Normen
AVG §68 Abs1
VStG §17
VStG §17 Abs1
VStG §17 Abs2
WaffG 1967 §39 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986010264.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 23. Mai 1985 wurde JW, der Bruder des Beschwerdeführers, schuldig erkannt, am 4. September 1984 gegen 8.00 Uhr im Bereich der Hinteralm im Roßtal, Gemeindegebiet Innervillgraten, ohne im Besitz eines Waffenscheines zu sein eine Schußwaffe (umgebauter Karabiner 98) samt Zielfernrohr geführt zu haben. Gleichzeitig wurde gemäß § 39 Abs. 1 lit. b Waffengesetz 1967 die Schußwaffe samt Zielfernrohr für verfallen erklärt. Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol mit Bescheid vom 14. August 1985 nur insofern Folge, als die gegen JW verhängte Verwaltungsstrafe herabgesetzt wurde.
Mit an den Beschwerdeführer gerichtetem Bescheid vom 13. Februar 1986 erklärte die Bezirkshauptmannschaft Lienz den besagten, im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Karabiner 98 samt Zielfernrohr gemäß § 39 Abs. 1 Waffengesetz für verfallen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. In Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Bescheid führte die belangte Behörde begründend aus, die für verfallen erklärte Waffe habe den Gegenstand einer gemäß § 37 Waffengesetz strafbaren Handlung gebildet. Die Verfallserklärung sei aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten, um einer neuerlichen mißbräuchlichen Verwendung dieser Waffe vorzubeugen, weil mit diesem Gewehr nachgewiesenermaßen bereits zweimal gewildert worden sei. Dem Beschwerdeführer sei Beihilfe zum strafbaren Verhalten seines Bruders vorzuwerfen, weil er diesem die Waffe überlassen habe. Das Zielfernrohr habe ebenfalls für verfallen erklärt werden müssen, weil Gewehr und Zielfernrohr als Einheit anzusehen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 VStG 1950, in der Fassung BGBl. Nr. 295/1985, dürfen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetztesstelle dürfen Gegenstände, die nach Abs. 1 verfallsbedroht sind, hinsichtlich derer aber eine an der strafbaren Handlung nicht als Täter oder Mitschuldiger beteiligte Person ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht nachweist, nur für verfallen erklärt werden, wenn die betreffende Person fahrlässig dazu beigetragen hat, daß mit diesem Gegenstand die strafbare Handlung begangen wurde, oder bei Erwerb ihres Rechtes von der Begehung der den Verfall begründenden strafbaren Handlung wußte oder hätte wissen müssen.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann und im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung solcher Bescheide kann auch durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden.
Gemäß § 39 Abs. 1 Waffengesetz sind Waffen und Munition, die den Gegenstand einer nach § 37 oder § 38 strafbaren Handlung bilden, von der Behörde für verfallen zu erklären, wenn sie dem Täter oder einem Mitschuldigen gehören und die Verfallserklärung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten ist oder wenn ihre Herkunft nicht feststellbar ist.
Im vorliegenden Fall wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 14. August 1985 gleichzeitig mit der Verhängung einer Geldstrafe gegen JW die besagte Schußwaffe samt Zielfernrohr für verfallen erklärt. Einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Mitteilung der belangten Behörde zufolge befindet sich die Waffe in der Verfügungsmacht der Bezirkshauptmannschaft L. und wird bei dieser Behörde aufbewahrt. Die Rechtskraft des den Verfall aussprechenden Bescheides hat zur Folge, daß der Eigentümer und die an der Sache dinglich Berechtigten ihre Rechte verlieren (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Wien 1987, Rdz. 794, und Kapfer‑Dittrich‑Tades, ABGB31, Wien 1980, Anmerkung VI zu § 365). Dies bedeutet für den Beschwerdefall, daß ab Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 14. August 1985 ein nochmaliger Verfall der gegenständlichen Waffe nicht mehr hätte ausgesprochen werden dürfen, weil der Verfall ja bereits mit Wirkung gegen jeden an der Waffe Berechtigten verfügt worden ist. Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat und somit in einer bereits entschiedenen Sache nochmals eine Sachentscheidung getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. Verwaltungsgerichtshof‑Erkenntnis vom 21. Oktober 1977, Zl. 1086/77, vom 6. Juli 1979, Zl. 964/79, und vom 20. Juni 1985, Zl. 84/08/0099).
Durch diesen in Widerspruch zum Gebot des „ne bis in idem“ stehenden Bescheid wird in die Rechte des Beschwerdeführers auch dadurch eingegriffen, daß, selbst wenn er allenfalls auf Grund seiner Stellung als übergangene Partei die Beseitigung des ursprünglichen, in dem seinen Bruder betreffenden Straferkenntnis enthaltenen Verfallsausspruches erreichen sollte, ihm die Rechtskraft des nunmehr angefochtenen Bescheides entgegenstünde.
Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Frage ungeprüft bleiben, inwieweit auch dadurch in die Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen wurde, daß selbständig, d.h. nicht im Rahmen eines Verwaltungsstraferkenntnisses der Verfall der Waffe verfügt wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am 16. Dezember 1987
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