VwGH 84/13/0004

VwGH84/13/000410.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde der Marktgemeinde N, vertreten durch Dr. Friedrich Riedl-Riedenstein, Rechtsanwalt in Neulengbach, Gerichtsgebäude, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 14. November 1983, GA 5-1677/7/83, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Zeit vom 1. Jänner 1977 bis 31. Dezember 1979, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs3;
BAO §7 Abs1;
EStG 1972 §82 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984130004.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Marktgemeinde, veranstaltet Burgfestspiele.

Das Finanzamt erließ auf Grund einer die Zeit vom 1. Jänner 1977 bis 31. Dezember 1979 betreffenden Lohnsteuerprüfung an die Beschwerdeführerin einen Haftungs- und Zahlungsbescheid, mit dem aus Fehlberechnungen Lohnsteuer, eine Nachforderung an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und ein Säumniszuschlag zur Zahlung vorgeschrieben wurden. Schauspieler, die für die Mitwirkung an der Aufführung eines Theaterstückes engagiert würden, seien als Arbeitnehmer anzusehen. Die an sie bezahlten Gagen seien nunmehr der "Lohnsteuer und dem Dienstgeberbeitrag unterzogen" worden, "wobei der Lohnsteuerabzug unter Anwendung des § 54 Abs. 2 EStG 1972 vorgenommen" worden sei. Aushilfslöhne seien zum Großteil nach § 69 EStG 1972 pauschaliert und mit 3 % versteuert worden.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung. Die bei den Burgfestspielen mitwirkenden Schauspieler, Künstler und Hilfskräfte seien nicht Dienstnehmer der Beschwerdeführerin gewesen, "da diese für die Lieferung eines abgeschlossenen Werkes einen bestimmten Betrag in Form von Gagen bzw. Aufwandsentschädigung erhalten" hätten. Das jeweils zur Aufführung gelangende Werk sei von den Künstlern selbst bestimmt worden und sie seien es gewesen, die die Termine der einzelnen Aufführungen festgelegt hätten. Auch "in allen anderen Fragen organisatorischer und finanzieller Natur, insbesondere auch die selbständige Entscheidung, die von der Beschwerdeführerin akzeptiert" werden habe müssen, sei "den einzelnen Künstlern zugestanden". Eine Bejahung der Dienstnehmereigenschaft, insbesondere von Gastkünstlern, widerspreche § 22 EStG 1972. Abgesehen davon sei nicht nur von den Gagen, sondern auch von den Aufwandsentschädigungen die Lohnsteuer und der Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben worden. Bei der Aufwandsentschädigung habe es sich um einen reinen Spesenersatz für "die vielfachen Zureisen vom jeweiligen Wohnort bzw. von den sonstigen Orten der schauspielerischen Tätigkeit zu den Proben und Aufführungen, ferner um den pauschalierten Ersatz von Verpflegungs- und Unterkunftskosten" gehandelt. Das Finanzamt habe überdies "nicht zwischen inländischen und ausländischen Gastspielern unterschieden" und es habe auch die Einkünfte von Kostümbildnern, Maskenbildnern, usw. der Lohnsteuer und dem Dienstgeberbeitrag unterzogen, obwohl diese Personen der Beschwerdeführerin nicht "in irgendeiner Art untergeordnet" gewesen seien. Dasselbe treffe auf Personen zu, "die auf völlig freiwilliger Basis, ohne jedwede Honorierung ihrer Arbeitsleistung, sondern lediglich gegen Ersatz der aufgelaufenen Materialkosten Fotodokumentationen erstellt" hätten.

