VwGH 85/07/0292

VwGH85/07/029227.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger über die Beschwerde der HM in Z, vertreten durch Dr. Franz Kampel, Rechtsanwalt in Neulengbach 2, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Mai 1985, Zl. VI/3- AO-167/126, betreffend Zusammenlegung Z, Kostenbeitrag (mitbeteiligte Partei: Zusammenlegungsgemeinschaft Z, vertreten durch den Obmann EH in Z), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §8 Abs2;
FlVfLG NÖ 1975 §115 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §61 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §8 Abs2;
FlVfLG NÖ 1975 §115 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §61 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. April 1985 wies die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (ABB) unter Spruchpunkt 1) den am 21. August 1984 bei der Behörde eingelangten Antrag der Beschwerdeführerin vom 15. August 1984, sie von den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens Z zu befreien, gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) wegen entschiedener Sache zurück und entschied unter Spruchpunkt 2) gemäß § 116 Abs. 1 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-2 (FLG), daß die der Beschwerdeführerin von der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Zusammenlegungsgemeinschaft zugestellten Beitragsvorschreibungen vom 30. November 1984 (12., 13. und 14. Rate), vom 30. August 1984 (15. Rate) und vom 28. Dezember 1984 (16. Rate) zu Recht bestünden.

Über die Berufung der Beschwerdeführerin entschied hierauf der Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Erkenntnis vom 21. Mai 1985, indem er den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) sowie § 115 Abs. 3 FLG mit der Maßgabe bestätigte, daß der Antrag der Beschwerdeführerin, sie von den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens zu befreien, abgewiesen wurde. Begründend erklärte die Rechtsmittelbehörde, von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die Beschwerdeführerin sei Eigentümerin einer aus fünf Besitzstücken bestehenden Grundabfindung im Wert von 20.325,90 Punkten. Sie sei bislang zur Bezahlung der auf sie entfallenden Raten der Kosten des Zusammenlegungsverfahrens (1. bis 11. Rate) verpflichtet worden. Das rechtskräftige Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 17. Jänner 1984, mit welchem der Bescheid der ABB über die 2. bis 9. Rate bestätigt worden sei, befasse sich auch mit der Frage, ob eine Befreiung der Beschwerdeführerin von den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten erfolgen müsse. Die Rechtsmittelbehörde sei dabei zu dem Schluß gekommen, daß eine Kostenbefreiung zur Vermeidung von Härten nicht erforderlich sei, da durch das Zusammenlegungsverfahren die Anzahl der Besitzstücke der Beschwerdeführerin in überdurchschnittlichem Ausmaß vermindert worden und auch eine Formverbesserung der Grundstücke sowie eine Verbesserung der Zufahrtverhältnisse eingetreten sei. Die Beschwerdeführerin habe erstmals am 21. August 1984 einen Kostenbefreiungsantrag aus sozialen Erwägungen bei der ABB eingebracht, nämlich jenen, der die Grundlage des erstinstanzlichen Bescheides vom 2. April 1985 bilde.

Die im Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 17. Jänner 1984 getroffene Feststellung, es sei eine Kostenbefreiung der Beschwerdeführerin zur Vermeidung offensichtlicher und unbilliger Härten nicht erforderlich, habe sich nur auf den Zusammenlegungserfolg für den Grundbesitz der Beschwerdeführerin bezogen. Es liege daher über die Frage der Kostenbefreiung aufgrund persönlicher Verhältnisse der Beschwerdeführerin (Krankheit, Verpachtung als Existenzgrundlage) eine rechtskräftige Entscheidung nicht vor, weshalb die insoweit erfolgte Zurückweisung des Kostenbefreiungsantrages wegen entschiedener Sache verfehlt sei. Eine nähere Bestimmung, was das Gesetz unter "offensichtlichen und unbilligen Härten" gemäß § 115 Abs. 3 FLG verstehe, fehle in diesem. Doch sei dem FLG eine unterschiedliche Regelung der Rechte und Pflichten der einzelnen Parteien unter Bedachtnahme auf ihre persönlichen Verhältnisse fremd. Daher könne auch das Bestehen von offensichtlichen und unbilligen Härten, die eine Kostenbefreiung rechtfertigten, nur aufgrund sachbezogener Tatbestandsmerkmale, unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Beitragspflichtigen, beurteilt werden. Bei Vorliegen widriger persönlicher Umstände, welche die Zahlungsfähigkeit eines Eigentümers von Grundflächen im Zusammenlegungsverfahren beeinträchtigten, könne es tatsächlich zu den von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Schwierigkeiten kommen, daß zur Bezahlung von Verfahrenskosten Hypotheken aufgenommen oder sogar Grundflächen veräußert werden müßten, wodurch die weitere Existenzgrundlage geschmälert werde. Dennoch dürften die Agrarbehörden mangels gesetzlicher Deckung Kostenbefreiungen aus sozialen Gründen nicht gewähren. Deshalb habe auch im Berufungsbegehren im vorliegenden Fall ein Erfolg versagt bleiben müssen. Der Abspruch im erstinstanzlichen Bescheid über die Kostenbeiträge sei bezüglich Beitragsgrundlage, Hebesatz und rechnerischer Richtigkeit unangefochten geblieben.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Befreiung von den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens gemäß § 115 Abs. 3 FLG verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Erkenntnis die erstinstanzliche Zurückweisung eines Antrages in dessen Abweisung abgeändert. Im Fall der Zurückweisung eines Antrages ist Sache der Berufungsentscheidung jedoch nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Berufungsbehörde ist es verwehrt, den unterinstanzlichen Bescheid - wie im Beschwerdefall geschehen - in eine Sachentscheidung abzuändern (siehe dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, S. 440, angeführte Rechtsprechung). Schon aus diesem Grund ist die Beschwerde im Ergebnis zu Recht erhoben worden.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:

Wenn - wovon die belangte Behörde im angefochtenen Erkenntnis ausgegangen ist - bereits mit ihrem Erkenntnis vom 17. Jänner 1984, Zl. VI/3-AO-167/77, über die Frage, ob die Beschwerdeführerin gemäß § 115 Abs. 3 FLG von den Kosten des Zusammenlegungsverfahrens ganz oder teilweise zu befreien sei, rechtskräftig entschieden wurde, wäre die Zurückweisung eines die Kostenbefreiung betreffenden Antrages wegen entschiedener Sache nur dann nicht gerechtfertigt, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten wäre (siehe dazu die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 464, verzeichnete Rechtsprechung). Daß das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 15. August 1984 für die Frage einer Kostenbefreiung rechtserhebliche neue Sachverhaltselemente beträfe, wurde im angefochtenen Erkenntnis indessen verneint. Hiezu wird in Hinsicht der Regelung des § 115 Abs. 3 FLG auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juli 1979, Slg. 9909/A, und vom 13. Jänner 1987, Zl. 86/07/0095, verwiesen.

Das angefochtene Erkenntnis war nach dem oben Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 576, erwähnte Judikatur).

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Der getätigte Aufwand an Stempelgebühren (in der Höhe von S 420,--), von deren Entrichtung die Beschwerdeführerin mit der der Beschwerdeerhebung vorausgegangenen Bewilligung der Verfahrenshilfe befreit worden war, konnte nicht vergütet werden (vgl. dazu die Rechtsprechung bei Dolp, a.a.O., S. 686).

Wien, am 27. Juni 1989

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