VwGH 87/04/0181

VwGH87/04/018117.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der HA in S, vertreten durch Dr. Heinz Paradeiser und Dr. Raimund Danner, Rechtsanwälte in Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 12/II, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 16. Juli 1987, Zl. I/A-Str. 2611/85, 3054/85, betreffend die Entrichtung einer Geldstrafe (die nach der Gewerbeordnung 1973 verhängt wurde) in Teilbeträgen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §41 Abs1;
VStG §41 Abs3;
VStG §53 Abs2 Satz1;
AVG §19 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §41 Abs1;
VStG §41 Abs3;
VStG §53 Abs2 Satz1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. März 1987 wurde die Beschwerdeführerin einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 schuldig erkannt und über sie gemäß § 366 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzarreststrafe 42 Tage) verhängt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Mit einem undatierten Schreiben, welches bei der Behörde am 4. Juni 1987 eingebracht wurde, ersuchte die Beschwerdeführerin, ihr auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, da sie derzeit von der Sozialhilfe lebe, die Möglichkeit einer geringen Ratenzahlung zu gewähren.

Mit "Ladungsbescheid" des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 11. Juni 1987 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, zur Erteilung von Auskünften im Amt zu erscheinen. Im Ansuchen der Beschwerdeführerin um Ratenzahlung seien keine Gründe angeführt, wonach zu entnehmen wäre, daß sie derzeit nicht in der Lage sei, den Strafbetrag auf einmal zu bezahlen. Der Beschwerdeführerin wurde angedroht, daß, wenn sie diese Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht befolge, das Ersuchen um Genehmigung von Ratenzahlungen abgewiesen werde. Dieser "Ladungsbescheid" wurde der Beschwerdeführerin am 17. Juni 1987 durch Hinterlegung eigenhändig zugestellt.

Da die Beschwerdeführerin diesem "Ladungsbescheid" keine Folge leistete, wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 16. Juli 1987 ihrem Ansuchen gemäß § 53 Abs. 2 VStG 1950 nicht stattgegeben und die Genehmigung zur Zahlung der Geldstrafe einschließlich der Kosten in Teilbeträgen verweigert. Zur Begründung wurde ausgeführt, in dem von der Beschwerdeführerin am 4. Juni 1987 eingebrachten Ansuchen um Genehmigung zur Entrichtung der Straf- und Kostenbeträge in Teilbeträgen sei lediglich ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin derzeit von der Sozialhilfe lebe und daher nicht in der Lage wäre, den Straf- und Kostenbetrag auf einmal zu bezahlen. Da diese Ausführungen den Bestimmungen des § 53 Abs. 2 VStG 1950 über die Genehmigung zur Gewährung von Teilzahlungen nicht entsprechen, sei die Beschwerdeführerin eingeladen worden, im Amt zu erscheinen und ergänzende Auskünfte zu erteilen. In dem in dieser Sache der Beschwerdeführerin zugestellten Ladungsbescheid sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung das Ansuchen um Genehmigung von Ratenzahlungen abgewiesen werden würde. Da die Voraussetzungen zur Gewährung von Teilzahlungen nicht vorgelegen seien, habe die erkennende Behörde nur spruchgemäß entscheiden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Zuerkennung einer Ratenzahlung bzw. der Entrichtung einer Geldstrafe in Teilbeträgen verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, auch wenn es sich bei der Zuerkennung der Ratenzahlung um eine Ermessensentscheidung handle, so sei doch der Rahmen des Ermessens der belangten Behörde überprüfbar. Insbesondere ergebe sich aus dem gegenständlichen Akt, daß die Behörde bereits mit 10. Juni 1987 in Kenntnis davon gewesen sei, daß der Beschwerdeführerin Sozialhilfe zukomme. Es müsse als notorisch vorausgesetzt werden, daß Sozialhilfe nur dann gewährt werde, wenn Bedürftigkeit seitens des Sozialhilfeempfängers gegeben sei. Der Ladungsbescheid vom 11. Juni 1987 habe sohin materiellrechtlich keine Begründung, sodaß das Nichterscheinen zum vorgesehenen Termin für das gegenständliche Verfahren ohne Belang sei. Auch wenn für die Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden sei, bedeute das nicht, daß primär als Strafzweck eben diese Arreststrafe zur Sühne der Vergehen herangezogen werden solle. Auch unter Berücksichtigung der spezialpräventiven Gründe müsse einem Verurteilten bei Verhängung einer primären Geldstrafe die Möglichkeit gegeben werden, die Geldstrafe in solchen Teilbeträgen abzustatten, die zwar einen Einschnitt in den persönlichen Bereich bedeuteten, jedoch nicht eine Ausgliederung aus der sozialen Gesellschaft durch Inhaftierung. Da, wie sich aus dem Akt ergebe, die Beschwerdeführerin über kein eigenes regelmäßiges Einkommen verfüge, wäre ihr, unter Berücksichtigung sämtlicher gegebener Umstände, eine Ratenzahlung zuzuerkennen gewesen.