Das Finanzamt wies mit seiner Berufungsvorentscheidung diese Berufung ab. Bei einer Theateraufführung mit einer großen Anzahl von Mitwirkenden könne der Einzelne für sich allein kein abgeschlossenes Werk liefern. Es sei auch kein Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin und "allen Mitwirkenden bei den Burgfestspielen (eventuell Gesellschaft bürgerlichen Rechts) abgeschlossen, sondern mit jedem Einzelnen eine Vereinbarung eingegangen" worden, "die diesen Einzelnen verpflichtete, grundsätzlich an bestimmten Tagen, zu bestimmten Zeiten für Theateraufführungen einschließlich der notwendigen Probearbeiten gegen Bezahlung bestimmter Beträge zur Verfügung zu stehen". Die Beschwerdeführerin "dürfte auch nicht angenommen haben, daß es sich bei den unter dem Titel Honorare und Aufwandsentschädigungen bezahlten Beträgen um die Bezahlung für Leistungen an selbständige Personen (Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes) handelt, weil kein Vorsteuerabzug beantragt wurde". Für die "Künstler bestand persönliche Arbeitspflicht; für die Erzielung eines künstlerischen Erfolges ist die Unterordnung unter die Leitung der Burgfestspiele (Beschwerdeführerin) oder deren Beauftragten erforderlich". Die Künstler hätten auch kein Unternehmerwagnis getragen und es sei von ihnen auch kein Erfolgsrisiko übernommen worden. Es liege in der Natur der Sache, daß ein Schauspieler, der in einem Theaterstück mitwirke, weisungsgebunden sei, denn er müsse zu bestimmten Zeiten bei den Proben und Aufführungen anwesend sein. Die Schauspieler hätten hier auch eine Pauschalsumme als Gage erhalten, unabhängig davon, wie viele Aufführungen tatsächlich witterungsbedingt stattgefunden hätten, und sie hätten sich nicht vertreten lassen können. Alle in diesen Dienstverhältnissen bezahlten Bezüge seien Arbeitslohn gewesen, gleichgültig ob sie unter dem Titel Gagen oder Aufwandsentschädigungen - die Voraussetzungen des § 26 EStG 1972 hätten auf die unter dem Titel "Aufwandsentschädigungen" bezahlten Pauschbeträge nicht zugetroffen - geleistet worden seien. Da mit Bühnenbildnern, Kostümbildnern, Maskenbildnern, Bearbeitern der Stücke, usw. schriftlich geschlossene Verträge trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden seien, bleibe das Finanzamt bei seiner Annahme, daß auch diese Personen im Rahmen eines Dienstverhältnisses Bezüge erhalten hätten. Dasselbe treffe "für andere Personen zu, die bei den Burgfestspielen als Hilfskräfte oder für besondere Aufgaben (z. B. Fotodokumentationen) tätig waren, dafür Bezüge erhielten und deren Namen und Anschriften dem Finanzamt nicht bekannt sind". Ebenso sei nicht zu klären gewesen, "ob einzelne Schauspieler eventuell beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig waren, oder ob vielleicht im Einzelfall auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine andere als die vom Lohnsteuerprüfer errechnete Lohnsteuer sich ergeben hätte". Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag seien richtig errechnet worden, der Säumniszuschlag bestehe dem Grunde und der Höhe nach zu Recht.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.

Die Finanzlandesdirektion gab mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung der Berufung teilweise Folge. Die Lohnsteuernachforderung wurde reduziert, weil drei Schauspieler die von ihnen bezogenen Einkünfte "zur Einkommensteuer erklärt hatten"; Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschlag blieben unverändert. Der in der Berufungsvorentscheidung dargelegten Rechtsansicht werde beigetreten. Da die Beschwerdeführerin "die für die Versteuerung erforderlichen Nachweise trotz eingehender Vorhaltungen" nicht beigebracht habe, sei zu Recht von der Schätzungsbefugnis des § 86 Abs. 2 EStG 1972 Gebrauch gemacht worden. Hinsichtlich der als "Aufwandsentschädigung" bezahlten Beträge werde darauf verwiesen, daß Reisekostenersätze nachzuweisen seien. Beim Ersatz tatsächlicher Aufwendungen habe dieser Nachweis durch die entsprechenden Belege dem Grunde und der Höhe nach, beim Ersatz von Pauschbeträgen im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 ebenfalls durch Belege dem Grunde nach zu erfolgen. Es sei nicht zulässig, aus ausbezahlten Pauschbeträgen nachträglich die tatsächlichen Aufwendungen herauszurechnen und zu versuchen, sie glaubhaft zu machen. Gagen und Aufwandsentschädigungen seien deshalb zutreffend der Steuerpflicht unterzogen worden.

Die Beschwerdeführerin behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, sie habe mit allen an den Burgfestspielen Beteiligten Werkverträge geschlossen; im übrigen wäre aber die Aufwandsentschädigung als solche anzuerkennen gewesen und es hätte von Amts wegen festgestellt werden müssen, daß die Lohnsteuernachforderung "infolge Entrichtung der Abgabe durch die jeweiligen Mitwirkenden, also durch einen der Schuldner", nicht mehr zu Recht bestehe.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 47 Abs. 3 EStG liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber (z. B. öffentlich-rechtliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Wesentliche Merkmale der unselbständigen Tätigkeit sind die Weisungsgebundenheit und die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Unternehmens. Wesentliches Merkmal der selbständigen Tätigkeit ist das Unternehmerwagnis.

