Normen
§ 4 Abs. 4 EStG
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
§ 7 Abs. 1 EStDV
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, betreibt eine . . . Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin war bestimmt, daß beim Tode eines persönlich haftenden Gesellschafters die Gesellschaft mit einem Erben fortgesetzt wird, daß mehrere Erben bei Vermeidung des Ausschlusses aus der Gesellschaft binnen drei Monaten nach dem Erbfall einen Miterben zu bestimmen haben, mit dem die Gesellschaft fortgeführt wird, und daß der Erbe eines persönlich haftenden Gesellschafters Kommanditist mit dem Kapitalanteil seines Vorgängers wird (§ 14).
Bis zum 21. Dezember 1971 war an der Klägerin u. a. Frau H als Kommanditistin beteiligt. Diese war als Vorerbin ihres 1969 verstorbenen Ehemannes, der persönlich haftender Gesellschafter der Klägerin gewesen war, in die KG eingetreten. Frau H verstarb am 21. Dezember 1971. Sie wurde von ihren drei Töchtern, Frau F, Beigeladene, Frau R und Frau S, zu gleichen Teilen beerbt; diese waren auch -- ebenfalls zu gleichen Teilen -- Nacherben ihres 1969 verstorbenen Vaters.
Durch Vertrag vom 17. März/7. Mai 1972 setzten sich die Beigeladene und ihre beiden Schwestern über den auf sie als Nacherben übergegangenen Kommanditanteil ihrer verstorbenen Mutter in der Weise auseinander, daß der Beigeladenen mit Wirkung vom 21. Dezember 1971 die gesamte Beteiligung übertragen wurde und die Beigeladene sich verpflichtete, als Gegenleistung an ihre beiden Schwestern je eine sofort fällige Barzahlung von 85 000 DM zu leisten.
Zur Finanzierung der nach dem Auseinandersetzungsvertrag vom 17. März/7. Mai 1972 im Zusammenhang mit dem Erwerb der Kommanditbeteiligung zu leistenden Zahlungen an ihre Schwestern nahm die Beigeladene mehrere Darlehen auf. Für diese mußte sie im Streitjahr 1974 Schuldzinsen in Höhe von insgesamt 17 123 DM zahlen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte es im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung der Klägerin für 1974 ab, diese Schuldzinsen als Sonderbetriebsausgaben der Beigeladenen abzuziehen, weil die Erbauseinandersetzung und demgemäß auch die Kreditaufnahme Vorgänge auf privater Ebene seien (Bescheid vom 2. Juni 1976).
Den Einspruch wies das FA zurück. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Darlehenszinsen seien Sonderbetriebsausgaben der Beigeladenen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 481 veröffentlicht.
Mit der Revision, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuließ, beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
1. Schuldzinsen sind bei der Ermittlung gewerblicher Einkünfte als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie durch das Erzielen gewerblicher Einkünfte veranlaßt sind (vgl. § 4 Abs. 4 EStG).
Der Senat hat mit Urteil vom 9. April 1981 IV R 178/80 (BFHE 133, 293/295, BStBl II 1981, 621) bestätigt, daß Zinsen für ein Darlehen, das ein Gesellschafter zur Finanzierung des Erwerbs einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft aufnimmt, Sonderbetriebsausgaben dieses Gesellschafters und als solche bei der Ermittlung des gesondert festzustellenden Gewinns der Personengesellschaft nach § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG abzuziehen sind. Das Urteil hat den entgeltlichen Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft und ein zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommenes Darlehen zum Gegenstand. Im Streitfall sind demgegenüber Schuldzinsen für Kredite zu beurteilen, die ein Gesellschafter im Zusammenhang mit dem (nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- nicht als entgeltliches Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft zu wertenden) Erwerb eines Kommanditanteils im Wege der Erbauseinandersetzung und die hierbei zu leistenden Ausgleichszahlungen an die Miterben aufgenommen hat. Gleichwohl sind auch diese Schuldzinsen nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 133, 293, BStBl II 1981, 621 als Sonderbetriebsausgaben abzugsfähig, weil sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den auf den KG-Anteil entfallenden Gewinnanteilen stehen, also durch das Erzielen gewerblicher Einkünfte veranlaßt sind.
