VwGH 84/13/0153

VwGH84/13/015328.1.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Iro, Dr. Drexler und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat. Dr. Papierer, über die Beschwerde des Mag. FJ in W, vertreten durch Dr. Hans Robicsek, Rechtsanwalt in Wien XI, Simmeringer Hauptstraße 119/3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Mai 1984, Zl. 6/3-1801/4/83, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1979 bis 1982 sowie Einkommensteuer für das Jahr 1979, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §38 Abs4;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litb;
EStG 1972 §38 Abs4;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezeichnet sich als "Personaltrainer".

Im Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung für die Jahre 1976 und 1981 (verbunden mit einer Umsatzsteuernachschau für 1982) vertrat der Prüfer die Ansicht, daß der Beschwerdeführer durch Abhaltung von Vorträgen und Seminaren zwar eine unterrichtende, nicht aber eine wissenschaftliche Tätigkeit entfaltet habe, weshalb

1. die Honorare nicht gemäß § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG mit 8 % (sonstige Leistungen aus der Tätigkeit als Wissenschaftler), sondern mit 18 % zu versteuern seien und

2. die beantragte Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG für die durch die Vortragstätigkeit erzielten Einkünfte nicht zur Anwendung gelangen könnte, da diese - wie auch fakturiert - aus der unterrichtenden Tätigkeit und nicht aus der Verwertung von Urheberrechten erzielt worden seien.

Auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfers ergingen u. a. Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1979 bis 1982 sowie der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1979 (nur diese Bescheide sind Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens). Der Beschwerdeführer bekämpfte diese Bescheide mit Berufung und brachte vor, daß zur Tätigkeit eines Wissenschaftlers auch die praktische Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse gehöre, sofern sie das Merkmal der Wissenschaftlichkeit aufweise. Zweckbestimmte Vorträge könnten somit wissenschaftliche Leistungen darstellen und zwar unabhängig davon, vor welchem Teilnehmerkreis diese gehalten würden, sofern nicht "das Problem mit Hilfe von Methoden, die andere bereits entwickelt haben, ohne weitere kritische Prüfung" gelöst werde. Im Zuge der Betriebsprüfung habe der Beschwerdeführer mehrmals darauf hingewiesen, daß seine Seminare "in erster Linie der praktischen Überprüfung der von ihm aufgestellten wissenschaftlichen Hypothesen ....dienen", die demnächst in gesammelter Form als wissenschaftliche Arbeit (Diplomarbeit) veröffentlicht würden. Er wende bei seiner wissenschaftlichen Tätigkeit wissenschaftliche Methoden an, und das Ergebnis seiner Arbeit liege in einer Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnis, wobei es Sinn und Zweck sei, daß sein Hörerkreis die von ihm erarbeiteten wissenschaftlichen Erkenntnisse praktisch anzuwenden versuche.

Was die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 4 EStG betreffe, so sei zu sagen, daß die allgemeine Voraussetzung des Urheberschutzes, das Vorliegen einer eigentümlichen geistigen Schöpfung, für den Vortrag ebenso gelte wie für das Schriftwerk. Bei entsprechender Qualifikation des Vortragenden und einem gehobenen Niveau der Vortragsveranstaltung, erreichten auch Vorträge außerhalb der Universität die erforderliche "Werk-Höhe". Wie eine Vielzahl von selbst entwickelten Manuskripten, Arbeitsbüchern, Ausbildungskonzepten, Tests, Trainingsunterlagen usw. bewiesen, erfülle er diese Voraussetzungen. Das Vortragshonorar werde für die geistige Leistung bezahlt. Es richte sich "selbstverständlich nach der Anzahl der Vortragsstunden". Da er seine Vortragstätigkeit 1979 noch nicht hauptberuflich ausgeübt habe, ergebe sich eindeutig, daß für dieses Jahr gemäß § 38 Abs. 4 EStG begünstigte Nebeneinkünfte aus der Verwertung selbstgeschaffener literarischer Urheberrechte erzielt worden seien.

