VwGH 84/16/0165

VwGH84/16/016522.11.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Närr, Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde der AG & Co. in Hamburg, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann und Dr. Eduard Klingsbigl, Rechtsanwälte in Wien I, Singerstraße 27/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 19. Juni 1984, Zl. B 27-8/83, betreffend Abweisung eines Ansuchens um Erlaß einer Ersatzforderung im gemeinschaftlichen Versandverfahren aus Billigkeitsgründen, zu Recht erkannt:

  

Normen

B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
VersandverfahrenDG 1973 §2 Abs1 idF 1977/332 1980/257;
VersandverfahrenV 1977 Art11 lita;
ZollG 1955 §119 Abs1;
ZollG 1955 §119 Abs3;
ZollG 1955 §174 Abs3 lita;
ZollG 1955 §183 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
VersandverfahrenDG 1973 §2 Abs1 idF 1977/332 1980/257;
VersandverfahrenV 1977 Art11 lita;
ZollG 1955 §119 Abs1;
ZollG 1955 §119 Abs3;
ZollG 1955 §174 Abs3 lita;
ZollG 1955 §183 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

  

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die deutsche Abgangszollstelle Hauptzollamt Hamburg - Ericus - Zollamt Niederbaum am 16. Juli 1982 mit Versandschein T 1, Nr. 785, 300 Säcke Rohkaffee im Rohgewicht von 21.049 kg zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren unter Sicherung der Nämlichkeit durch Raumverschluß (Zollblei B 439) abgefertigt. Diese im Versandschein angeführte Ware war nach der unbestrittenen Aktenlage der Bestimmungszollstelle, dem Zollamt Spielfeld, am 19. Juli 1982 mit verletztem Zollverschluß gestellt worden.

Mit an die beschwerdeführende Partei gerichtetem Bescheid vom 28. Juli 1982 hatte das Zollamt Spielfeld unter Berufung auf den § 119 Abs. 1 Zollgesetz 1955 (ZollG) in Verbindung mit dessen § 3 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 des Versandverfahren-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 600/1973, eine Ersatzforderung von S 95.200,-- an Einfuhrumsatzsteuer und S 3.570,-- an Außenhandelsförderungsbeitrag, zusammen S 98.770,--, geltend gemacht. Dies mit der Begründung, daß die im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderte Ware mit verletztem Zollverschluß gestellt worden sei.

Die gegen diesen Bescheid von der beschwerdeführenden Partei erhobene Berufung war mit der in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung des genannten Zollamtes vom 15. Dezember 1982 als unbegründet abgewiesen worden.

In dem sachgleichen Finanzstrafverfahren hatte das Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz die vom jugoslawischen Transportunternehmen X-Trans eingesetzten beiden Lenker des unter Zollverschluß stehenden ausländischen Beförderungsmittels, D J und T J, im vereinfachten Verfahren (§ 143 FinStrG) mit Strafverfügung jeweils vom 19. Juli 1982 rechtskräftig der Finanzvergehen der vorsätzlichen Verletzung der Verschlußsicherheit und der Verzollungsumgehung nach § 48 Abs. 1 lit. c und § 36 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt. Gemäß den §§ 48 Abs. 2 und 36 Abs. 3 in Verbindung mit § 21 FinStrG war über die Genannten eine Geldstrafe in Höhe von je S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 30 Tage) verhängt worden.