Den Vereinbarungen vom 22. März 1977 und den Briefen der Beschwerdeführerin vom selben Tag - das sind die einzigen Urkunden, die vorliegen - ist zu entnehmen,

a) daß der jeweilige Schauspieler zur Kenntnis nimmt, er sei für eine bestimmte Rolle in einer bestimmten Theateraufführung, die an neun bestimmten Tagen zu bestimmten Tageszeiten stattfinde, engagiert;

b) daß mit dem Probenbeginn voraussichtlich ab Anfang Mai begonnen werde;

c) daß die Beschwerdeführerin als pauschale Gagenzahlung für die neun Aufführungen einschließlich sämtlicher Probenarbeiten einen bestimmten Geldbetrag garantiere, der mit 50 % nach der Premiere und mit 50 % in der letzten Spielwoche fällig werde;

d) daß der angeführte Gagenbetrag in jedem Fall zur Auszahlung gebracht werde, unabhängig aus welchem Grund immer Vorstellungen durchgeführt oder abgesagt werden;

e) daß die Beschwerdeführerin unabhängig von der Gagenvereinbarung noch zusätzlich eine pauschalierte Aufwandsentschädigung in bestimmter Höhe gewähre.

Daraus erhellt, daß die Schauspieler kein Unternehmerwagnis zu tragen hatten und - entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin - sich auch für den Ort, die Zeit und die Art ihrer Leistung kein Mitbestimmungsrecht ausbedungen hatten; sie waren vielmehr in den geschäftlichen Organismus der Burgfestspiele eingegliedert.

Für die übrigen Beteiligten an den Burgfestspielen liegen - ausgenommen für eine Regieassistentin, mit der aber auch eine gleiche Vereinbarung eingegangen wurde, wie mit den Schauspielern -

keine Unterlagen vor, aus denen auf eine selbständige Tätigkeit dieser Personen geschlossen werden könnte.

Der belangten Behörde ist deshalb nicht zu widersprechen, wenn sie durchwegs Dienstverhältnisse - im abgabenrechtlichen Sinn - angenommen hat.

Mit dem von der Beschwerdeführerin unter dem Titel Aufwandsentschädigung bezahlten Pauschbetrag sollten "sämtliche Unkosten, wie Fahrtspesen, Verpflegungskosten, Übernachtungskosten, Versicherungsaufwand, sonstige Verdienstentgänge, etc." abgegolten werden.

Abgesehen davon, daß ein für "sonstige Verdienstentgänge" geleisteter Betrag steuerpflichtig ist, fallen nur solche Leistungen des Arbeitgebers nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die gesondert und mit der ausschließlichen Zweckbestimmung gezahlt werden, dem Arbeitnehmer Auslagen zu ersetzen; auch für Reisekostenentschädigungen im Sinne des § 26 Z 7 EStG 1972 ist der Nachweis dem Grunde nach erforderlich. Eine etwa spätere Herausrechnung aus einer Gesamtvergütung ist nicht zulässig.

Der belangten Behörde ist deshalb auch hier nicht zu widersprechen, daß sie diese Aufwandsentschädigungen nicht als solche anerkannt hat.

Letztlich ist auch der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht zuzustimmen, die belangte Behörde hätte von Amts wegen feststellen müssen, daß die Lohnsteuernachforderung infolge Entrichtung der Abgabe durch die jeweiligen Mitwirkenden nicht mehr berechtigt sei.

Behauptet der Arbeitgeber, der zur Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer herangezogen wird, der Arbeitnehmer habe diese Abgabe bereits beglichen, dann hat er entweder dies zu beweisen oder der Abgabenbehörde jene Daten bekanntzugeben, die erforderlich sind, eine solche Behauptung ohne weitwendigen Aufwand zu überprüfen.

Bis zum Abschluß des abgabenbehördlichen Verfahrens wurde von der belangten Behörde die Bezahlung hinsichtlich dreier Mitwirkender an den Burgfestspielen angenommen und in diesem Umfang auch die Lohnsteuernachforderung reduziert.

Die Beschwerde ist deshalb - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 10. April 1985

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