Seiner Berufung schloß der Beschwerdeführer eine Tätigkeitsbeschreibung und ein Schreiben des Vorstandes des Institutes für Erziehungswissenschaft, Unterrichtswissenschaft und Hochschuldidaktik für Bildungswissenschaften Klagenfurt bei.

Letzteres bescheinigt dem Beschwerdeführer, im Rahmen der Projektgruppe Berufs- und Betriebspädagogik an diesem Institut selbständige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchgeführt zu haben, und zwar mit dem Ziel, eine wissenschaftliche Abhandlung der "Didaktik und Methodik des Verkaufsgeschehens" zu erstellen. Seine Seminare seien Bestandteil des am Institut durchgeführten Gesamtprojektes zur Entwicklung einer Betriebspädagogik. Die vorgelegten Skripten und Trainingsunterlagen zeigten ein beachtliches wissenschaftliches Niveau und dienten der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die berufliche Praxis.

In der "Tätigkeitsbeschreibung" wird ausgeführt, daß das Berufsförderungsinstitut "Erstkontakte" zu Unternehmen herstelle. Anschließend werde der Beschwerdeführer für bestimmte Vorträge und "Begehungs- und Feldarbeiten bzw. vorbereitende und begleitendanalysierende Tätigkeiten" angefordert. Für seine Tätigkeit stelle er eine Honorarnote an das Berufsförderungsinstitut aus. Er erhalte einen Tagsatz von ca. S 4.000,-- bis 6.000,--, mit dem die wissenschaftliche Erarbeitung und Aufbereitung von Trainingszielen und Trainingsinhalten, Erstellung und Entwicklung von Medien, Bereitstellung von Overheadprojektor, Videorecorder, Flip-Chart sowie "die Durchführung, Nachbetreuung, Begleituntersuchung und Validierung der Seminartätigkeit, Entwicklung von Arbeitsblättern, Skripten, Beispielen, Tests und Arbeitsbüchern" abgegolten würden. In seinen Seminaren beschäftige er sich insbesondere mit betriebspädagogischen und -psychologischen Phänomenen, indem er diese anhand selbst erarbeiteter und erstellter insbesondere audiovisueller Medien den Teilnehmern darstelle und mit von ihm wissenschaftlich erarbeiteten Lösungsansätzen Hilfestellung bei der Lösung dieser Probleme aufzeige. Es handle sich überwiegend um Vermittlung kognitiver Lehrinhalte, die wiederum zur Bewußtmachung und als Ansatz zur Verhaltensänderung dienen könnten. Die Seminare umfaßten die Gebiete Rhetorik, Dialektik, Verkauf, Verhandlungstaktik, Kommunikation, Führungsstile, Selbstmanagement, Train-the-Trainer, Präsentationsseminare, Brief- und Telefonverkauf. Bei einem Sekretärinnentraining beispielsweise würden anhand von Beispielen aus der Praxis mit maximal 15 Teilnehmern vom Trainer angeleitet Fallbeispiele durchgeführt und anschließend ausgewertet. Der Trainer stelle darnach selbst entwickelte Modelle den Teilnehmern dar (z.B. Methoden der Gesprächsführung, Umgang mit Kunden, zielorientiertes Telefonieren usw.). "Ziel und Zweck der Sekretärinnenausbildung ist es, durch Kenntnis der oben angeführten theoretischen Aspekte einen reibungslosen und effizienten Arbeitsablauf im Unternehmen zu garantieren". Als weiteres Hauptgebiet sei die rhetorische Kommunikation und Verhandlungstechnik zu nennen (Teilnehmer seien die Führungskräfte von Unternehmen und Verwaltungsstellen). Ziel und Zweck sei, den Teilnehmern Redegewandtheit und größere Überzeugungskraft in Verhandlungssituationen zu vermitteln.