Mit im Verwaltungsrechtszug ergangenem Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 19. Juni 1984 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Zollamtes Spielfeld vom 15. Dezember 1982, mit welchem der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 6. August 1982 auf Erlaß der geltend gemachten Ersatzforderung aus Billigkeitsgründen abgewiesen worden war, nicht stattgegeben. Zur Begründung ihres Bescheides führte die Finanzlandesdirektion nach Darstellung des Sachverhaltes und Verfahrensverlaufes im wesentlichen aus, das Vorliegen einer Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen werde von der beschwerdeführenden Partei nicht behauptet. Eine Unbilligkeit nach Lage der Sache sei aber dann nicht gegeben, wenn es sich nur um die Auswirkung einer allgemeinen Rechtslage handle, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 1969, Zl. 1231/68). Eine sachliche Unbilligkeit könne somit niemals generellen Charakters, sondern immer nur individuellen Charakters sein (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. November 1963, Zl. 71/63). Der Verwaltungsgerichtshof habe, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang weiter aus, wiederholt darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der Nachsicht einer Ersatzforderung aus Billigkeitsgründen nicht zu dem Zwecke in Anspruch genommen werden dürfe, um ein Verfahren zur Durchsetzung eines Rechtsanspruches wieder aufzurollen, wenn die zur Verfolgung dieses Rechtsanspruches zur Verfügung stehenden Mittel des Verfahrensrechtes nicht oder erfolglos angewendet worden seien (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 9. Juni 1972, Zl. 296/71 und vom 27. Juni 1974, Zl. 500/74). Diese Feststellung gewinne im Beschwerdefalle insofern an Bedeutung, als ein Vorlageantrag an die Abgabenbehörde zweiter Instanz hinsichtlich der abweisenden Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Spielfeld vom 15. Dezember 1982 nicht gestellt worden sei. Die von der beschwerdeführenden Partei im Berufungsverfahren vorgetragenen Gründe betreffend die Handhabung des behördlichen Auswahlermessens, die Nichtbeachtung einer Vereinbarung einer Arbeitsgruppe EWG-Österreich und die Nichtheranziehung des Warenführers, wären aber bloß geeignet gewesen, in einem solchen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz als Rechtsmittel gegen die Vorschreibung der Ersatzforderung geltend gemacht zu werden. Als Vorbringen für die Geltendmachung von Gründen, die eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des Abs. 1 ZollG gerechtfertigt erscheinen ließen, seien sie jedoch nach den beiden zuletzt zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, weil die Nachsicht einer Ersatzforderung aus Billigkeitsgründen nicht zu dem Zwecke in Anspruch genommen werden dürfe, um ein formell abgeschlossenes Verfahren wieder aufzurollen. Im übrigen werde in diesem Zusammenhang auf das in einem ähnlichen Fall erflossene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1983, Zlen. 83/16/0125, 0131 hingewiesen. Der Umstand, daß die beschwerdeführende Partei als Hauptverpflichteter zur Ersatzforderung herangezogen worden sei, liege in den gesetzlichen Bestimmungen begründet. In einer solchen Lage wäre auch jeder andere Hauptverpflichtete ebenfalls zur Ersatzleistung herangezogen worden. Ein Vorliegen von Gründen, die nur in der Besonderheit des Einzelfalles ihren Ursprung hätten, hätten nicht geltend gemacht werden können, zumal es sich um eine bewußte und gewollte Abnahme eines zur Sicherung angelegten zollamtlichen Raumverschlusses durch hiezu nicht Befugte gehandelt habe. Die belangte Behörde sei daher nach den gesetzlichen Bestimmungen gar nicht erst in die Lage gekommen, ein Ermessen auszuüben, weil die Ersatzforderung bloß in Auswirkung einer eingetretenen allgemeinen Rechtslage geltend gemacht worden sei. Zu dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, die mit dem vorliegenden Versandschein T 1 beförderte Ware sei dem Zollamt Spielfeld vollständig gestellt und nach Jugoslawien ausgeführt worden, werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1969, Zl. 1231/68, hingewiesen. Darin habe der Gerichtshof zu Recht erkannt, daß die Ersatzverpflichtung nach § 119 Abs. 1 ZollG den Begleitscheinnehmer schon dann treffe, wenn das Begleitscheingut (Versandscheingut) nicht im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen des § 119 Abs. 1 leg. cit. dem Empfangszollamt (der Bestimmungszollstelle) gestellt worden sei, und daß die Tatsache belanglos bleibe, ob das dem Empfangszollamt nicht gestellte Begleitscheingut anschließend nachgewiesenermaßen das Zollgebiet verlassen habe und ein Zoll der Zollverwaltung nicht "entgangen" sei. Begleitscheingut sei, so führte die belangte Behörde abschließend aus, nur dann im Sinne des § 119 Abs. 1 ZollG ordnungsgemäß gestellt, wenn allen darin angeführten Voraussetzungen, insbesondere jener der Stellung mit unverletztem Zollverschluß, entsprochen worden sei. Sei auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, so sei der Tatbestand der Nichtstellung verwirklicht und es habe der Begleitschein- (Versandschein-)nehmer für die auf das nicht gestellte Begleitschein-(Versandschein-)gut entfallenden Eingangsabgaben Ersatz zu leisten. In der unzulässigen Abnahme des Zollverschlusses durch die beiden Fahrzeuglenker sei daher eine "Nichtstellung" im Sinne des § 119 Abs. 1 ZollG gelegen und es habe das Zollamt Spielfeld auch in dieser Blickrichtung, in Anwendung des dieser Bestimmung anhaftenden generellen Charakters, die Ersatzforderung zu Recht geltend gemacht. Eine auf die Umstände des Einzelfalles zurückzuführende Unbilligkeit liege, da ebenfalls entsprechende Gründe nicht vorlägen bzw. hätten angeführt werden können, nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