Die belangte Behörde beruft sich zur Begründung ihrer Abweisung des Teilzahlungsansuchens darauf, daß in dem der Beschwerdeführerin zugestellten "Ladungsbescheid" ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, daß im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung das Ansuchen um Genehmigung von Ratenzahlungen abgewiesen werden würde.

Die einschlägigen Bestimmungen des VStG 1950 verweisen hinsichtlich der Ladung im § 41 Abs. 1 auf § 19 AVG 1950. Beide genannten Gesetzesstellen enthalten Vorschriften über mögliche Folgen eines ungerechtfertigten Ausbleibens des Vorgeladenen. So sieht § 19 Abs. 3 AVG 1950 vor, daß gegen den Geladenen Zwangsmittel (Zwangsstrafe oder Vorführung) zulässig sind, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt wurde. § 41 Abs. 3 VStG 1950 bestimmt, daß die Ladung die Androhung enthalten kann, wonach bei Nichtbefolgung der Ladung durch den Beschuldigten das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werden kann, welche Folge ebenfalls zur Voraussetzung hat, daß die Ladung mit diesem Hinweis dem Beschuldigten zu eigenen Handen zugestellt worden ist.

Eine Ladung ist grundsätzlich nur eine das Verfahren betreffende Anordnung, der aber unter gewissen Voraussetzungen kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes der Charakter eines Bescheides eingeräumt ist. Eine Voraussetzung dafür ist, daß im Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens des Vorgeladenen an die Ladung kraft Gesetzes unmittelbar Rechtsfolgen geknüpft sind (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1971, Zl. 404/70, und die dort zitierte Judikatur).

Im vorliegenden Fall enthält der "Ladungsbescheid" eine Aufforderung zum Erscheinen, wobei der Beschwerdeführerin in Aussicht gestellt wurde, daß bei ungerechtfertigtem Ausbleiben das Ansuchen um Genehmigung von Ratenzahlungen abgewiesen werden würde. Diese Formulierung droht der Beschwerdeführerin wohl ein allfälliges zukünftiges Verhalten der Behörde an; allein eine solche Rechtsfolge ist im Gesetz nicht vorgesehen. Mangels Ermächtigung des Gesetzes können die in der Ladung angedrohten Folgen auch nicht in Vollzug gesetzt werden. Insbesondere ist im Hinblick auf § 24 VStG 1950 die Behörde keineswegs ihrer aus § 60 AVG 1950 erwachsenden Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bescheidbegründung entbunden. Auch soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift vorbringt, die Nichtbefolgung der Ladung würde eine Verletzung der der Beschwerdeführerin obliegenden Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes darstellen, ist ihr entgegenzuhalten, daß eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nur bewirken kann, daß die säumige Partei eine sich aus der Verletzung der Mitwirkungspflicht allenfalls ergebende unvollständige oder unrichtige Sachverhaltsannahme seitens der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr geltend machen kann; sie enthebt jedoch die Behörde keineswegs ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bescheidbegründung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1982, Zl. 81/04/0127).

Gemäß § 53 Abs. 2 VStG 1950 kann die Behörde auf Ansuchen bei Vorliegen triftiger Gründe einen angemessenen Strafaufschub bewilligen oder die Entrichtung einer Geldstrafe in Teilbeträgen gestatten. Eine Entscheidung nach § 53 Abs. 2 erster Satz VStG 1950 ist eine Ermessensentscheidung. Ermessensentscheidungen im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG unterliegen im Anwendungsbereich des AVG 1950 voll der Begründungspflicht nach § 60 AVG 1950. Im Hinblick auf § 24 VStG 1950 wäre es demnach Aufgabe der Behörde gewesen, allenfalls nach entsprechenden Erhebungen aufzuzeigen, auf Grund welcher Sachverhaltsannahme und welcher rechtlichen Erwägungen sie zu dem Schluß gelangte, es lägen im Beschwerdefall keine "triftigen Gründe" für die Erteilung der beantragten Ratenbewilligung vor und sie daher von der ihr in dieser Gesetzesstelle eingeräumten Ermächtigung zur Ermessensübung zum Nachteil der Beschwerdeführerin Gebrauch machte. Die Behörde kam dieser Begründungspflicht nicht nach, da sie von der unrichtigen Rechtsansicht ausging, ihre Ermessensübung zum Nachteil der Beschwerdeführerin auf den Hinweis im "Ladungsbescheid" stützen zu können, daß im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung das Ansuchen um Genehmigung von Ratenzahlungen abgewiesen werden würde. Die belangte Behörde belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebühren lediglich entstanden sind: Eingabengebühren in der Höhe von S 360,--, eine Vollmachtsgebühr in der Höhe von S 120,-- und eine Beilagengebühr in der Höhe von S 30,-- für die Kopie des angefochtenen Bescheides.

Wien, am 17. Mai 1988

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