VwGH 86/06/0170

VwGH86/06/017020.11.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richteramtsanwärter Dr. Spira, über die Beschwerde der Marktgemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister PH, dieser vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14. Mai 1986, Zl. 7/03‑2078/49‑1986, betreffend die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für eine Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52
ROG Slbg 1977 §19 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986060170.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Bundesland Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In ihrer Sitzung vom 7. November 1985 hat die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde beschlossen, für die Errichtung des Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 568/1, KG U, eine Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes zu genehmigen. Wie den vorgelegten Verwaltungsakten entnommen werden kann, war ausschlaggebend für diese Genehmigung, daß die Baulichkeit bereits vor der generellen Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1981 errichtet worden sei, die Gemeindevertretung von dieser Bauführung im Grünland immer gewußt hätte und diese stillschweigend zur Kenntnis genommen habe.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die Salzburger Landesregierung der genannten Bewilligung der Gemeinde die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt. Die Begründung der Gemeindeaufsichtsbehörde läßt sich dahin zusammenfassen, daß entgegen der Auffassung der Gemeinde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich sei. Die erstatteten Gutachten von zwei Amtssachverständigen hätten ergeben, daß sich das Objekt am Rande einer land- und forstwirtschaftlich genutzten, durch seine vertikale Ablage zum nächstgelegenen Bauland deutlich abgesetzten Bereich befinde. Diesen tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragend, habe die Gemeinde das betreffende Gebiet im Flächenwidmungsplan als Grünland, ländliches Gebiet mit landwirtschaftlicher Nutzung, ausgewiesen, wodurch auch die Planungsabsicht bekundet worden sei, diesen landwirtschaftlich genutzten Grünraum zu erhalten und die Errichtung rein Wohnzwecken dienender Bauten in diesem Gebiet zu verhindern. Im räumlichen Entwicklungskonzept seien diese Ziele auch ausdrücklich angeführt worden. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung widerspreche eindeutig der in der Natur vorherrschenden Grünlandstruktur und der planlich festgehaltenen Grünlandausweisung sowie den Zielsetzungen des räumlichen Entwicklungskonzeptes hinsichtlich der zukünftig geplanten landwirtschaftlichen Struktur. Wegen mangelnder Bedachtnahme auf die gegebenen und abgestrebten Strukturverhältnisse sei die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen gewesen.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die beschwerdeführende Gemeinde, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (ROG 1977), LGBl. Nr. 26, zuletzt in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 52/1984, können Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung, Genehmigung oder dgl. der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich bedürfen, vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes an nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, insbesondere Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des Baulandes (§ 12) und entsprechend der festgelegten Nutzungsart bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden.

Nach § 19 Abs. 3 ROG 1977 können die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß Abs. 1, wenn es sich nicht um Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, für bestimmte Grundflächen von der Gemeindevertretung auf Ansuchen des Grundeigentümers durch Bescheid ausgeschlossen und ein genau bezeichnetes Vorhaben raumordnungsmäßig bewilligt werden, wenn dieses dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht und bei Bauvorhaben für Wohnbauten (ausgenommen bei überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Bauten) eine Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 nicht überschreitet. Vor dieser im behördlichen Ermessen gelegenen Bewilligung sind die Anrainer zu hören und ist das Ansuchen zumindest sechs Wochen vor seiner Erledigung ortsüblich kundzumachen. Die im § 16 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen sind berechtigt, Anregungen vorzubringen. Anregungen und sonstige Vorbringen zum Ansuchen sind in die Beratungen zur bescheidmäßigen Erledigung miteinzubeziehen. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Landesregierung; die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Einlangen des Beschlusses der Gemeindevertretung und der zur Beurteilung des Ansuchens durch die Gemeinde erforderlichen Unterlagen bei der Landesregierung von dieser versagt wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Bewilligung gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des § 17 Abs. 3 bewirken würde. (Die weiteren Bestimmungen dieses Absatzes sind im Beschwerdefall rechtlich unerheblich.)

Nach § 17 Abs. 3 lit. a hat die Landesregierung die Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes bei Fehlen der Bedachtnahme auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse oder die sonstigen bei der Aufstellung des Flächenwidmungsplanes zu beachtenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu versagen.

Die beschwerdeführende Gemeinde vertritt die Auffassung, daß im Zeitpunkt der Errichtung der hier maßgeblichen Baulichkeit aus „raumordnungsgesetzlicher“ Sicht keinerlei Hinderungsgründe für die Erteilung der Bewilligung vorhanden gewesen seien. Die Gemeinde habe jahrelang für das errichtete Objekt Steuern kassiert, die nur im Zusammenhang mit der Errichtung des Objektes möglich seien, so daß beim betroffenen Grundeigentümer nur der Eindruck habe entstehen können, daß die Errichtung rechtmäßig erfolgt und von der Gemeinde zur Kenntnis genommen worden sei. Bei der Errichtung des Gebäudes sei weder ein Flächenwidmungsplan noch seien konkrete Entwicklungsziele vorgelegen.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt worden ist, daß im Beschwerdefall ausschließlich die Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich ist, nicht aber die Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung des in Rede stehenden Gebäudes. In diesem Zusammenhang sei auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Slg. N.F. Nr. 9315/A, verwiesen.

