VwGH 85/14/0074

VwGH85/14/007412.11.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatepräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde des KP in L, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, Zwergergasse 1, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat, vom 3. September 1980, Zl. 20.691-2/80, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für 1975 bis 1977, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §783;
ABGB §784;
EStG 1972 §16 Abs1 Z1;
EStG 1972 §16 Abs1 Z8;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §6 Z8;
EStG 1972 §6 Z9;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985140074.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erbte als Alleinerbe nach seinem Bruder dessen Vermögen im Gesamtwert von mehr als 6 Mio Schilling. Dieses Vermögen bestand in der Hauptsache aus Betriebsvermögen, zu einem geringeren Teil (neben "reinem" Privatvermögen) aus der Vermietung und Verpachtung dienendem Vermögen.

Den Kindern des Verstorbenen zahlte der Beschwerdeführer zur Abgeltung der Pflichtteilsansprüche einen Betrag von zusammen rund 3 Mio Schilling. Für diese Zahlung ging er eine Bankschuld ein. Die Zinsen für diese Bankschuld machte er in den Abgabenerklärungen für die Streitjahre zur Gänze als Betriebsausgaben geltend, während er im Rechtsmittelverfahren, ausgelöst durch eine Berufung gegen die diese Betriebsausgaben nicht anerkennenden Abgabenbescheide des Finanzamtes, Berücksichtigung als Betriebsausgaben und (anteilig) Werbungskosten begehrte.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid in der Frage der steuerlichen Berücksichtigung der Schuldzinsen keine Folge und rechnete Schulden wie Zinsen der Privatsphäre des Beschwerdeführers zu.

Der Beschwerdeführer erhob zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, doch wies dieser die Beschwerde mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1984, B 528/80, ab. In der nach antragsgemäßer Abtretung ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Anerkennung der erwähnten Schuldzinsen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Erwerb von Nachlaßvermögen durch den Erben berührt nicht dessen Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1972. Er findet vielmehr in der einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen "Privatsphäre" des Erben statt, auch wenn das Nachlaßvermögen ganz oder zum Teil der Einkunftserzielung dient. Rechtsprechung und Schrifttum haben dementsprechend Aufwendungen des Erben, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Nachlaßvermögen standen, grundsätzlich weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten anerkannt (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1956, Zl. 2179/55, Slg. Nr. 1555/F; vom 15. März 1957, Zl. 771/54, Slg. Nr. 1610/F;

vom 20. März 1959, Zl. 1637/57; vom 12. Jänner 1960, Zl. 524/59;

vom 27. Oktober 1980, Zl. 2953/78, und vom 17. November 1980, Zl. 2954/78; Littmann, Das Einkommensteuerrecht13, § 21 Rz 79 a;

Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 16 Abs. 1 Tz 3 und 11 - Stichwort "Erbsauseinandersetzungen, Erbschaftsregelungen" - Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, § 4 Tz 72 und § 16 Tz 22; vgl. auch Stoll, Rentenbesteuerung, S 375 ff). Die Beurteilung des Erbanfalles als einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Vorgang der Privatsphäre führt folgerichtig zu der Auffassung, daß auch durch den Erbanfall ursächlich veranlaßte Schulden der Privatsphäre des Erben zuzuordnen sind und daher (über die Zinsen) ebenfalls keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten bewirken können, auch wenn zum Nachlaß der Einkunftserzielung dienendes Vermögen gehört; für Pflichtteilsschulden im besonderen sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß diese weder ursächlich noch unmittelbar auf Vorgängen beruhten, die den Betrieb beträfen, sondern auf dem außerhalb der betrieblichen Sphäre liegenden Erbfall, und somit keine Betriebsschulden wären (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1978, Zlen. 1085, 1217/76, Slg. Nr. 5317/F; vom 1. Februar 1980, Zlen. 1535 ff/79, vom 28. April 1981, Zl. 3630/80, Slg. Nr. 5578/F; vgl. weiters die hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 1977, Zl. 122/77, vom 6. Juni 1978, Zl. 2913/76, und vom 4. November 1980, Zlen. 804 ff/80; Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O.,§ 6 Tz 53, und Blümich-Falk, Einkommensteuerkommentar11, § 4 Rz 254 und § 6 Rz 464). In Anbetracht des Privatschuldcharakters von Pflichtteilsschulden anerkannte der Gerichtshof die Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben. Für die Anerkennung als Werbungskosten kann nach dem Gesagten nichts anderes gelten (siehe auch nochmals Littmann, a.a.O., § 21 Rz 79a).

1.2. Stellt man nun aber bei der Pflichtteilsschuld aufgrund ihrer außerbetrieblichen Veranlassung im Sinne des Punktes 1.1. den Charakter einer einkommensteuerrechtlich relevanten Schuld in Abrede, so ist diese Eigenschaft auch der zur Abstattung der Pflichtteilsschuld eingegangenen und damit auf denselben Anlaß zurückzuführenden Verbindlichkeit abzusprechen (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1980, Zl. 1535 ff/79; Stoll, a.a.O.; Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., § 6 Tz 53; Herrmann-Heuer-Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer-Kommentar, § 4 Anmerkung 8 i; Littmann, a.a.O., § 21 Rz 79 a).

