European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986030165.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 13. September 1985 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 13. März 1985 gegen 05.50 Uhr einen dem Kennzeichen nach bezeichneten Pkw auf der D‑Landesstraße von S kommend in Fahrtrichtung H gelenkt, wobei er in einer lang gezogenen Rechtskurve auf Höhe des Straßenkilometers x 1. durch Nichtanpassung der Fahrgeschwindigkeit an die gegebenen Straßenverhältnisse über den linken Fahrbahnrand hinausgeraten, gegen einen Schneehaufen und eine Straßenlampe gestoßen sei und in weiterer Folge auf dem Parkplatz vor dem Gasthaus „Tandlerstuben“ drei dort geparkte Pkws angefahren und diese erheblich beschädigt habe. Obwohl er somit mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, habe er es unterlassen, 2. an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und 3. von diesem Unfall mit Sachschaden die nächste Polizei oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, da der Nachweis von Name und Anschrift den Geschädigten gegenüber unterblieben sei. Dadurch habe er Verwaltungsübertretungen nach 1. § 20 Abs. 1 StVO 1960, 2. § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. und 3. § 4 Abs. 5 leg. cit. begangen. Über ihn wurden deswegen Geld‑ und Ersatzarreststrafen verhängt.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der in den Punkten 1 und 2 vorgeworfenen Übertretungen Folge gegeben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 eingestellt (Spruchteil I). Hinsichtlich der in Punkt 3 vorgeworfenen Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 wurde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, „daß in der vorletzten Zeile des Spruches anstelle des Wortes ‚da‘ das Wort ‚obwohl‘ gesetzt wird“. (Spruchteil II) In der Begründung ging die belangte Behörde hinsichtlich des Schuldspruches wegen der Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 davon aus, daß der vom Beschwerdeführer verursachte Unfall mit Sachschaden vom Gastwirt am 13. März 1985 um 8.00 Uhr telefonisch beim Gendarmeriepostenkommando S angezeigt worden sei. L habe dabei nicht im Auftrag des Beschwerdeführers gehandelt. Der Beschwerdeführer sei sich an der Unfallstelle über die Situation, das Vorgefallene und seine weiteren Pflichten klar bewußt gewesen. Aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachten sei das Vorliegen eines „schuldbefreienden Schockzustandes im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG“ auszuschließen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Aus den Ausführungen in der Beschwerde geht eindeutig hervor, daß nur der im Spruchteil II des angefochtenen Bescheides getroffene Abspruch bekämpft wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich daher auch nur mit diesem Teil des Bescheides zu befassen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zunächst geltend, daß der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr. U sich nicht mit den Angaben des Zeugen L auseinandergesetzt habe. Damit vermag er jedoch schon deshalb keine Unschlüssigkeit des Gutachtens dieses Sachverständigen aufzuzeigen, weil er nicht konkret ausgeführt, welche Aussagen des Zeugen er dabei im Auge hat und zu welchen anderen Ergebnissen der Sachverständige bei Berücksichtigung dieser Aussagen hätte kommen können, räumt der Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. November 1985 doch ohnedies das Vorliegen eines psychischen Schocks beim Beschwerdeführer, allerdings „nur in einer minimalen Ausprägung“, ein. Ferner rügt der Beschwerdeführer, daß der Sachverständige nicht ausreichend begründet habe, warum seinen ‑ des Beschwerdeführers ‑ Angaben über Erinnerungslücken kein Glaube geschenkt werden könne; da er es auch hier unterläßt, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzutun, kann der Beschwerde auch in dieser Richtung kein Erfolg beschieden sein.
