VwGH 85/13/0108

VwGH85/13/010816.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl, über die Beschwerde des GH in W, vertreten durch Dr. Günter Blecha, Rechtsanwalt in Wien VIII, Auerspergstraße 7, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Mai 1985, Zl. GA 10-1837/85, betreffend Aufhebung einer Berufungsvorentscheidung gemäß § 299 Abs. 2 BAO, sowie vom 4. Juni 1985, Zl. GA 6/1-1050/85, betreffend Zurücknahme der Berufung gegen den Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheid für die Jahre 1981 und 1982, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §250;
BAO §275;
BAO §279;
BAO §299;
BAO §250;
BAO §275;
BAO §279;
BAO §299;

 

Spruch:

Die Beschwerde gegen den erstgenannten Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob gegen die im Anschluß an eine Betriebsprüfung ergangenen Abgabenbescheide betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1981 und 1982 Berufung. Da diese Berufung unbestritten nicht den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 BAO entsprach, trug das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15. Mai 1984 (zugestellt am 17. Mai 1984) die Behebung der Mängel bis 1. Juni 1984 auf. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist als zurückgenommen gelte.

Da der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag nicht nachkam, sprach das Finanzamt mit Bescheid vom 19. Juni 1984 aus, daß die Berufung gegen die Abgabenbescheide als zurückgenommen gelte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer ebenfalls Berufung folgenden Inhaltes:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beziehen uns auf die mehrfach mit ihrem Amte geführten persönlichen und telefonischen Gespräche und dürfen Ihnen mitteilen, daß, wie seinerzeit mit Ihnen vereinbart, die Unterlagen an Ihr Finanzamt, Betriebsprüfungsstelle, übergeben wurden.

Außerdem war der im Betreff genannte Steuerpflichtige ab dem 16. April 1984, dem Zeitpunkt der Berufungseinbringung gegen den Betriebsprüfungsbescheid, mehrmals persönlich beim Finanzamt und hat nach seinen Aussagen die einvernehmenden Beamten der Betriebsprüfungsstelle, der Berufungsstelle und auch der Einbringungsstelle in seiner Angelegenheit informiert.

Wir ersuchen, diesem Schreiben die Wirkung einer Berufung gegen den im Betreff genannten Bescheid zuerkennen zu wollen."

Das Finanzamt gab dieser Berufung mit Berufungsvorentscheidung statt und setzte die ursprüngliche Mängelbehebungsfrist mit zehn Tagen ab Zustellung der Berufungsvorentscheidung neu fest.

In Ausübung ihres Aufsichtsrechtes hob die belangte Behörde die Berufungsvorentscheidung gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Da die Berufung gegen den Bescheid, mit dem die Berufung gegen die Abgabenbescheide als zurückgenommen erklärt wurde (in der Folge kurz als Zurücknahmebescheid bezeichnet), ebenfalls verbesserungsbedürftige Mängel aufgewiesen habe, hätte auch hinsichtlich dieser Berufung ein Mängelbehebungsauftrag erlassen werden müssen. Insbesondere habe es an einem bestimmten Berufungsbegehren gefehlt. Weiters habe das Finanzamt übersehen, daß eine bereits abgelaufene Frist nicht mehr verlängert werden könne. Vielmehr sei ein Fristverlängerungsantrag, der nach Ablauf der zu verlängernden Frist beim Finanzamt einlange, abzuweisen. Im übrigen enthalte aber der als Berufung bezeichnete Schriftsatz des Beschwerdeführers gar keinen Fristverlängerungsantrag.

Außerdem wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Zurücknahmebescheid, die durch die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung wiederum unerledigt war, ab.

Sowohl gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO als auch gegen die Abweisung der Berufung gegen den Zurücknahmebescheid hat der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben. Der Gerichtshof hat beide Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Aufhebung der Berufungsvorentscheidung:

Die belangte Behörde hat ihre dienstaufsichtsbehördliche Maßnahme u.a. damit begründet, daß auch die Berufung gegen den Zurücknahmebescheid behebungsbedürftige Mängel aufgewiesen habe. Der Gerichtshof teilt diese Auffassung. Enthält doch die Berufung keine Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten und welche Änderungen beantragt wurden. Sie erschöpft sich vielmehr in der Mitteilung, daß dem Finanzamt nicht näher bezeichnete Unterlagen übergeben worden seien und daß der Beschwerdeführer mehrmals beim Finanzamt vorgesprochen und die Beamten informiert habe. Über den Inhalt der Unterlagen oder die Information wird keine Aussage getroffen. Auch fehlt es der Berufung an einem bestimmten Begehren.

Gemäß § 275 BAO hat die Abgabenbehörde in Fällen, in denen eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 umschriebenen Erfordernissen entspricht, dem Berufungswerber die Aufhebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages ist die Abgabenbehörde daher verpflichtet, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Entscheidet sie ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages, so ist die Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. Stoll, BAO, S. 659 f, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).

Daraus folgt, daß die von der belangten Behörde gemäß § 299 BAO aufgehobene Berufungsvorentscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet war, weil mit ihr eine Entscheidung getroffen wurde, bevor Klärung über das Berufungsbegehren erzielt worden war. Die Aufhebung erfolgte daher schon aus diesem Grund zu Recht. Abgesehen davon war die Berufungsvorentscheidung jedoch auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Zu Recht hat die belangte Behörde festgestellt, daß eine Frist nicht mehr verlängert werden kann, wenn ein Antrag auf Fristerstreckung erst nach Ablauf der ursprünglich bestimmten Frist gestellt wird. Die belangte Behörde hat die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung offensichtlich vorrangig auf diese inhaltliche Rechtswidrigkeit gestützt, indem sie sich auf die Bestimmung des § 299 Abs. 2 BAO berufen hat. Die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung erfolgte daher jedenfalls zu Recht.

2. Abweisung der Berufung gegen den Zurücknahmebescheid:

Unter Punkt 1 wurde dargelegt, daß die Abgabenbehörde erster Instanz verpflichtet war, mit Rücksicht auf die behebungsbedürftigen Mängel der Berufung gegen den Zurücknahmebescheid einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Diese Verpflichtung gilt gemäß § 279 BAO gleichermaßen für die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die belangte Behörde war daher verpflichtet, vor Erlassung einer Berufungsentscheidung, betreffend die Berufung gegen den Zurücknahmebescheid, einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen bzw. die Erteilung eines solchen durch das Finanzamt zu veranlassen. Dessenungeachtet hat sie - ohne dies zu tun - über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Zurücknahmebescheid eine Sachentscheidung getroffen. Ihr ist damit eben jene Rechtswidrigkeit unterlaufen, die sie in ihrem Aufhebungsbescheid dem Finanzamt vorgeworfen hat. Der zweitangefochtene Bescheid wurde somit unter Verletzung von Verfahrensvorschriften erlassen und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 16. Dezember 1987

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