 

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei nach ihrem Vorbringen in dem Recht auf Zollerlaß aus Billigkeitsgründen verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, die belangte Behörde habe unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1969, Zl. 1231/68, ihre abweisende Entscheidung damit begründet, daß im vorliegenden Falle eine auf die Umstände des Einzelfalles zurückzuführende Unbilligkeit nicht vorliege, da die Ersatzforderung bloß in Auswirkung einer eingetretenen allgemeinen Rechtslage geltend gemacht worden sei. Diese Rechtsansicht erweise sich als verfehlt. Die belangte Behörde verkenne nämlich, daß Anknüpfungspunkt für die im Rahmen des § 183 Abs. 1 ZollG vorzunehmende Billigkeitsprüfung nicht die Ersatzforderung selbst sei, sondern vielmehr die konkreten Gründe, die zur Entstehung der Ersatzpflicht geführt haben. Folge man nämlich der Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach eine Billigkeit bereits dann zu verneinen sei, wenn die Ersatzforderung bloß die Auswirkung einer allgemeinen Rechtslage darstelle, würde dies in der Praxis bedeuten, daß die Bestimmung des § 183 leg. cit. nie zur Anwendung gelangen könnte. Dies deshalb, da die Ersatzforderung naturgemäß immer nur die Auswirkung einer allgemeinen Rechtslage sein könne, da sie die Tatbestandsmäßigkeit des § 119 Abs. 1 ZollG, d.h. einen Verstoß gegen die dort normierten Vorschriften voraussetze. Für die Billigkeitsprüfung seien daher ausschließlich die spezifischen Umstände, die im konkreten Fall zur Entstehung der Ersatzpflicht geführt haben, maßgebend. Hiebei sei von wesentlicher Bedeutung, inwieweit diese Umstände dem Ersatzpflichtigen zuzurechnen bzw. von diesem zu vertreten seien. Im Beschwerdefalle habe sich die beschwerdeführende Partei beim Transport der Waren eines jugoslawischen Transportunternehmens als Frachtführer bedient. Dieses Unternehmen sei der beschwerdeführenden Partei bisher als äußerst zuverlässig bekannt gewesen. In ihrem Bereich habe die beschwerdeführende Partei sämtliche Veranlassungen getroffen, um eine ordnungsgemäße Stellung des Versandgutes zu gewährleisten. Die Verletzung des Zollverschlusses sei von den Kraftfahrzeuglenkern des Frachtführers begangen worden. Diese Handlungsweise, die für die beschwerdeführende Partei in keiner Weise vorhersehbar gewesen sei, sei dieser daher nicht zuzurechnen. Wenngleich richtig sei, daß die beschwerdeführende Partei als Hauptverpflichteter gemäß § 119 Abs. 4 ZollG für die durch Nichtstellung des Begleitscheingutes fällig gewordene Zollschuld hafte, sei im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen, daß das Alleinverschulden an der Nichtstellung den jugoslawischen Frachtführer treffe.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Oktober 1983, Zlen. 83/16/0125, 0131, dargelegt hat, ist unter dem Tatbestandsmerkmal "Haftung" im Sinne des Art. 11 lit. a der einen Bestandteil des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Anwendung der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren, BGBl. Nr. 599/1973, in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung (Art. 17), bildenden Verordnung über das gemeinschaftliche Versandverfahren - (EWG) Nr. 222/77 vom 13. Dezember 1976 - (BGBl. Nr. 331/1977, Versand-Verordnung) die Verantwortung des Hauptverpflichteten für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens zu verstehen. Er hat für alle Folgen einzutreten, die sich aus einem nicht ordnungsgemäßen Ablauf ergeben können. Welche Folgen dies im einzelnen hat, richtet sich nach dem nationalen , also nach dem einzelstaatlichen Recht jenes Mitgliedstaates, auf dessen Gebiet die eine Eingangsabgabenschuld ("Fälligkeit") auslösende Zuwiderhandlung begangen worden ist (Art. 36 Abs. 1 der Versand-Verordnung).