Daß beim Beschwerdeführer kein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender medizinischer Schock aufgetreten ist, hat der Sachverständige Dr. U in seinem Gutachten vom 14. November 1985 schlüssig aus dem situationsangepaßten Verhalten des Beschwerdeführers an der Unfallstelle (der Beschwerdeführer war in der Lage, den Wirt zu bitten, die Besitzer der geschädigten Pkws an die Unfallstelle zu rufen, sich mit diesen zu unterhalten, sich zu entschuldigen und zu erklären, daß es sich nur um eine Versicherungsangelegenheit handle, sowie seine Fahrzeug‑ und Ausweispapiere zu holen und den Geschädigten zur Kenntnisnahme anzubieten) und den ärztlichen Untersuchungsbefunden abgeleitet. Von der vom Beschwerdeführer beantragten zeugenschaftlichen Vernehmung des, der den Beschwerdeführer am 13. März 1985 nach dem Unfall untersucht hatte, konnte Abstand genommen werden, weil über diese Untersuchung ein ausführlicher Befund vorliegt, der vom Sachverständigen Dr. U in seinem Gutachten berücksichtigt wurde. Da sich letzteres Gutachten in schlüssiger Weise mit allen für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt wesentlichen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens auseinandersetzte, bestand auch keine Veranlassung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem neurologisch‑psychiatrischen Fachgebiet, dies umso weniger, als selbst das vom Beschwerdeführer beigebrachte Privatgutachten des Prim. Dr. W vom 12. August 1985 zu dem Ergebnis kommt, daß „eine völlige Unfähigkeit das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln (Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit)“ nicht angenommen werden könne, es sei jedoch die Zurechnungsfähigkeit „zu einem höheren Maße vermindert“ zu werten. Ein die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender, sondern bloß ‑ wenn auch erheblich ‑ mindernder Schockzustand stellt aber keinen Strafausschließungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 VStG 1950 dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1983, Zl. 82/03/0229).
Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde nicht „von sich aus“ festgestellt habe, daß er es unterlassen habe, die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Dabei übersieht er jedoch, daß diese von ihm nunmehr vermißte Feststellung im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthalten war, von ihm nicht bekämpft wurde und durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt der mit der Beschwerde angefochtenen Berufungsentscheidung gemacht wurde.
Wenn der Beschwerdeführer meint, daß er der Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 im Hinblick darauf enthoben worden sei, daß der gegenständliche Unfall vom Gastwirt L beim Gendarmeriepostenkommando S angezeigt worden sei, so verkennt er die Rechtslage. Nach der genannten Bestimmung haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in § 4 Abs. 1 StVO 1960 genannten Personen (das sind alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht) die nächste Polizei‑ oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die in § 4 Abs. 1 leg. cit. genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. Es trifft zwar zu, daß die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nicht durch den Beschädiger persönlich erfolgen muß, sondern auch durch Boten erstattet werden kann (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1963, Zl. 961/62); im Beschwerdefall handelte aber L bei der Anzeige des Verkehrsunfalles bei der Gendarmerie nicht als Bote des Beschwerdeführers, weil ihn dieser dazu nicht beauftragt hatte. Sein Tätigwerden kann daher nicht dem Beschwerdeführer zugerechnet werden. Die nunmehr in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe die Fahrzeugpapiere an L übergeben, findet in der Aktenlage keine Deckung. Der Beschwerdeführer hat in der niederschriftlichen Vernehmung vom 13. März 1985 vielmehr angegeben, die Fahrzeugpapiere dem F übergeben zu haben. Schon aus diesem Grund muß daher der in der Beschwerde unternommene Versuch scheitern, aus der behaupteten Übergabe der Fahrzeugpapiere an I, eine „konkludente Beauftragung“ zur Meldung des Verkehrsunfalles abzuleiten.
Der belangten Behörde unterlief auch kein Rechtsirrtum, wenn sie davon ausging, daß es zu keinem Identitätsnachweis im Sinne des § 4 Abs. 5 zweiter Satz StVO 1960 zwischen dem Beschwerdeführer und den durch den von ihm verursachten Unfall geschädigten Personen gekommen ist. Ein solcher Nachweis setzt voraus, daß die Beteiligten einander ihren Namen und ihre Anschrift nachweisen. Ein derartiger Nachweis hat persönlich und nicht über Dritte zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1967, Slg. Nr. 7220). Da ein solcher persönlicher Nachweis der Identität im Beschwerdefall unbestrittenermaßen nicht stattgefunden hat (die Geschädigten waren nach der Aussage des Beschwerdeführers vom 13. März 1985 nicht bereit, in die ihnen angebotenen Fahrzeugpapiere des Beschwerdeführers Einsicht zu nehmen), hilft es dem Beschwerdeführer auch nichts, wenn der Zeuge L „über die Personalien und Identitäten der Beteiligten Bescheid wußte und diese weitergeben konnte“.
Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, 18. März 1987
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