VwGH 86/10/0199

VwGH86/10/019927.7.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Scheinecker, über die Beschwerde des HL in W, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien I, Parkring 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 12. September 1986, Zl. SD 582/86, betreffend Verwaltungsübertretungen nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG 1950, zu Recht erkannt:

Normen

EGVG Art9 Abs1 Z1
EGVG Art9 Abs1 Z2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986100199.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 28. August 1986 von 08.20 bis 08.30 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in Wien "durch überlautes Herumschreien von Schimpfwörtern wie grüner Scheißer etc. sowie wildes Gestikulieren vor einem in Ausübung seines gesetzmäßigen Dienstes befindlichen

Sicherheitswachebeamten, ..... 3) ein Verhalten gesetzt, das

geeignet gewesen sei, Ärgernis zu erregen und tatsächlich auch erregt habe und somit die öffentliche Ordnung gestört und 4) sich trotz Abmahnung gegenüber einem Sicherheitswachebeamten ungestüm benommen". Er habe hiedurch zu 3) eine Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 und zu 4) eine solche nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde wegen dieser zwei Verwaltungsübertretungen jeweils eine Arreststrafe von 7 Tagen verhängt, wobei die am 28. August 1986 von 08.30 bis 12.00 Uhr erlittene Verwahrungshaft in die wegen Störung der öffentlichen Ordnung verhängte Freiheitsstrafe eingerechnet wurde.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die Erstbehörde stützte ihre Sachverhaltsannahmen betreffend das als erwiesen angesehene Verhalten des Beschwerdeführers auf die eigene dienstliche Wahrnehmung des Meldungslegers, die zur Gänze von der belangten Behörde übernommen wurden. Die Berufungsbehörde vertrat die Auffassung, dieser Darstellung sei mehr Glaubwürdigkeit zu schenken als der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, weil andernfalls das Einschreiten des Beamten völlig grundlos erschiene. Auch in der Berufung seien keine Umstände vorgebracht worden, "aus denen sich der Beschwerdeführer beschwert erachte".

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers war der Polizeibeamte keineswegs verpflichtet, die Daten der Passanten, bei denen durch das Verhalten des Beschwerdeführers Ärgernis erregt wurde, aufzunehmen, um durch deren Einvernahme als Zeugen die Glaubwürdigkeit seiner Angaben zu untermauern (vgl. das Erkenntnis vom 27. November 1986, Zl. 85/10/0116 und die dort zitierte Vorjudikatur). Daß die Anzeige eines Polizeibeamten im Gegensatz zur Verantwortung des Beschwerdeführers steht, bildet noch keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit des Ersteren zu zweifeln. Zu solchem Zweifel bestand im Beschwerdefall nicht zuletzt auch deshalb kein Grund, weil der Beschwerdeführer selbst zugibt, er habe in seinem alkoholisierten Zustand den Polizeibeamten lediglich zu einem Kaffee einladen wollen und es der allgemeinen Erfahrung entspricht, daß ein derartiges Verhalten gegenüber einem im Straßendienst eingesetzten Sicherheitswachebeamten zumindest ungewöhnlich ist. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine konkrete Gegendarstellung abgegeben hatte, durfte die belangte Behörde in als nicht rechtswidrig zu erkennenden Weise von der Verwirklichung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tathandlungen ausgehen. Für "persönliche Differenzen" zwischen dem Meldungsleger und dem Beschwerdeführer, die ihre Wurzel vor der in Rede stehenden Amtshandlung hatten (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juli 1986, Zl. 86/02/0054), bildet die Aktenlage, insbesondere auch der Aktenvermerk vom 30. September 1985, keine konkreten Anhaltspunkte. Wenn daher die belangte Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung auf Grund der den Beschwerdeführer eindeutig belastenden Anzeige davon ausging, daß dieser die ihm vorgeworfenen Taten begangen hatte, vermag der Verwaltungsgerichtshof dies im Rahmen der ihm zustehenden nachprüfenden Kontrolle (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, Slg. N.F. Nr. 11.894) nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Berufungsbehörde begründete im übrigen in ihrem Bescheid auch, auf Grund welcher Überlegungen sie zu diesem Ergebnis gelangte.