2. Zutreffend betont die Vorentscheidung, daß nach der ständigen Rechtsprechung des BFH
a) Erbfallschulden wie z. B. Vermächtnis- und Pflichtteilsschulden eines Erben einkommensteuerrechtlich auch dann in vollem Umfange Privatschulden sind, wenn zum Nachlaß Betriebsvermögen, z. B. ein gewerbliches Einzelunternehmen oder ein Anteil an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehört (z. B. Urteile vom 26. März 1981 IV R 130/77, BFHE 133, 271/275, BStBl II 1981, 614; vom 26. Februar 1976 I R 150/74, BFHE 118, 337, BStBl II 1976, 378) und
b) Erbfall und Erbauseinandersetzung über ein zum Nachlaß gehöriges gewerbliches Unternehmen oder einen Personengesellschaftsanteil als einheitlicher privater Vorgang zu werten sind und deshalb bei den weichenden Miterben nicht zu einem Veräußerungsgewinn und beim übernehmenden Miterben nicht zu (zusätzlichen) Anschaffungskosten führen, sofern der oder die weichenden Miterben in der Zeit zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung noch nicht in eigener Person die Tatbestandsmerkmale einer Mitunternehmerschaft erfüllten (z. B. Urteil vom 7. Februar 1980 IV R 178/76, BFHE 130, 42/45, BStBl II 1980, 383, mit weiteren Nachweisen).
Geht man hiervon aus, so scheint es nahezuliegen, hieraus
a) nicht nur zu folgern, daß die im Zusammenhang mit einer noch dem Erbfall zuzurechnenden privaten Erbauseinandersetzung begründeten Ausgleichsschulden eines Miterben gegenüber den anderen Miterben in vollem Umfange private Schulden sind (vgl. insoweit für die erbrechtliche Wertausgleichsschuld eines Miterben gegenüber den anderen Miterben bei Eintritt in eine Personengesellschaft kraft sog. qualifizierter Nachfolgeklausel BFHE 133, 271, BStBl II 1981, 614), sondern
b) auch den Schluß zu ziehen, daß bei dem Miterben, der im Rahmen der Erbauseinandersetzung Betriebsvermögen übernimmt, die im Hinblick auf die Tilgung der Ausgleichsschulden gegenüber den anderen Miterben aufgenommenen Kredite wiederum in vollem Umfang private Schulden und die Kreditzinsen deshalb nicht durch die Erzielung (künftiger) gewerblicher Gewinne veranlaßt sind.
Diese rechtlichen Schlußfolgerungen sind jedoch nicht zwingend.
3. Die Vorentscheidung hat sinngemäß ausgeführt, die Kennzeichnung des Erbfalls und der Erbauseinandersetzung als einheitlicher privater Vorgang diene der inhaltlich verkürzten Darstellung von Wertungen, die nur für bestimmte Problembereiche entwickelt worden seien, nämlich für die Beurteilung von Erbfallkosten als Privatausgaben und für die Verneinung einer Gewinnrealisierung im Rahmen einer mit dem Erbfall zeitlich eng verknüpften Erbauseinandersetzung. Zwar sei es konsequent, dem übernehmenden Miterben den Ansatz zusätzlicher Anschaffungskosten für das übernommene Betriebsvermögen zu verwehren, also von einem privaten unentgeltlichen Erwerb mit Buchwertfortführung auszugehen, wenn bei den weichenden Miterben ein Veräußerungsvorgang und damit auch ein Veräußerungsgewinn verneint werde. Es sei jedoch mit der Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG und dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht vereinbar, die Abzugsfähigkeit zweifelsfrei durch gewerbliche Einkünfte aus einem Personengesellschaftsanteil veranlaßter Schuldzinsen als Sonderbetriebsausgaben mit Hilfe einer "steuerlichen Fiktion eines unmittelbaren Vermögensübergangs vom Erblasser auf einen Miterben" auszuschließen; der Anwendungsbereich dieser Fiktion müsse von ihrer Funktion her begrenzt werden.
Diesen Rechtsausführungen des FG ist mit der klarstellenden Einschränkung beizupflichten, daß die Rechtsprechung des BFH zur Erbauseinandersetzung nicht auf einer "echten" Fiktion beruht, d. h. der Besteuerung statt des verwirklichten Sachverhalts unzulässigerweise einen fiktiven Sachverhalt zugrunde legt.
Besteuert wird vielmehr allein der verwirklichte Sachverhalt (Erbauseinandersetzung); diesem werden aber unter bestimmten Voraussetzungen in wertender Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts des Vorgangs Rechtsfolgen beigemessen (Buchwertfortführung), die nach allgemeiner Meinung zweifelsfrei auch eintreten, wenn ein Nachlaß, zu dem Betriebsvermögen gehört, auf einen Alleinerben übergeht und dieser mit Vermächtnisoder Pflichtteilsschulden belastet ist.