Im Grunde des § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1973 betreffend die Durchführung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Anwendung der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren (Versandverfahren-Durchführungsgesetz), BGBl. Nr. 600/1973, in der Fassung der BGBl. Nr. 332/1977 und 257/1980 hat der Hauptverpflichtete, wenn eine Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren im Zollgebiet begangen wird oder als im Zollgebiet begangen gilt, ab dem Zeitpunkt der Empfangnahme des Versandscheines wie ein Begleitscheinnehmer im Sinne des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129, für den Zoll und die sonstigen Eingangsabgaben Ersatz zu leisten.

Gemäß dem durch diese Rechtsverweisung miterfaßten § 119 Abs. 1 ZollG erwächst dem Begleitscheinnehmer durch die Empfangnahme des Begleitscheines und der im Begleitschein angeführten Waren (Begleitscheingut) die Verpflichtung, das Begleitscheingut innerhalb der im Begleitschein festgesetzten Frist dem Empfangszollamt unverändert und zutreffendenfalls mit unverletztem Zollverschluß unter Vorlage des Begleitscheines zu stellen (Stellungspflicht) und bei Nichtstellung des Begleitscheingutes für den entgangenen Zoll sowie die sonstigen Eingangsabgaben (§ 3 Abs. 2 leg. cit.) Ersatz zu leisten (Ersatzpflicht).

Verbringt nun der Begleitscheinnehmer, auf dessen Namen der Begleitschein lautet, das Begleitscheingut nicht selbst zum Empfangszollamt, sondern übergibt er das Begleitscheingut samt Begleitschein in einer anderen Person zur weiteren Beförderung, so geht die Stellungspflicht auf diese Person und unter denselben Voraussetzungen auch auf jede andere nachfolgende Person über. Die Verpflichtung, im Fall der Nichtstellung Ersatz für die auf das Begleitscheingut entfallenden Eingangsabgaben zu leisten, bleibt aber auch in diesem Fall, gemäß dem § 119 Abs. 4 ZollG unverändert beim Begleitscheinnehmer.

Gemäß dem § 183 Abs. 1 ZollG können Zollbeträge und Ersatzforderungen für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Frage auseinandergesetzt, ob es einen Verstoß gegen Recht und Billigkeit bedeutet, wenn ein Erlaß einer durch eine nicht fristgerechte Stellung von Begleitscheingut ausgelösten Ersatzpflicht des Begleitscheinnehmers aus in der Sache gelegenen Gründen versagt wird, und hat in seinen Erkenntnissen vom 12. Oktober 1964, Zl. 1763/64, vom 26. März 1971, Zl. 681/70, und vom 23. April 1971, Zl. 130/70, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung dargelegt, daß mittels der Bestimmung des § 183 Abs. 1 ZollG nicht die Anordnung des § 119 Abs. 1 ZollG, die dem Begleitscheinnehmer eine weitgehende Erfolgshaftung auferlegt, berichtigt werden könne. Dementsprechend könne, so hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang ausgeführt, ein Umstand, der auch bei allen anderen Abgabepflichtigen in der gleichen Lage hätte eintreten und den der Gesetzgeber daher voraussehen hätte können, nicht zur Annahme einer Unbilligkeit nach Lage der Sache führen.