Der weiteren Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte den Grad seiner Alkoholisierung im Zeitpunkt der Tat feststellen und sodann zu dem Ergebnis kommen müssen, daß er allenfalls (allein) das Tatbild nach Art. IX Abs. 1 Z. 3 EGVG 1950 verwirklicht hätte, ist entgegenzuhalten, daß nach der Aktenlage für eine volle Berauschung kein Anhaltspunkt besteht. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in seinem von ihm selbst verfaßten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung dieser Beschwerde vorgebracht, er sei nur "ein wenig angeheitert" gewesen. Bereits daraus ist ersichtlich, daß es sich bei diesem Vorbringen offenbar nur um eine Schutzbehauptung handelt.

Zur geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung der Ordnungsstörung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950 ist zu bemerken, daß dieses Tatbild nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt etwa das Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Zl. 85/10/0167) durch zwei Elemente gekennzeichnet ist: Zum ersten muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zum zweiten muß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Sofern der Beschwerdeführer für sich in Anspruch nimmt, er habe den Polizeibeamten lediglich zum Kaffee eingeladen, geht er von einem anderen als dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt aus. Dafür, daß durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört worden ist, ist es nicht erforderlich, daß das Verhalten zu Aufsehen, Zusammenlauf von Menschen udgl. führt, es muß vielmehr nur unmittelbar oder mittelbar zur Folge haben, daß ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Dazu genügt es, daß etwa mehrere Personen an dem Verhalten Ärgernis genommen haben. Soweit der Beschwerdeführer die "Öffentlichkeit" der Tat bestreitet, genügt der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. März 1987, Zl. 86/10/0197, worin ausführlich dargelegt wurde, daß es allein darauf ankommt, ob die Tat an einem "öffentlichen Ort" begangen wurde. Daß tatsächlich die Ordnung an einem öffentlichen Ort, unabhängig von dem dort herrschenden Straßen- und Baustellenlärm, durch den Beschwerdeführer gestört worden ist, geht aus der vom Meldungsleger sehr lebensnah wiedergegebenen Darstellung hervor, wonach das Verhalten des Beschwerdeführers bei etwa 50 Passanten Ärgernis erregte, welches auch kundgetan wurde. Das dem widersprechende Vorbringen des Beschwerdeführers entfernt sich daher gleichfalls von dem von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einem ungestümen Benehmen nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 ein solches Verhalten zu verstehen, durch das die jedermann gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organes zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, daß diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als aggressives Verhalten gewertet werden muß. Selbst das subjektive Empfinden desjenigen, der sich ungerechtfertigt von einem Sicherheitswachebeamten beanstandet fühlt, berechtigt nicht zu solchen unsachlichen Reaktionen (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1985, Zl. 84/10/0227), wie sie dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Last gelegt wurden. Der Meldungsleger verweist in seiner Anzeige darauf, daß ihn der Beschwerdeführer nach der erfolgten Abmahnung aggressiv beschimpfte, an seiner Uniformjacke ergriff und mit den Armen wild gestikulierte. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, der Meldungsleger habe im Zuge seiner für ein anderes Berufungsverfahren abgegebenen Zeugenaussage das Ergreifen an der Uniform nicht mehr erwähnt, ist die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die Aktenlage dennoch gedeckt, weil dem Beschwerdeführer spruchgemäß ohnehin nur das überlaute Herumschreien von Schimpfwörtern sowie das wilde Gestikulieren zur Last gelegt wurde. Die belangte Behörde konnte daher auch zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG verwirklicht hat. Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1953, Zl. 3036/52, ist für ihn nichts gewonnen, weil die belangte Behörde im Beschwerdefall durchaus von einem aggressiven Verhalten des Beschwerdeführers ausgehen konnte.

Die Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen zur Gänze als unbegründet. Sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Anberaumung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 27. Juli 1987

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