Er selbst sei zum Trainer der rhetorischen Kommunikation sowie zum Trainer für den Bereich Teamtraining und zum Gesprächstherapeuten ausgebildet. Er sei Mitglied der Ausbildungskommission des Arbeitskreises für Sozialpsychologie und Gruppendynamik und Mitbegründer der österreichischen Gesellschaft für Organisationsentwicklung. Als Student der Pädagogik und pädagogischen Psychologie (voraussichtlicher Abschluß November 1983) habe er - wie vom Institutsvorstand bestätigt - eine wissenschaftliche Mitarbeit erbracht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung aus nachstehenden Gründen keine Folge:

Zu Punkt 1. Tätigkeit als Wissenschafter:

Inhalt und Ziel der Vortragstätigkeit des Beschwerdeführers könne einem den Verwaltungsakten angeschlossenen Ausbildungsprogramm entnommen werden.

Beispiel 1:

"Zielgruppe:

Mitarbeiter, die Verhandlungen mit Behörden, Institutionen

Grundeigentümern etc. zu führen haben (Projektanten, Netzinspektoren, Entschädiger)

Lernziele:

Die Lehrgangsteilnehmer sollen nach der Ausbildung

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Umsatzsteuer 1979 bis 1982:

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b UStG, in der für die Streitjahre geltenden Fassung, unterliegen u.a. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Wissenschafter dem ermäßigten Steuersatz von 8 %.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage, wann eine Vortrags- und Seminartätigkeit als wissenschaftlich anzusehen ist, bereits mehrfach befaßt und dabei als für die Beurteilung maßgebliche Kriterien erachtet:

1. einen Vortrag, der seinem Inhalt, seiner Zielsetzung und Methodik nach der "wissenschaftlichen Lehre" entspricht, wie sie in aller Regel nur an Universitäten bzw. wissenschaftlichen Hochschulen betrieben wird, der also die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Darstellung des vom Vortragenden als Wissenschafter erarbeiteten Standpunktes bietet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1984, Zl. 83/15/0016) und

2. ein Zuhörerkreis, der, wenn auch nicht notwendigerweise selbst wissenschaftlich tätig, so doch an der wissenschaftlichen Behandlung von Problemen interessiert und auf Grund seiner Ausbildung zur wissenschaftlichen Diskussion geeignet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1986, Zl. 84/15/0002).

Dementsprechend lehnte es der Gerichtshof ab, den Begriff des Wissenschafters so auszulegen, daß er auch jene fachmännische Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse erfaßt (vgl. das letztzitierte Erkenntnis). Denn so richtig es ist, daß eine an sich wissenschaftliche Tätigkeit ihren Charakter als solche nicht verliert, wenn ihr Ergebnis zu wirtschaftlichen Zwecken ausgewertet wird (Erkenntnis vom 19. September 1972, Zl. 1106/70), so wenig gehört die praktische Verwertung der von einer Wissenschaft erarbeiteten Erkenntnisse noch zur wissenschaftlichen Tätigkeit selbst (Erkenntnis vom 12. April 1983, Zlen. 82/14/0215, 0250).

Daß der Beschwerdeführer über wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt, ist ausreichend dokumentiert und wird von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen. In Streit steht, ob die vom Beschwerdeführer gehaltenen Vorträge und Seminare über Rhetorik, Dialektik, Verkauf, Verhandlungstaktik, Kommunikation etc. in ihrer seitens der auftraggebenden Unternehmen und Verwaltungsstellen vorgegebenen Zielsetzung die "wissenschaftliche Lehre" oder die praxisbezogene Anleitung zur Optimierung des Auftretens, der Arbeitsweise oder des Verkaufserfolges der teilnehmenden Dienstnehmer und Personengruppen als Leistungsgegenstand hatten. Letztere bezweckt weniger die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse als das Erarbeiten spezifischer Verhaltensmuster, welche die tägliche Berufsarbeit erleichtern und die berufliche Stellung verbessern helfen.