Gerade weil es unzulässig ist, der Besteuerung an Stelle des verwirklichten einen fiktiven Sachverhalt zugrunde zu legen und demgemäß die BFH-Rechtsprechung zur Erbauseinandersetzung ihre Rechtfertigung nur in einer wertenden Betrachtungsweise des tatsächlichen komplexen (aus mehreren Einzelvorgängen zusammengesetzten) Geschehens finden kann, erweist es sich als unerläßlich, die Wertung der dem Erbfall nachfolgenden Ereignisse als unselbständiger Annex des Erbfalls nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich eng zu begrenzen und deshalb nicht nur Spätfolgen, sondern auch Sekundärfolgen des Erbfalls auszuklammern. So wie es nicht mehr zulässig ist, eine Erbauseinandersetzung, die erst viele Jahre nach dem Erbfall, also ohne unmittelbaren zeitlichen Bezug zu diesem stattfindet, noch als unselbständigen Teil des Erbfalls und damit als unmittelbaren Erwerb des übernehmenden Miterben vom Erblasser (mit Buchwertfortführung analog § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung -- EStDV --) zu werten (z. B. BFH-Urteile vom 9. August 1973 IV R 133/68, BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84; vom 4. Dezember 1974 I R 149/72, BFHE 114, 364, BStBl II 1975, 295), muß es auch unzulässig sein, eine Darlehensaufnahme (und die Zinsen hierfür) noch wie Erbfallschulden, insbesondere Vermächtnis- und Pflichtteilsschulden zu werten, wenn diese zwar insofern durch den Erbfall und die Erbauseinandersetzung und die dabei begründeten Ausgleichsverpflichtungen gegenüber Miterben verursacht ist, als ohne diese keine Darlehensaufnahme erforderlich gewesen wäre, gleichwohl aber final betrachtet in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit künftigen gewerblichen Einkünften steht. Die Ausklammerung von Sekundärfolgen eines Erbfalls und einer Erbauseinandersetzung, insbesondere von Finanzierungsvorgängen, aus der Wertung der im Rahmen einer Erbauseinandersetzung vollzogenen Veräußerungs- und Erwerbsvorgänge wie einen unmittelbaren Übergang vom Erblasser auf den übernehmenden Miterben durch Erbfall, ist durch die bisherige Rechtsprechung des BFH zu vergleichbaren Fragen bereits vorgezeichnet.
Der I. Senat des BFH hatte mit Urteil vom 14. Februar 1973 I R 131/70 (BFHE 108, 527, BStBl II 1973, 395) einkommensteuerrechtlich über einen Sachverhalt zu befinden, der dadurch gekennzeichnet war, daß die Ehefrau Alleinerbin eines Einzelunternehmens war und zur "Sicherstellung" des Pflichtteilsanspruchs ihrer Tochter dieser eine typische stille Beteiligung an dem zum Nachlaß gehörenden gewerblichen Unternehmen eingeräumt hatte. In der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts ist der I. Senat davon ausgegangen,
a) daß die Pflichtteilsberechtigte bei Begründung der stillen Gesellschaft ihren Pflichtteilsanspruch im Werte von 35 000 DM eingebracht hat, oder anders ausgedrückt, daß die stille Beteiligung an Erfüllungs Statt für den Pflichtteilsanspruch begründet worden ist, und
b) daß die (angemessenen) Gewinnanteile, die hiernach von der das gewerbliche Unternehmen fortführenden Erbin gezahlt werden, bei dieser als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Hieraus folgt, daß eine Schuld, die durch Erbfall entstanden und demgemäß privater Natur ist (Pflichtteilsschuld) sogar bei voller Identität von Gläubiger und Schuldner durch Novation zu einer Betriebsschuld (typische stille Beteiligung) werden kann, und daß insbesondere der Anlaß für die Entstehung der neuen Schuld, nämlich die Ablösung einer privaten Verbindlichkeit, noch nicht dazu zwingt, auch die neue Schuld als private Schuld zu werten.
Wenn aber aus einer (notwendig privaten) Erbfallschuld wie z. B. einer Pflichtteilsschuld durch Novation bei Identität von Gläubiger und Schuldner eine Betriebsschuld und damit das für die Kapitalüberlassung künftig zu entrichtende Entgelt zu Betriebsausgaben werden kann -- hiervon gehen auch der BMF und das FA aus --, so ist es nur folgerichtig, erst recht eine im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines Mitunternehmeranteils stehende Kreditaufnahme, die nicht einmal unmittelbar an die Stelle einer privaten Erbfallschuld, sondern erst an die Stelle einer im Rahmen der Erbauseinandersetzung begründeten (aber ebenfalls noch als privat zu wertenden) Ausgleichsschuld getreten ist, als betrieblich veranlaßt zu beurteilen.