Der so erkannte normative Gehalt des § 183 Abs. 1 ZollG ist auch im vorliegenden Beschwerdefall, in dem die "Nichtstellung" im Rechtssinne auf einer in Österreich unter Strafsanktion (vgl. § 48 Abs. 1 lit. a FinStrG) stehenden Verletzung des von der Abgangszollstelle zur Nämlichkeitssicherung angelegten Zollverschlusses beruht und die Prüfungsmöglichkeiten der Bestimmungszollstelle beeinträchtigte, von rechtlichem Gewicht.

Die Stellung von Begleitscheingut beim Empfangszollamt mit verletztem Zollverschluß löst - ein Umstand, den der Gesetzgeber bei der normativen Ausgestaltung des Tatbestandes des § 119 Abs. 1 ZollG gekannt und ausdrücklich geregelt hat - beim Begleitscheinnehmer kraft Gesetzes die Verpflichtung zur Entrichtung der Ersatzforderung aus. Ein solcher die Ersatzpflicht des Begleitscheinnehmers geradezu herbeiführender Umstand kann nach der Zielsetzung und der Wertung des Gesetzgebers einen Zollerlaß aus Billigkeitsgründen nach Lage der Sache selbst grundsätzlich nicht rechtfertigen, weil es nicht angängig ist, durch Billigkeitsmaßnahmen den in § 119 Abs. 1 ZollG erklärten Willen des Gesetzgebers zu durchkreuzen und eine von ihm getroffene zwingende Regelung ganz allgemein im Billigkeitswege außer Kraft zu setzen. Es kann nämlich dem Hauptverpflichteten, der primär das Risiko der ordnungsgemäßen Stellung der Ware zu tragen hat, das Wagnis der Wahl seines Geschäftspartners von der Zollverwaltung des Einfuhrlandes nicht dadurch abgenommen werden, daß diese zu Lasten der Allgemeinheit, also der Steuerzahler, auf die kraft Gesetzes entstandene Ersatzforderung im Billigkeitswege verzichtet. Hat der Gesetzgeber diese Haftung des Hauptverpflichteten bei nicht ordnungsgemäßer Stellung zwingend angeordnet, obwohl in bestimmt gelagerten Fällen der Eintritt von Härten in der Sache selbst bei Geltendmachung der Ersatzpflicht voraussehbar war, und sind diese Härten bei Erlaß des Gesetzes in Kauf genommen worden, so kann die Gewährung eines Zollerlasses aus Billigkeitsgründen gemäß dem § 183 Abs. 1 ZollG wegen Härten in der Sache selbst grundsätzlich nicht in Betracht kommen (vgl. im Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 17. September 1975, Zl. 353/75).

Die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei bieten in Ansehung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers für den Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, von seiner oben wiedergegebenen und wiederholt ausgesprochenen Rechtsauffassung abzugehen.

Im weiteren Verfolg ihrer Rechtsrüge trägt die beschwerdeführende Partei vor, es sei weiters zu bedenken, daß der jugoslawische Warenführer durch die Verletzung der ihn gemäß § 119 Abs. 4 ZollG treffenden Stellungspflicht gemäß dem § 174 Abs. 3 lit. a ZollG gleichfalls Zollschuldner geworden sei und gemeinsam mit der beschwerdeführenden Partei als Hauptverpflichteter für die entstandene Zollschuld hafte. Wenngleich nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshof, so führte die beschwerdeführende Partei im Zusammenhang weiter aus, einem Ersatzpflichtigen kein Rechtsanspruch darauf zukomme, daß die Zollschuld gegenüber dem anderen, gesamtschuldnerisch haftenden Ersatzpflichtigen geltend gemacht werde, sei im Rahmen der Billigkeitsprüfung gleichwohl der Umstand zu berücksichtigen, daß auch der Warenführer, durch dessen pflichtwidriges Verhalten die Zollschuld erst entstanden sei, für diese hafte. Diesbezüglich werde auf die Bestimmung des § 20 BAO verwiesen, die für eine Ermessensentscheidung - wie sie im Beschwerdefall hinsichtlich der Doppelhaftung zu treffen gewesen sei - gleichfalls eine Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände vorsehe. Es erscheine daher im Hinblick auf die hier relevanten Umstände als in hohem Maße unbillig, anstatt des pflichtwidrig handelnden Warenführers die beschwerdeführende Partei, die an der Nichtstellung des Zollgutes keinerlei Verschulden treffe, zur Haftung heranzuziehen.