Der Umstand aber, daß die Gemeinde die ihr als Baubehörde nach dem Salzburger Baupolizeigesetz obliegenden Verpflichtungen betreffend die Errichtung eines unbefugten Baues mißachtet hat, kann nicht dazu führen, daß jedes früher unbefugt errichtete Bauwerk einer Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 ROG 1977 zuzuführen ist. Vielmehr hat nach der genannten Gesetzesstelle die Gemeinde eine Bewilligung gar nicht zu erteilen, wenn das Vorhaben dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht entgegensteht. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang ausführt, es möge wohl richtig sein, daß in Zukunft Bauvorhaben wie das gegenständliche nicht mehr bewilligt werden sollten, es könne aber keinesfalls davon gesprochen werden, daß durch die Errichtung des äußerst kleinen Bauwerkes, welches sich im übrigen nach seiner Bauart durchaus in die umliegende Landschaft mit Jagd- und Holzknechthütten einfüge, der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht widersprochen werde, verkennt sie die Rechtslage. Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides und auch in ihrer Gegenschrift dargetan hat, ist auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse Bedacht zu nehmen. Nun ist es im Beschwerdefall so, daß das Gebäude unmittelbar an einen gegebenen Siedlungsraum anschließt, sich jedoch nach der Begründung des angefochtenen Bescheides durch seine Höhenlage von diesem abhebt.

In seinem Gutachten vom 6. September 1985 führte ein Amtssachverständiger der belangten Behörde jedoch lediglich aus, daß die räumlichen Gegebenheiten sich in der Natur so darstellen würden, daß die nächstliegenden Objekte direkt unterhalb, jedoch bereits höhenmäßig deutlich abgelegen innerhalb des Baulandes zu liegen kämen. In der Natur stelle sich der westliche Gemeindeteilbereich ab der Baulandgrenze als nachvollziehbarer Strukturgrenze einheitlich land- und forstwirtschaftlich strukturiert dar. Trotz seiner horizontalen Lage zu den bestehenden und gemäß Flächenwidmungsplan geplanten Siedlungsansätzen im Talbereich sei durch die bestehende vertikale Ablage (der gegenständlichen Baulichkeit) kein räumlicher Zusammenhang zu denselben erkennbar. Durch den Verwendungszweck des Objektes, nämlich rein Wohnzwecken dienend, fehle insbesondere der funktionelle Zusammenhang zur jenseits der Strukturgrenze bestehenden und auch geplanten land- und forstwirtschaftlichen Wirtschafts- und Nutzungsstruktur dieses Bereiches. In dem Gutachten vom 8. April 1986 meinte ein Amtssachverständiger der belangten Behörde, daß das hier maßgebliche Grundstück unmittelbar an ausgewiesenes Bauland anschließe, durch die geländemäßigen Gegebenheiten (Hanglage) sich jedoch dieses Objekt deutlich vom bestehenden Siedlungsansatz im Talboden absetze. Darüber hinaus sei auch kein funktioneller Zusammenhang zum ausgewiesenen Grünland ableitbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Ausführungen des Amtssachverständigen nicht als ausreichend, um eindeutig beurteilen zu können, daß die Gemeinde bei ihrer Entscheidung nach § 19 Abs. 3 ROG 1977 das Gesetz unrichtig angewandt hat. Es darf in diesem Zusammenhang ja nicht übersehen werden, daß es nicht auf einen funktionellen Zusammenhang zum ausgewiesenen Grünland ankommt, vielmehr auf den funktionellen Zusammenhang zum unmittelbar anschließenden Bauland, wie es sich insbesondere auf Grund der im Akt erliegenden Pläne und Fotos darstellt. Wäre ein funktioneller Zusammenhang zum ausgewiesenen Grünland gegeben, dann wäre ja eine Ausnahmebewilligung nach der hier maßgeblichen Rechtslage gar nicht erforderlich, wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt worden ist. Nun haben die Amtssachverständigen zwar darauf hingewiesen, daß sich dieses Objekt von dem bestehenden Siedlungsansatz im Talboden sehr deutlich abhebe, allein eine eindeutige Begründung für diese Ausführungen und ein dementsprechender Befund liegen, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes derzeit nicht vor. Gerade im Hinblick auf den unmittelbar gegebenen Anschluß an Bauland kann nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht ausreichend die Frage beurteilt werden, ob die Bauführung tatsächlich den angestrebten Strukturverhältnissen wiederstreitet, wie dies die Amtssachverständigen ausführten, und ihnen folgend, die belangte Behörde annahm. Hiezu wäre insbesondere eine Prüfung der Gesamtsituation und eine Bestandaufnahme sämtlicher Baulichkeiten in diesem Bereich erforderlich sowie eine nähere Beschreibung der Landschaft, wie dies bisher nicht der Fall ist. Gerade die im Akt erliegenden Fotos lassen doch vielmehr erkennen, daß sich in unmittelbarer Nähe eine Reihe von Baulichkeiten befinden, die scheinbar auch in Hanglage errichtet worden sind. Lassen aber die Gutachten bisher eine Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung nicht als ausreichend begründet erscheinen, dann mußte der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. Die belangte Behörde hat nämlich nicht mit der nötigen Schlüssigkeit dargetan, aus welchen Gründen selbst die Nähe einer bereits bestehenden Wohnsiedlung entgegen den Ausführungen in der Beschwerde eine Ausnahme nach § 19 Abs. 3 ROG 1977 nicht rechtfertigt.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen des § 47 ff VwGG sowie der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung einer den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer.

Wien, am 20. November 1986

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