VwGH 85/02/0122

VwGH85/02/012225.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde des KF in B, vertreten durch Dr. Monika Holzinger, Rechtsanwalt in Braunau/Inn, Stadtplatz 36, gegen die in einer Ausfertigung zusammengefaßten Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich und der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. November 1984, Zl. VerkR-24.384/1-1984-II/ Sa/Rö, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (Bescheid des Landeshauptmannes) und Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (Bescheid der Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §36 lite;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z1;
KFG 1967 §36 lite;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund sowie dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von je S 1.200,-- (somit insgesamt S 2.400,--,) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den in einer Ausfertigung zusammengefaßten Bescheiden des Landeshauptmannes von Oberösterreich und der Oberösterreichischen Landesregierung (belangte Behörde) vom 26. November 1984 wurde der Beschwerdeführer in Instanzenzug für schuldig befunden, 1) am 27. November 1983 um 4.30 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Braunau/Inn vor dem Hause Laabstraße Nr. 10 gelenkt, ohne am Fahrzeug eine vorschriftsmäßige Begutachtungsplakette angebracht zu haben, weil diese mit 4/83 gelocht gewesen sei, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. e KFG begangen zu haben (Bescheid des Landeshauptmannes) sowie 2) um 5 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Hause Braunau/Inn, Laabstraße Nr. 10, gegenüber einem Gendarmeriebeamten, einem von der Behörde hiezu ermächtigten und besonders geschulten Organ der Straßenaufsicht, die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert zu haben, obwohl vermutet werden konnte, daß er das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen zu haben (Bescheid der Landesregierung). Über den Beschwerdeführer wurden zwei Geldstrafen (zu 1. S 400,-- und zu 2. S 8.000,--) verhängt und Ersatzarreststrafen (zu 1. 24 Stunden und zu 2. 20 Tage) festgesetzt.

In der Begründung führten die belangten Behörden im wesentlichen aus, wenn der Beschwerdeführer vorbringe, daß er nur auf einem Privatparkplatz gefahren sei, so sei dazu auszuführen, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Frage, ob eine Straße mit öffentlichem Verkehr vorliege, nur auf ihre Benützung und nicht auf die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund ankomme. Vielmehr könne davon ausgegangen werden, daß es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet sei, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt seien. Aus dem alleinigen Umstand, daß eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern befahren werden dürfe, zum Beispiel nur von Anrainern, könne nicht geschlossen werden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handle. Im konkreten Fall stehe bei den Zufahrten das Hinweiszeichen "Parken" mit dem Zusatz "Nur für Hausbewohner". Es sei somit nicht verboten, zum Parkplatz zuzufahren und dort zu halten, insbesondere eine Ladetätigkeit durchzuführen. Daß eine Alkoholbeeinträchtigung vorgelegen sei, sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden, die Voraussetzungen zur Aufforderung zur Durchführung eines Alkotestes seien sohin gegeben gewesen, den der Beschwerdeführer aber verweigert habe.

Zur Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. e KFG wurde in der Begründung ausgeführt, mit seinem Vorbringen habe der Beschwerdeführer selbst zugegeben, daß die Plakette mit April 1983 "gezwickt" worden sei, er habe sich aber nach seinem Vorbringen in gutem Glauben befunden. Die Übertretung der zitierten Gesetzesstelle stelle ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 dar. § 102 KFG verpflichte den Fahrzeuglenker, sich vor Inbetriebnahme seines Fahrzeuges davon zu überzeugen, daß das von ihm zu lenkende Fahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspreche. Da sich der Beschwerdeführer um die Begutachtungsplakette nicht gekümmert habe, habe er somit sorgfaltswidrig gehandelt und damit den Straftatbestand nach § 36 lit. e KFG erfüllt. Der Beweis, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, insbesondere deshalb, weil sich weder der angeführte Zeuge H. (an den vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhalt) erinnert habe und somit einen Beweis hätte liefern können, noch den Beschwerdeführer selbst von seiner Unschuld überzeugen hätte können, daß dieser anläßlich einer Verkehrskontrolle vom 28. Februar 1984 eine Strafe wegen eben dieser Beanstandung beglichen und erst hierauf die Plakette erneuern lassen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die beiden belangten Behörden haben eine gemeinsame Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick darauf, daß beide dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretungen das Vorliegen einer Straße mit "öffentlichem" Verkehr zur Voraussetzung haben (vgl. § 1 Abs. 1 StVO sowie § 1 Abs. 1 KFG) erscheint es zweckmäßig, zunächst auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen.

Gemäß § 1 Abs. 1 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gilt als Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.

Was nun den Begriff der "Straße mit öffentlichem Verkehr" anlangt, so verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine folgende Rechtsprechung: Für diese Wertung ist ein Widmungsakt oder ein langer Gemeingebrauch nicht entscheidend, sondern lediglich das Merkmal des Fußgänger- oder Fahrzeugverkehrs; eine Straße kann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn einerseits jedermann faktisch in der Lage ist, die Straße zu benützen, und anderseits keine für die Straßenbenützer sichtbaren Hinweise dafür Vorhanden sind (Hinweiszeichen oder Schranken), daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt. Es kann davon ausgegangen werden, daß es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind. Aus dem einzigen Umstand, daß eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern befahren werden darf, z.B. nur von Anrainern, kann nicht geschlossen werden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt.

Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, daß irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offenstehen muß; nicht aber kann der Begriff der Benützung unter den gleichen Bedingungen so ausgelegt werden, daß die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis allein der Straße den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche entzöge; bei einer solchen Auslegung träte diese Folge nämlich immer dann schon ein, wenn z. B. Zufahrts-, Park- oder Haltebeschränkungen zugunsten eines sachlich oder persönlich umschriebenen Kreises von Benützern durchbrochen werden (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1978, Zl. 2370/77, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, beim Vorplatz vor dem Hause Laaberstraße Nr. 10 handle es sich um keine Straße mit öffentlichem Verkehr, weil dieser mit dem Hinweiszeichen "Parken" mit dem Zusatz "Nur für Hausbewohner" versehen sei, ist somit unrichtig. Daran könnte auch der vom Beschwerdeführer behauptete Umstand, Organe der Straßenaufsicht hätten sich bei Unfällen auf diesem "Vorplatz" mangels einer Straße mit "öffentlichem" Verkehr geweigert, einzuschreiten, nichts zu ändern. Sollte dieses Vorbringen aber in Hinsicht auf ein behauptetes Fehlen eines Verschuldens zu verstehen sein, so steht ihm das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG entgegen, da der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren derartiges nicht vorgebracht hat. Daß aber eine "Straße" im Sinne des obzitierten § 2 Abs. 1 Z. 1 StVO verliegt, kann entgegen der nicht weiter ausgeführten Ansicht des Beschwerdeführers beim vorliegenden Sachverhalt nicht zweifelhaft sein. Da der Beschwerdeführer im übrigen nicht bestreitet, daß die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StVO vorlagen, erweist sich die Beschwerde insoweit als unbegründet.

Gemäß § 36 lit. e KFG dürfen Kraftfahrzeuge (unbeschadet weiterer Bestimmungen über die Verwendung von Kraftfahrzeugen) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn bei im § 57 a Abs. 1 lit. a bis g angeführten zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen, soweit sie nicht unter § 57 a Abs. 1 letzter Satz fallen, eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette (§ 57 a Abs. 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.

Das gegenständliche Fahrzeug fällt unter die in § 57 a Abs. 1 lit. b KFG angeführten Personenkraftwagen.

Nach § 57 a Abs. 5 KFG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 9. KFG-Novelle) ist am Fahrzeug nach der im Rahmen der wiederkehrenden Begutachtung erfolgten Prüfung und Feststellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit eine Begutachtungsplakette so anzubringen, daß das Ende der gemäß Abs. 3 für die nächste wiederkehrende Begutachtung festgesetzten Frist außerhalb des Fahrzeuges stets leicht festgestellt werden kann. Nach dem Zusammenhang von § 36 lit. e und § 57 a Abs. 5 KFG ist das auf der Plakette aufscheinende (gelochte) Datum des Fristendes von wesentlicher Bedeutung. Ist nämlich die darauf ersichtliche Frist abgelaufen und überdies die nach § 57 a Abs. 3 KFG in der oben angeführten Fassung eingeräumte Toleranzfrist von sechs Monaten, innerhalb der die Überprüfung noch nachgeholt werden kann, verstrichen, so darf das Fahrzeug nicht mehr auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden. Aus der Bestimmung des § 36 lit. e KFG ergibt sich damit unmißverständlich, daß die Zulässigkeit der Verwendung eines unter diese Regelung fallenden Fahrzeuges davon abhängt, daß am Fahrzeug eine gültige Begutachtungsplakette angebracht ist, d.h. eine solche, aus der jederzeit zu entnehmen ist, daß die Begutachtungsfrist (samt Nachfrist von sechs Monaten) noch nicht abgelaufen ist. Fehlt daher die Plakette oder enthält sie ein Fristende, aus der sich ihre Ungültigkeit ergibt, so darf das Fahrzeug nicht auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet werden. Es kommt somit nicht darauf an, ob allenfalls eine Begutachtung fristgerecht erfolgt ist und der Fahrzeuglenker Anspruch auf die Anbringung einer gültigen Plakette hat. Der Fahrzeugbesitzer hat darauf zu achten, daß sich auf seinem Fahrzeug eine gültige Begutachtungsplakette befindet, wenn er es auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr benützt. Wird daher, wie es der Beschwerdeführer behauptet, z.B. von der die Begutachtung durchführenden Stelle eine unrichtig gelochte Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht, so hat er dafür zu sorgen, daß die Lochung entsprechend berichtigt wird. Unterläßt er dies, verwendet das Fahrzeug aber trotzdem nach Ablauf der auf der Plakette aufscheinenden Frist (samt Toleranzfrist), so macht er sich der Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. e KFG schuldig (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1981, Zl. 81/03/0069).

Zu Recht hat der Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde darauf verwiesen, daß es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. e KFG um ein Ungehorsamsdelikt handelt, das auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1984, Zl. 84/02B/0058), sodaß der Beschwerdeführer einen Entlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG zu erbringen gehabt hätte. Auch wenn man, dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgend, davon ausgeht, daß sich der mit der Überprüfung betraute Gewerbetreibende "verzwickt" hätte und auch bei einer Überprüfung seitens des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung die Plakette nicht beanstandet worden sei, so kann darin nicht der Nachweis erblickt werden, daß dem Beschwerdeführer damit die Einhaltung des § 36 lit. e KFG ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, zumal dem Beschwerdeführer die ihm pflichtgemäß obliegende Kontrolle der am Fahrzeug angebrachten Begutachtungsplakette ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre.

Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren der belangten Behörden hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, da ein solcher für die gemeinsame Gegenschrift nur im Gesamtbetrage von S 2.000,-- gebührt.

Wien, am 25. April 1985

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