Auch dieser Einwand vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen.

Löst im gemeinschaftlichen Versandverfahren ein anderer als derjenige, der bei der Abgangszollstelle durch Abgabe der Versandanmeldung die Abfertigung der ausländischen Ware zum gemeinschaftlichen Versandverfahren beantragt hat (Hauptverpflichteter) eine Zollschuld aus, so sind beide Gesamtschuldner (§ 6 Abs. 1 BAO), und zwar der Hauptverpflichtete als Schuldner der Ersatzforderung gemäß § 119 Abs. 1 ZollG und der andere (hier: die beiden Fahrzeuglenker) als Zollschuldner gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG (vgl. im Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1977, Zlen. 2079/76, 2549 und 2550/76, Slg. Nr. 5080/F).

Es stand im Beschwerdefall im freien Ermessen (§ 20 BAO) der Zollbehörde, ob sie sich an die beiden Fahrzeuglenker als Zollschuldner oder an die beschwerdeführende Partei als Hauptverpflichteter, der wie sein Name schon sagt, ebenfalls Schuldner (sc. der Ersatzforderung) ist, wendete. Die Frage, ob die Zollbehörde erster Rechtsstufe sich bei der seinerzeitigen Ausübung des Auswahlermessens aus Gründen der Opportunität und der Verwaltungsökonomie - nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens waren die beiden jugoslawischen Fahrzeuglenker offenkundig zahlungsunfähig - zu Recht für die Heranziehung der beschwerdeführenden Partei zur Haftung entschied, entzog sich in Ansehung des in Rechtskraft erwachsenen Ersatzforderungsbescheides in dem anhängigen Verfahren der Kognition durch den Verwaltungsgerichtshof.

Auch der weitere Einwand der beschwerdeführenden Partei, es sei dadurch, daß die Ware nicht in den freien Verkehr des Zollgebietes gelangt, sondern wieder ausgeführt worden sei, dem Träger der Zollhoheit kein materieller Schaden entstanden, erweist sich als nicht stichhältig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seinem Erkenntnis vom 26. November 1963, Zl. 71/63, in ständiger Judikatur zum Ausdruck gebracht, daß die Ersatzverpflichtung nach § 119 Abs. 1 ZollG den Begleitscheinnehmer schon dann trifft, wenn das Begleitscheingut dem Empfangszollamt nicht gestellt wird, weiters, daß die Frage, wo das Begleitscheingut verblieben ist, ebenso unerheblich ist wie die Tatsache, daß das Begleitscheingut nachgewiesenermaßen das Zollgebiet verlassen hat und ein Zoll der Zollverwaltung nicht "entgangen" ist.

Auch der im Zusammenhang erfolgte Hinweis auf die in § 119 Abs. 3 ZollG getroffene Regelung erweist sich gleichermaßen als nicht zielführend. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 14. Mai 1976, Zl. 2304/75, mit der Frage, inwieweit die zuletzt genannte Bestimmung für die Vollziehung des § 183 Abs. 1 ZollG bestimmend ist, eingehend auseinandergesetzt und in den Entscheidungsgründen dargetan, die Anerkennung des Umstandes allein, daß der Nachweis nicht in der von § 119 Abs. 3 leg. cit. normierten Form, sondern auf andere Weise erbracht wird, würde als Unbilligkeit nach Lage der Sache eine unzulässige Ausdehnung der gesetzlichen Begünstigung auch auf andere, nicht tatbestandsmäßige Sachverhalte bedeuten. Zudem wurde nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens von der beschwerdeführenden Partei ein Verfahren nach § 119 Abs. 3 ZollG nach Lage der Akten nicht beantragt.

