European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985180324.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 5. Februar 1985 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 1983 auf Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Bescheid vom 13. Juli 1982 abgeschlossenen Strafverfahrens wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 unter Berufung auf § 69 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 4 AVG 1950 im wesentlichen mit der Begründung nicht stattgegeben, daß der Beschwerdeführer weder neue Tatsachen noch Beweismittel vorgebracht habe, die hervorgekommen seien und im Verfahren ohne sein Verschulden nicht hätten geltend gemacht werden können und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses vom 13. Juli 1982 sei der Behörde bekannt gewesen, daß die Weigerung des Beschwerdeführers, sich der Atemluftprobe zu unterziehen, mit einem angeblichen Schockzustand gerechtfertigt worden sei. Dieser Rechtfertigung des Beschwerdeführers sei jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Feststellungen der einschreitenden Gendarmeriebeamten am Unfallsort, nicht in „jenem Umfang“ Glauben geschenkt worden, der eine Bestrafung des Beschwerdeführers ausgeschlossen hätte.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid „insoferne bestätigt als dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattgegeben wird“. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 64 Abs. 6 VStG 1950 vorgeschrieben, als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren S 600,-- zu leisten.
Die Berufungsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, daß der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 1983 auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens keine „datumsmäßige Bezeichnung des Zeitpunktes“ enthalten habe, in welchem ihm der Wiederaufnahmegrund zur Kenntnis gekommen sei. Nach der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffe die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages den Antragsteller. Der Antragsteller müsse schon im Antrag angeben, wann er von dem Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes Kenntnis erlangt habe. Das Fehlen des Zeitpunktes im Wiederaufnahmeantrag, an dem der Berufungswerber von dem Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes Kenntnis erlangt habe, sei kein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950. Dem Wiederaufnahmeantrag mangle es an formellen Voraussetzungen, sodaß ihm schon aus diesem Grunde ein Erfolg habe versagt bleiben müssen. Dem Grunde nach sei die Entscheidung der Behörde erster Instanz zu Recht erfolgt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Senat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1985, Zl. 84/10/0237) erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt der Antragsteller, der schon im Antrag (datumsmäßig) genau angeben muß, wann er von dem Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes Kenntnis erlangt hat, wobei das Fehlen einer Angabe des genauen Zeitpunktes im Wiederaufnahmeantrag kein bloßes Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 darstellt (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1983, Zlen. 82/02/0138 und 0143, und die darin zitierte Vorjudikatur).
Der Gerichtshof schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, daß der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers keine datumsmäßige Bezeichnung jenes Zeitpunktes enthält, in welchem ihm der Wiederaufnahmegrund zur Kenntnis gelangt ist. Der Beschwerdeführer hat in seinem diesbezüglichen Schriftsatz vom 28. Dezember 1983 nur vorgebracht, daß ihm „erst jetzt“ das Untersuchungsergebnis der Frau Dr. B. bekannt geworden sei. Hier ist auch auf das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1980, Zl. 70/78, zu verweisen, in welchem der Gerichtshof die in einem Wiederaufnahmeantrag aufgestellte Behauptung, bei einer „soeben“ vorgenommenen Überprüfung bestimmter Angaben habe sich deren Unrichtigkeit herausgestellt, ebenfalls als unzureichend qualifiziert hat; denn damit ist dem Erfordernis nicht nachgekommen worden, den Zeitpunkt der Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes nachweislich darzutun. Wenn die Beschwerde dazu vorbringt, der Beschwerdeführer habe am 28. Dezember 1983 geschrieben, „jetzt“ etwas „vorgenommen“ zu haben, woraus sich „gemäß logischer Auslegung“ die Behauptung ergebe, „etwas am 28. 12. 1983 wahrgenommen zu haben“, so muß ihm entgegnet werden, daß die Zeitangabe „erst jetzt“ nicht mit dem durch das Datum des Wiederaufnahmeantrages bezeichneten Tag übereinstimmen muß. Im übrigen ist der Beschwerdeführer offenbar selbst nicht von einer derartig zwingenden Schlußfolgerung ausgegangen, weil er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 31. Juli 1984 ausdrücklich erklärt hat, er könne sich „noch heute genau entsinnen, ... am 20. 12. 1983 Kenntnis vom Wiedereinsetzungsgrund“ (gemeint wohl: Wiederaufnahmegrund) erlangt zu haben.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre nicht berechtigt gewesen, den Wiederaufnahmeantrag mangels Rechtzeitigkeit abzuweisen, nachdem die Behörde erster Instanz einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen habe, kann nicht gefolgt werden, weil die Berufungsbehörde zufolge § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt ist, auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen. Die belangte Behörde war daher berechtigt, dem Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers aus einem anderen Grund als die Behörde erster Instanz keine Folge zu geben. Damit hat die belangte Behörde entgegen der Meinung des Beschwerdeführers schon deshalb nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, weil bei dem vorliegenden Prozeßgegenstand ein Verstoß gegen das genannte Verbot nicht denkbar ist. Im übrigen ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, daß schon die Behörde erster Instanz berechtigt gewesen wäre, dem Wiederaufnahmeantrag ohne weitere Ermittlungen aus jenen Gründen keine Folge zu geben, welche die belangte Behörde zur Abweisung der Berufung veranlaßt haben.
Auch die Unterlassung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde ist schließlich unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG unbeachtlich, führt also nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil der Beschwerdeführer nicht dargetan hat und auch vom Gerichtshof nicht zu erkennen ist, inwiefern die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, wenn sie dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben hätte, zu ihrer Absicht Stellung zu nehmen, dem Wiederaufnahmeantrag aus dem erwähnten, von der erstinstanzlichen Begründung abweichenden Grund keine Folge zu geben.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 8. November 1985
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