Nachdem die Botschaft des beschwerdeführenden Staates auf einen Zustellfehler hinsichtlich der Ladung zur mündlichen Verhandlung als Anrainer hingewiesen und die Zustellung aller Ladungen und Bescheide an seinen nunmehr ausgewiesenen Vertreter verlangt hatte, wurde in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens betreffend die gegenständliche Baubewilligung am 10. Dezember 1986 eine neuerliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der beschwerdeführende Staat ordnungsgemäß geladen wurde.

Gegen das Bauvorhaben, die Errichtung eines einstöckigen, unterkellerten Wohnhauses mit ausgebautem Dachgeschoß, das sechs Wohnungen und im Keller eine Mittelgarage mit sechs Pkw-Stellplätzen umfassen soll, wurden vom Beschwerdeführer Einwendungen wegen Nichteinhaltung der zulässigen Gebäudehöhe und der Baufluchtlinien an der nordöstlichen Seite sowie gegen die Ggasse, wo auch die gärtnerische Ausgestaltung durch die geplanten Bauflächen nicht eingehalten werden, erhoben. Weiters würden die Rauchfanghöhen betreffend feuerpolizeiliche Vorschriften nicht eingehalten. Überdies wurde eingewendet, daß der Bauplatz unzulässig ausgenützt werde und die Vorschriften hinsichtlich Belichtung und Belüftung für die Räume an der Nordostecke des Neubaues übertreten würden.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 22. Jänner 1987 wurde der Mitbeteiligten unter Vorschreibung verschiedener Auflagen gemäß § 70 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die Bewilligung erteilt, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen die beantragte Bauführung vorzunehmen. Die Einwendungen des Beschwerdeführers als Anrainer gegen das Bauvorhaben wurden als im Gesetz nicht begründet abgewiesen. Dazu führte die Baubehörde aus:

Der geltende Bebauungsplan weise für die gegenständliche Liegenschaft die Widmung "Wohngebiet", die "offene Bauweise" und die Bauklasse I mit einer maximalen Gebäudehöhe von 7,50 m sowie Baufluchtlinien aus; für die Flächen außerhalb der Baufluchtlinien sei die gärtnerische Ausgestaltung vorgeschrieben. Beim Bauvorhaben werde die zulässige Gebäudehöhe von 7,50 m unter Berücksichtigung des § 81 Abs. 2 der Bauordnung über die Ermittlung der mittleren Gebäudehöhe nicht überschritten, die bekanntgegebenen Baufluchtlinien würden gegen die G-gasse und an der nordöstlichen Seite ebenso wie an den anderen Fronten eingehalten. Die gärtnerische Ausgestaltung des Vorgartens zur Ggasse, das heißt die Fläche vor der zugehörigen Baufluchtlinie, werde nur durch die Garagenzufahrt, den Zugangsweg zum Hauseingang (Stufen), den Zugangsweg zum Müllgefäßraum (Rampe) sowie die wegen der Hanglage des Bauplatzes erforderlichen Stützmauern und Stufenanlagen unterbrochen. Diese Anlagen würden nicht das unbedingt erforderliche Ausmaß im Sinne des § 79 Abs. 6 der Bauordnung überschreiten. Hinsichtlich der Rauchfanghöhen bzw. deren Mündungen in bezug auf naheliegende Fenster von Aufenthaltsräumen würde § 114 Abs. 4 der Bauordnung eingehalten. Die Bestimmungen des § 126 der Bauordnung könnten durch den Neubau nicht verletzt werden, da in dieser Gesetzesstelle der Fall geregelt würde, daß sich Rauchfänge unmittelbar an der Grundgrenze befänden; dies treffe hier aber nicht zu. Die bebaute Fläche des Neubaues betrage 288,60 m2 und somit weniger als das im § 76 Abs. 10 der Bauordnung als zulässig festgesetzte Maß von einem Drittel der Bauplatzfläche; letztere betrage 879 m2, das Drittel daher 293 m2. Schließlich sei in den Plänen kein Widerspruch zu den §§ 88 und 89 der Bauordnung für Wien hinsichtlich der Belichtung und Belüftung von Räumen an der Nordostecke des Bauvorhabens zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ausführte, die Fläche vor der zugehörigen Baufluchtlinie gegen die G-gasse werde nicht nur durch die Garagenzufahrt, den Zugangsweg zum Hauseingang und den Zugangsweg zum Müllgefäßraum sowie durch Stützmauern und Stufenanlagen unterbrochen, sondern ebenso durch erkerartige Vorbauten. Diese Vorbauten reichten bis zum Erdboden und stellten einen untrennbaren Teil des Bauwerkes dar, da er sogar mit dem Erdboden verbunden sei und in unzulässiger Weise in die gärtnerisch auszugestaltenden Flächen hineinrage. Überdies habe die mitbeteiligte Partei diese Flächen unzulässigerweise nicht in die Berechnung der bebauten Fläche des Neubaues miteinbezogen. Darüberhinaus sei auch die Gebäudehöhe nicht eingehalten worden. Auch die Einwendungen hinsichtlich feuerpolizeilicher Vorschriften sowie der Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostecke des Neubaues würden aufrechterhalten und der Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Vermessungswesen gestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergebe sich eindeutig aus den eingereichten Projektplänen, daß die im vorliegenden Fall nach dem Bebauungsplan geltende Gebäudehöhe von 7,50 m eingehalten sei. Auch die Baufluchtlinien an der nordöstlichen Seite des Bauplatzes sowie im Bereich der G-gasse seien eingehalten. Das Projekt sehe auch nicht vor, daß befestigte Wege, Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen und dergleichen errichtet werden, die nicht erforderlich im Sinne des § 79 Abs. 6 der Bauordnung für Wien wären. Es sei weiters nicht einsichtig, wie durch das zur Genehmigung eingereichte Projekt die Bestimmungen des § 126 der Bauordnung für Wien verletzt werden könnten. Aus dem Lageplan über das Projekt sei weiters ersichtlich, daß das Gebäude auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers von dem Gegenstand des Verfahrens bildenden Bauwerk soweit entfernt sei, daß die Möglichkeit einer Verletzung der Vorschriften des § 114 Abs. 4 der Bauordnung für Wien von vornherein nicht gegeben sei. Auch sonst sei nicht erfindlich, welche Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte, welche durch § 114 der Bauordnung für Wien statuiert würden, durch das Projekt eintreten könnte. Eine unzulässige flächenmäßige Ausnützung des Bauplatzes liege gleichfalls nicht vor, da die bebaute Fläche geringer als das zulässige Maß von einem Drittel der Bauplatzfläche sei. Die vorgesehenen Erker seien nach § 84 Abs. 2 der Bauordnung für Wien zulässig. Überdies würden subjektivöffentliche Rechte des Beschwerdeführers deshalb durch diese Erker nicht verletzt, weil diese gegen die G-gasse gerichtet seien und der Beschwerdeführer seitlicher Anrainer der mitbeteiligten Partei in der G-gasse ist. Im übrigen ergebe sich aus den Projektsplänen, daß die Erker nicht bis zum Boden reichen. Ob Vorschriften über die Belichtung und Belüftung der Räume an der Nordostecke des Neubaues eingehalten würden, sei von der belangten Behörde nicht zu untersuchen gewesen, weil das dahin gerichtete Vorbringen nicht die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers darzutun geeignet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde darauf, daß mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche bebaut werden solle, die Baufluchtlinie überschritten werde, die Pläne falsch gezeichnet seien und der Grenzabstand laut Plan unterschritten werde. Des weiteren lägen keine Erker, sondern vom Erdboden weggehende Vorbauten vor. Er sei in seinem Rechtsanspruch auf Freihaltung gärtnerisch auszugestaltender Flächen verletzt worden. Überdies rage das Kellergeschoß entgegen den Bestimmungen der Bauordnung für Wien über das Erdgeschoß heraus.

§ 76 Abs. 10 der Wiener Bauordnung in der Fassung der hier noch maßgebenden Novelle LGBl. Nr. 18/1976 hat folgenden Wortlaut:

"(10) Im Wohngebiet darf bei offener, bei offener oder gekuppelter, bei gekuppelter und bei der Gruppenbauweise das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen.…….

§ 79 Abs. 3 der Wiener Bauordnung lautet:

"(3) In der offenen Bauweise muß der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in den Bauklassen I und II mindestens 6 m, in der Bauklasse III mindestens 12 m, in der Bauklasse IV mindestens 14 m, in der Bauklasse V mindestens 16 m und in der Bauklasse VI mindestens 20 m betragen…….

§ 83 Abs. 2 lit. f lautet:

"(2) Mit Zustimmung des Eigentümers der Verkehrsfläche dürfen folgende Gebäudeteile über die Baulinie oder Straßenfluchtlinie vorragen:

……

f) Erker, durch die nur ein Raum und dieser nur mit einem Teil seiner Breite vor die Gebäudefront ragt, Balkone und Stiegenhausvorbauten, sofern diese Bauteile eine Ausladung von höchstens 1,50 m aufweisen, insgesamt höchstens ein Drittel der Gebäudelänge einnehmen und einen Abstand von mindestens 3 m von der Nachbargrenze einhalten. An Gebäuden, deren Gebäudehöhe nach den Bestimmungen des § 75 Abs. 4 und 5 zu bemessen ist, dürfen solche Vorbauten nur eine Ausladung von höchstens 1 m aufweisen."

