Normen
EStG 1972 §68 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anläßlich einer im November 1983 beim Beschwerdeführer hinsichtlich des Streitzeitraumes durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde eine Lohnsteuernachforderung in Höhe von S 12.184,-- mit der Begründung ermittelt, daß die den Sozialhelferinnen bisher steuerfrei gewährten Erschwerniszulagen der Besteuerung zu unterwerfen seien. Gegen den vom Finanzamt auf der Basis der Prüfung erlassenen Haftungs- und Zahlungsbescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. In dieser wurde ausgeführt, die Sozialhelferinnen hätten die "Hauskrankenpflege" alter und gebrechlicher Leute zu besorgen. Diese umfasse die Wundpflege, den Verbandwechsel, die Verabreichung von Einläufen und Medikamenten sowie weiters die Körperpflege (Waschen, Baden, Nägelschneiden). Eine Erschwernis bestehe "durch körperliche Überanstrengung bei bettlägrigen Personen (das Umbetten, Baden, Anziehen, usw.)". Alle diese Arbeiten seien mit jenen des Pflegepersonals für Altersheime und Pflegeanstalten zu vergleichen.
Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist dasselbe der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Im Zuge eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde die Sozialhilfeschwester TW vernommen, welche am 22. August 1985 folgendes zu Protokoll gab:
"Meine Tätigkeit kann folgendermaßen umschrieben werden:
Körperpflege der bettlägrigen und behinderten, alten und kranken Menschen, insbesondere bestehend aus Waschen des ganzen Körpers, miteinbezogen die Haare, das Schneiden der Finger- und Zehennägel, die Dekubitus Prophylaxe (Verhindern des Wundliegens), Verabreichung von Klysma (Einlauf geben) samt Nebenarbeiten, Bett- und Körperwäsche wechseln, die Versorgung der Wunden, die Verabreichung der verordneten Medikamente und deren Besorgung, das Behilflichsein beim Essen. Alle diese Arbeiten sind mit großer körperlicher Anstrengung verbunden, da diese Leute meist unbeweglich, verkrampft und auch übergewichtig sind und daher mit einer hohen Erschwernis verbunden. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Betten dieser alten Leute nicht dazu geeignet sind eine leichte Pflege durchzuführen, da Hebevorrichtungen fehlen, und die Konstruktion der Betten nicht zweckmäßig ist. Die Pflege in einem Altenheim, wo derartige Betten vorhanden sind, ist sicherlich wesentlich leichter durchzuführen. Schließlich möchte ich darauf hinweisen, daß jede Altenhelferin auf sich allein gestellt ist und diese Arbeiten daher allein ausführen muß, im Gegensatz zu Altenheimen, wo ein Umbetten regelmäßig zu zweit vorgenommen wird, so es erforderlich ist.
Insbesondere bei Stuhl- und Harnentleerung bzw. bei Dekubitus Prophylaxe ist eine hohe Infektionsgefahr gegeben.
Die Verwaltungsarbeiten sind von ganz untergeordneter Bedeutung, meine praktische Tätigkeit und auch die aller Mitarbeiterinnen umfaßt ausschließlich Hausbesuche, verbunden mit den genannten Tätigkeiten."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und begründend im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Strittig sei, ob die als steuerfrei gewährten Erschwerniszulagen der Sozialhelferinnen den Bestimmungen des § 68 EStG 1972 entsprechen würden oder nicht.
Laut § 2 der Statuten des Beschwerdeführers sei sein Zweck die Betreuung alter bzw. hilfloser Menschen, sowie von Familien bzw. Müttern in Notsituationen. In den Dienstverträgen, welche der Beschwerdeführer mit den Sozialhelferinnen abschließe, sei deren Tätigkeit folgendermaßen umschrieben:
"Der Dienstnehmerin obliegen Arbeiten gemäß den Statuten des Sozialhilfevereines M z. B. die Betreuung alter, hilfloser und kranker Menschen in deren Wohnung, Mitarbeit bei der Aktion "Essen auf Räder" u.a.".
Für die Beurteilung der Steuerfreiheit der Erschwerniszulage sei die Legaldefinition des § 68 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 maßgebend. Danach müßten sich die Arbeitsbedingungen der "mit der Erschwerniszulage bedachten Personen" von den üblichen Arbeitsbedingungen erheblich unterscheiden. Es müßten zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen in einer bestimmten Berufssparte im einzelnen Fall Arbeitsverrichtungen treten, die eine besondere Erschwernis gegenüber den in dieser Berufssparte sonst üblichen Arbeitsbedingungen darstellten.