2. Die Beschwerde vermag keine Gründe aufzuzeigen, die eine von Punkt 1 abweichende Lösung rechtfertigen würden.

2.1. Dem Beschwerdeführer ist zuzubilligen, daß die zur Abdeckung der Pflichtteilsschuld aufgenommene Bankschuld und in der Folge die Schuldzinsen in gewissem Sinn auch durch den ererbten Betrieb bzw. durch das Mietobjekt veranlaßt wurden, zumal die Abstattung der Pflichtteilsschuld die ungehinderte Erzielung von Einnahmen aus den Ertragsobjekten (Betrieb, Mietobjekt) ermöglichte. Es handelt sich damit um einen der auch sonst in Betracht kommenden Fälle, in denen betriebliche (berufliche) und außerbetriebliche Gründe (Anlässe) für eine Disposition des Abgabepflichtigen nebeneinander bestehen. Bei einem Abgabepflichtigen etwa, der sein Eigenheim aus Gründen der Kreditbesicherung für einen langfristigen Betriebskredit verpfändet hat und verpflichtet ist, das Eigenheim in gutem Zustand zu erhalten, sind die Erhaltungsarbeiten zwar letztlich auch durch den Betrieb veranlaßt. Unzweifelhaft dienen sie aber ebenfalls dazu, daß das Eigenheim für den Abgabepflichtigen selbst bewohnbar bleibt. Die von Schrifttum und Rechtsprechung noch der Privatsphäre zugerechnete Berufsausbildung ist z.B. gleichfalls durch den mit der Berufsausbildung angestrebten und sodann ausgeübten Beruf mitveranlaßt. In derartigen Fällen gilt es - wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem den Beschwerdefall betreffenden Erkenntnis zum Ausdruck bringt - betriebliche (berufliche) und außerbetriebliche Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Dabei ist für den Beschwerdefall ausschlaggebend, daß auslösendes Moment, also Anlaß als solcher für die Pflichtteilsschuld und in der Folge für die Annahme der zu ihrer Abdeckung dienenden Bankschuld nicht ein betriebliches (berufliches) Geschehen, sondern der außerbetriebliche Erbanfall war (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom l0. März 1983, Zl. 82/15/0055). Von der in Punkt 1.2. aufgezeigten, auch in Schrifttum und Rechtsprechung vertretenen Rechtsmeinung abzurücken besteht sohin kein Anlaß.

2.2. Die Annahme des Beschwerdeführers, die zur Abgeltung der Pflichtteilsansprüche aufgewendeten Mittel wären Anschaffungskosten des Betriebes bzw. des Bestandobjektes, trifft nicht zu. Es handelt sich vielmehr bei einem Erwerb des Erben von Todes wegen zur Gänze um den unentgeltlichen Erwerb des Nachlasses mit seinen Aktiven und Passiven und nicht etwa um den Erwerb der Aktiven gegen die Übernahme der Passiven (Blümich-Falk, a.a.O., § 6 Rz 464, Stoll, a.a.O., Seite 150 ff, insbesondere Seite 154 f, und Littmann, a.a.O., § 6 Rz 49). Dieser unentgeltliche Erwerb kann auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht einem entgeltlichen Erwerb von der Einkunftserzielung dienendem Vermögen gegen Übernahme von Schulden gleichgesetzt werden, was übrigens bezüglich des Betriebserwerbes auch die unterschiedlichen Regelungen des § 6 EStG 1972 für den entgeltlichen (Z. 8) und für den unentgeltlichen Erwerb (Z. 9) zeigen. Die im Rahmen des unentgeltlichen Erwerbes des Nachlasses übernommenen Passiven führen nicht dadurch, daß sie unter Aufnahme einer anderen Schuld abgestattet werden, zu einem entgeltlichen Erwerb bzw. Anschaffungskosten.

2.3. Dem Beschwerdeführer sei zugegeben, daß es in manchen Fällen zu einer wirtschaftlichen Härte führen kann, wenn Schuldzinsen der in Rede stehenden Art steuerlich nicht berücksichtigt werden. Diese Härte ergibt sich aber (seit Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes 1972) daraus, daß Zinsen für Privatschulden steuerlich schlechthin nicht (mehr) abzugsfähig sind. Der Verknüpfung der Schuldzinsen mit den aus dem ererbten Vermögen zu erwartenden Einkünften ist zudem entgegenzuhalten, daß diese Schuldzinsen mit dem nicht der Einkommensteuer unterliegenden Erbanfall in einem noch engeren Zusammenhang stehen, ein Zusammenhang, der eine Berücksichtigung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten verbietet.

2.4. Das in der für den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19. Mai 1983, IV R 138/79, BStBl. II Seite 380, betrifft keine zur Abstattung einer Pflichtteilsschuld aufgenommene Schuld, sondern eine Kreditaufnahme, die erst an die Stelle einer im Rahmen einer Erbsauseinandersetzung begründeten Ausgleichsschuld trat. Es kann daher durchaus dahingestellt bleiben, ob sich der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsmeinung des Bundesfinanzhofes angeschlossen hätte (siehe - kritisch - Blümich-Falk, a.a.O., § 4 Rz 254).

2.5. Unter Bedachtnahme auf die vorstehenden Erwägungen sieht der erkennende Senat des Verwaltungsgerichtshofes auch keinen Grund, sich der Anregung des Beschwerdeführers folgend gemäß § 13 VwGG zu verstärken.

3. Die Beschwerde, die keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermochte, war vielmehr gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff leg. cit. und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 12. November 1985

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