Soweit die Beschwerde letztlich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus einer im Rahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens getroffenen Absprache einer Arbeitsgruppe EWG-Österreich/EWG-Schweiz über die Auslegung des Begriffes der "ordnungsgemäßen Durchführung des Versandverfahrens abzuleiten versucht, ist daran zu erinnern, daß sich der Gerichtshof mit dieser Frage erst jüngst in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 27. Oktober 1983, Zlen. 83/16/0125, 0131, auseinandergesetzt und dargetan hat, daß derartige norminterpretierende Dokumente, die nicht in der für Rechtsverordnungen vorgeschriebenen Form kundgemacht worden sind, nicht zur Grundlage eines Aktes der Vollziehung im Sinne des Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG genommen werden und daher auch für den Verwaltungsgerichtshof keine Bindungswirkung erzeugen können. Es ist ausgeschlossen, den Vorrang des Gesetzes durch eine Empfehlung einer Verwaltungskommission aufzuheben. Es würde eine gröbliche Verletzung des verfassungsgesetzlichen Legalitätsgebotes (Art. 18 Abs. 1 B-VG) darstellen, wenn sich eine österreichische Zollbehörde beim Vollzug des nationalen Rechtes entgegen ihrer eigenen Rechtsüberzeugung einer Empfehlung einer Arbeitsgruppe (EWG-Österreich) unterwerfen würde; sie kann ihn ebensowenig auf dem Umweg über eine Billigkeitsmaßnahme Geltung verschaffen.

Letztlich vermag auch der abschließende Hinweis, dem Aufbrechen des Zollverschlusses seien keine unlauteren Absichten (wie z.B. Schmuggel) der beiden Fahrzeuglenker zugrunde gelegen, eine Unbilligkeit nach Lage der Sache nicht zu begründen.

Sieht man davon ab, daß dieses Vorbringen in Widerspruch zu den Berufungsausführungen der beschwerdeführenden Partei

steht ("Wir konnten nicht voraussehen und uns auch nicht dagegen schützen, daß die Warenführer für ihre eigenen unlauteren Zwecke den Zollverschluß erbrechen würden, um im Fahrzeug Waren zu verstecken und diese nach Jugoslawien einzuschmuggeln"),

ist es schon deshalb nicht von rechtlicher Relevanz, weil - wie oben dargelegt - die Ersatzpflicht des Hauptverpflichteten als eine Art Erfolgshaftung an ein schuldhaftes Verhalten - welcher Schuldform immer - nicht anküpft. Die Ersatzverpflichtung ist nämlich unabhängig von jedem Verschulden des Ersatzpflichtigen. Auf dem Boden des § 183 Abs. 1 ZollG konnte daher diesem Vorbringen deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil das der Nichtstellung im Rechtssinne zugrundegelegene Verschulden - mag es auch von der beschwerdeführenden Partei nicht veranlaßt sein diese gegen sich gelten zu lassen hat.

Solcherart aber bleibt es auch der Verfahrensrüge der beschwerdeführenden Partei, darin sie einwendet, das Versandgut sei bei der vom Zollamt Spielfeld durchgeführten Kontrolle vollständig und unverändert vorhanden gewesen und auch vollständig und unverändert nach Jugoslawien ausgeführt worden, weshalb die Zollbehörden verpflichtet gewesen wären, entsprechende Erhebungen durchzuführen und diesbezügliche Feststellungen in ihren jeweiligen Entscheidungen zu treffen, verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen, weil diesen Sachverhaltselementen - wie oben dargelegt - eine rechtserhebliche Bedeutung nicht zukommt.

Somit erweist sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet. Diese war daher gemäß dem § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Hinsichtlich der im vorstehenden zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird, soweit sie in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlich sind, auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 22. November 1984

  

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