Die Tätigkeit der Sozialhilfeschwestern könne mit der des Pflegepersonals in Altersheimen oder Spitälern nicht verglichen werden, da das Aufgabengebiet der Sozialhelferinnen nicht nur die Altenbetreuung sondern auch die Betreuung von Familien bzw. Müttern in Notsituationen einschließe. Es werde außerdem eine "gesamtmenschliche (physische und psychische) Betreuung" der Hilfsbedürftigen angestrebt. Die verrichteten Arbeiten rechtfertigten "daher" nicht die Gewährung von Erschwerniszulagen, da unter einer solchen eine Zulage zu verstehen sei, die eine außergewöhnliche Erschwernis im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen "abgelte".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorliegendenfalls ist nicht strittig, daß die fraglichen, in den Streitjahren den beim Beschwerdeführer tätigen Sozialhelferinnen ausbezahlten Beträge jeweils den Freibetrag des § 68 Abs. 1 EStG 1972 von S 5.070,-- monatlich nicht übersteigen, sodaß, wenn diesen Beträgen die Qualifikation einer Erschwerniszulage im Sinne des § 68 EStG 1972 zukommt - und ob dies der Fall ist oder nicht stellt den einzigen Streitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dar - dafür Steuerfreiheit gegeben wäre.
Im § 68 Abs. 2 EStG 1972 führt der Gesetzgeber näher aus, welche Teile des Arbeitslohnes unter den im ersten Absatz dieser Bestimmung angeführten drei Arten von Zulagen zu verstehen sind. Darnach liegt eine im Streitfall allein in Rede stehende Erschwerniszulage vor, wenn sie dem Arbeitnehmer deshalb gewährt wird, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen.
Der Gerichtshof teilt nun die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, daß der oben erwähnte Vergleich im gegebenen Fall jedenfalls soweit es sich um die Betreuung alter und kranker Personen durch die Sozialhelferinnen handelt - nur ein Vergleich mit den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal in Altersheimen und Pflegeanstalten sein kann. Eine außerordentliche Erschwernis gegenüber diesen Arbeitsbedingungen ergibt sich nach den Ausführungen des Beschwerdeführers in Übereinstimmung mit den Angaben der als Auskunftsperson vernommenen TW im wesentlichen in zwei Punkten:
1. Die Sozialhelferin ist im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Betreuung alter und kranker Personen auf sich allein gestellt; dies gilt
a) sowohl für rein körperliche Arbeiten, wie das Heben und Legen mehr oder minder bewegungsunfähiger Menschen, als
b) auch für medizinische Entscheidungen etwa im Rahmen der Wundversorgung etc., wo sie nicht kurzfristig etwa einen Anstaltsarzt zuziehen kann;
2. der Sozialhelferin stehen jene Arbeitserleichterungen nicht zur Verfügung, wie sie in Heimen und Anstalten z. B. durch das Vorhandensein entsprechend eingerichteter Krankenbetten gegeben sind.
Daß die Sozialhelferinnen des Beschwerdeführers unter derartigen Arbeitsbedingungen tätig werden müssen, hat die belangte Behörde konkret nicht in Abrede gestellt. Der Gerichtshof vermag sich der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu verschließen, daß die oben genannten Gegebenheiten, unter welchen die Sozialhelferinnen arbeiten, in ihrer Gesamtheit gesehen durchaus eine "außerordentliche Erschwernis" gegenüber den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen von vergleichbaren Pflegepersonalen in Altersheimen und Pflegeanstalten darstellen können. Das Bestehen einer solchen außerordentlichen Erschwernis bewirkt aber die angestrebte Steuerfreiheit der strittigen Zulagen nur dann, wenn, wie das Gesetz normiert, die zu leistenden Arbeiten überwiegend unter den die Annahme einer außerordentlichen Erschwernis rechtfertigenden Umständen erfolgen.
Es ist daher unerläßlich zu prüfen, ob die Tätigkeit der Sozialhelferinnen überwiegend in der Betreuung mehr oder weniger hilfloser Personen besteht, die mit der oben angeführten außerordentlichen Erschwernis verbunden ist, oder ob sich ihre Arbeitsverrichtungen zum Großteil - was allerdings im Gegensatz zu den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen stehen würde - auf die angeblich auch zum Tätigkeitsbereich der Sozialhilfeschwestern gehörende Unterstützung von Familien und hier etwa nur auf die Beaufsichtigung von Kindern während der Abwesenheit der Eltern etc. beschränkt.
Da die belangte Behörde derartige Ermittlungen unterließ, erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985. Der Schriftsatzaufwand konnte allerdings nur in der beantragten Höhe, nämlich auf der Basis der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981, zugesprochen werden.
Wien, am 21. Jänner 1987
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