§ 134 Abs. 3 leg. cit. lautet:

"(3) …….

Ferner sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentliche Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes)."

Der Beschwerdeführer bringt vor, in Wahrheit werde mehr als das gemäß § 76 Abs. 10 der Wiener Bauordnung zulässige Drittel der Bauplatzfläche verbaut. Dieses Vorbringen widerspricht der Aktenlage und den Plänen. Die Bauplatzfläche beträgt unbestritten 879 m2, die maximal bebaubare Fläche demnach 293 m2. Da als bebaute Fläche gemäß § 80 Abs. 1 und 2 leg. cit. die Schnittfläche des Objektes mit dem Gelände in horizontaler Projektion gilt, und Balkone, Erker, Luftschächte und dergleichen entsprechend § 80 Abs. 2 leg. cit. nicht eingerechnet werden, ergibt sich - wie die belangte Behörde richtig annahm - ein Ausmaß der bebauten Fläche von 281,44 m2. Die in der Begründung des Bescheides erster Instanz und auch in der Beschwerde zitierten 288,60 m2 sind offenbar irrtümlich der Verhandlungsschrift entnommen worden, wo sie als Maß der Fläche des Erdgeschoßes zwecks Bemessung der Verwaltungsabgabe aufscheinen. Diese Geschoßfläche des Erdgeschoßes ist aber wesensmäßig verschieden von der bebauten Fläche des Gesamtobjektes und kann diese durchaus überschreiten. Allerdings wäre auch bei einer Fläche von 288,60 m2 die maximale Auslastung von 293 m2 nicht überschritten worden. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erweist sich daher als nicht zielführend.

Wenn der Beschwerdeführer rügt, im Plan sei zwar ein Abstand von drei Metern entsprechend dem Bebauungsplan (Baufluchtlinien) von der Nordostecke des Gebäudes zur Grundgrenze eingezeichnet, desgleichen seien als Grenzabstände auf der Rückseite des Gebäudes - dem Gesetz entsprechend - im Plan Maße von sechs Metern eingezeichnet, diese würden sich aber bei Nachmessungen im Plan als weitaus kleinere Abstände erweisen, so übersieht er, daß es bei derartigen, oft nicht vermeidbaren zeichnerischen Differenzen in den Plänen ausschließlich auf die eingetragenen Koten und Maße ankommt. Der Baukonsens deckt also nur Bauten entsprechend dem mit drei bzw. sechs Metern festgelegten Grenzabstand. Daß diese Maße dem Gesetz nicht entsprächen, wurde aber auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Unklarheiten der genehmigten Baupläne sowie die erstmals in der Beschwerde behaupteten zeichnerischen Widersprüche zwischen dem Keller- und dem Erdgeschoßplan fallen daher letztlich dem Bauwerber zur Last.

Subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn begründen nur jene Bestimmungen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Aus dieser beschränkten Parteistellung des Nachbarn ergibt sich, daß dieser nur eine Verletzung seiner Rechte geltend machen kann. Die Einhaltung der vorderen Baufluchtlinien kann daher nur im Interesse der Eigentümer gegenüberliegender Grundflächen liegen, nicht aber der seitlich angrenzender Grundflächen; die vom Beschwerdeführer beanstandeten Erker befinden sich jedoch an der Vorderfront des Hauses, sodaß der Beschwerdeführer als seitlicher (und hinterer) Nachbar nicht betroffen ist. Dies gilt auch für das subjektiv-öffentliche Recht auf die Freihaltung gärtnerisch auszugestaltender Flächen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1983, Zl. 05/1234/80, BauSlg. Nr. 53). Die Einwendung, daß die Erker die gärtnerisch auszugestaltende Fläche verkleinern könnten, wurde daher, da der Beschwerdeführer nur seitlicher Nachbar dieser Grundflächen ist, schon mangels Vorliegens eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes mit Recht von der belangten Behörde abgewiesen.

Überdies wurden nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die festgesetzten Baufluchtlinien durch das geplante Gebäude ohnehin eingehalten. Es steht daher der gärtnerischen Ausgestaltung der außerhalb der Baufluchtlinien gelegenen Flächen, für die eine solche vorgeschrieben ist, nichts entgegen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 24. Oktober 1989

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