Die belangte Behörde hat zwecks Prüfung dieser Frage zu Recht beispielhaft auf das den Verwaltungsakten beigeschlossene Ausbildungsprogramm verwiesen, das dem Beschwerdeführer als Referenten bei insgesamt 10 Seminaren über "Kundenorientiertes Verhaltenstraining", "Verkaufstraining", "Grundkenntnisse des Kundenkontaktes", "Verhandlungstechnik", Rhetorik und Mitarbeiterführung nennt. Allen diesen Seminaren ist, wenn auch auf die beruflichen Aufgaben der jeweiligen Teilnehmerkreise abgestimmt, die Schulung (das Training) in Techniken zur besseren Umsetzung persönlicher Fähigkeiten und Produkteigenschaften gemeinsam; einschlägige Vorkenntnisse werden nicht aufgefordert. Auch die eingangs wiedergegebene Tätigkeitsbeschreibung betreffend Sekretärinnentraining, rhetorische Kommunikation und Verhandlungstechnik bestätigt diese Feststellung. Damit verdeutlicht der Beschwerdeführer selbst, daß die von ihm zu erbringende Leistung nicht der wissenschaftliche Vortrag vor einem an der wissenschaftlichen Behandlung des Vortragsthemas interessierten Zuhörerkreis, sondern ein seiner beruflichen Qualifikation entsprechendes Verhaltenstraining unterschiedlichster Personengruppen ist.

Die Umsetzung des durch das Studium der Pädagogik und pädagogischen Psychologie Erlernten in die tägliche Berufsarbeit ist aber ebensowenig wie die praktische Tätigkeit eines Arztes oder Rechtsanwaltes als wissenschaftliche Tätigkeit, sondern als die fachmännische Verwertung erworbenen Wissens einzustufen. Daß sich der Beschwerdeführer dabei modernster Lehrmittel und Lehrmethoden bedient, und ständig bemüht ist, den Wirkungsgrad seiner Arbeit zu verbessern, gibt seiner Tätigkeit noch keinen wissenschaftlichen Charakter.

2. Einkommensteuer 1979:

Der ermäßigte Steuersatz des § 37 Abs. 1 EStG ist gemäß § 38 Abs. 4 leg. cit. auch auf Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten anzuwenden, sofern diese Einkünfte als Nebeneinkünfte erzielt werden. Solche Nebeneinkünfte liegen vor, wenn die Einkünfte im Sinne des ersten Satzes neben anderen Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 leg. cit. erzielt werden, welche die Nebeneinkünfte übersteigen.

Im Beschwerdefall steht außer Streit, daß die Einkünfte des Beschwerdeführers aus der Abhaltung der erwähnten Veranstaltungen Nebeneinkünfte im Sinne der letztzitierten Rechtsvorschrift sind. Strittig ist, ob es sich bei diesen Einkünften um solche aus der Verwertung selbstgeschaffener literarischer Urheberrechte handelt. Die Beschwerde bekämpft die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde ohne jede Begründung.

Der belangten Behörde kann zwar nicht gefolgt werden, wenn sie meint, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers mangels "Werk-Höhe" keinen urheberrechtlichen Schutz genieße. Dessenungeachtet hat sie aber im Ergebnis zu Recht die Anwendung des § 38 Abs. 4 EStG versagt, weil diese Bestimmung nicht nur das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werkes voraussetzt. Vielmehr ist es auch erforderlich, daß die begünstigten Einkünfte nach dem zwischen dem Urheber und seinem Vertragspartner bestehenden Rechtsverhältnis als Entgelt für die Verwertung urheberrechtlich geschützter Leistungen und nicht für eine rein unterrichtende Tätigkeit anfallen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. März 1981, Zl. 17/0333/79, und vom 10. September 1986, Zl. 84/13/0248).

Davon kann aber bei der unter Punkt 1. dargelegten Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden. Mit der Entlohnung in pauschalen Tagsätzen wurde nicht die Verbreitung geschützter Sprachwerke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes, sondern das für die Auftraggeber gewünschte Training erfolgreichen Verhaltens im Arbeitsprozeß, sohin eine unterrichtende Tätigkeit honoriert.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 28. Jänner 1987

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