Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Satzungsgemäßer Zweck der beschwerdeführenden Genossenschaft ist die Herstellung und Erhaltung einer Trink- und Nutzwasserversorgungsanlage in X. Ihre Bildung wurde gemäß § 74 Abs. 1 lit. a WRG 1959 mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur (BH) vom 20. Februar anerkannt, gleichzeitig wurden auch ihre Satzungen genehmigt.
Mit Bescheid der BH vom 25. Juni 1974 wurde der Beschwerdeführerin die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Nutzung einer Quelle für Trink- und Nutzwasserzwecke "im Ausmaß von 15.500 l/d (bzw. eine max. Entnahme von 24 l/min)" bei Einhaltung verschiedener Vorschreibungen erteilt. In demselben Bescheid wurde gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 ein Übereinkommen zwischen der Beschwerdeführerin und dem Quelleigentümer über die Quellbenutzung beurkundet. In dem in der Begründung dieses Bescheides wiedergegebenen Befund des technischen Amtssachverständigen hieß es u.a.:
"Angeschlossen sind derzeit 8 Einfamilienhäuser mit insgesamt 32 EGW, des weiteren werden 15 Stück Großvieh und 10 Stück Kleinvieh versorgt. Bei einem weiteren Zunahmeprozentsatz von 1,5 % errechnet sich, auf 50 Jahre erstreckt, der voraussichtliche EGW-Stand mit ca. 70 EGW. Das ergibt zusammen mit dem Viehstand einen max. Tagesverbrauch von ca. 15.500 l oder einen max. sekundlichen Bedarf von 0,4 l/sec (24 1/min.). Dies gilt als Maß der Wasserbenutzung. Die Mindestschüttung der Quelle beträgt 0,4 l/sec., kann also den oben errechneten Hoffnungswert decken."
Der Mitbeteiligte (MB) als Mitglied der Beschwerdeführerin trat 1979 an diese mit einem Ansuchen um Überlassung eines Wassermehrbezuges aus Anlaß einer Stallvergrößerung bzw. wegen des Betriebes einer Kälbermast heran. Da hierüber zwischen der Beschwerdeführerin und dem MB keine Einigung erzielt werden konnte, wurde vorerst der in § 18 der Satzungen vorgesehene Weg einer Schlichtung dieser Streitigkeit durch ein Schiedsgericht eingeschlagen. Zu einer schiedsgerichtlichen Entscheidung kam es jedoch in der Folge deshalb nicht, weil sich die beiden von der Beschwerdeführerin und vom MB vorgeschlagenen Schiedsrichter nicht im Sinne der Satzung auf eine dritte Person als Obmann des Schiedsgerichtes einigen konnten. Hierauf sah sich der MB veranlaßt, am 3. Juli 1981 mit einem Ansuchen um Entscheidung gemäß § 85 Abs. 1 WRG 1959 an die BH als Aufsichtsbehörde heranzutreten, in welchem der angestrebte Mehrbezug mit 5.600 l/d beziffert wurde. Die Beschwerdeführerin sprach sich gegen diesen Antrag aus, weil die Anlage mit Rücksicht auf alle vorgesehenen Anschlüsse dafür nicht ausreiche.
In einer von der BH am 26. November 1981 abgehaltenen mündlichen Verhandlung führte der beigezogene technische Amtssachverständige u.a. aus, bei einem Vollanschluß aller derzeit bezugsberechtigten 14 Mitglieder der Beschwerdeführerin ergebe sich - ausgehend von einem Durchschnittswert von 4 EGW, da es sich durchwegs um Einfamilienhäuser ohne Viehhaltung handle - ein Bedarf von 56 EGW. Bei einer rechnerischen Kopfquote von 200 l/d ergebe dies einen Verbrauchswert von 11.200 l/d. Dem stehe ein Dargebot von 19 l/min. = 27.360 l/d als Mindestschüttung gegenüber. Es stehe daher eine ungenützte Restmenge von 16.160 l/d für einen zusätzlichen Verbrauch zur Verfügung. Durch diese rechnerischen Ermittlungen werde das Maß der Wasserbenutzung laut dem Bescheid der BH vom 25. Juni 1974 nicht berührt, da dieses mit maximal 34.560 l/d festgesetzt sei. Da dem Sachverständigen überdies der beantragte Mehrbezug von 5.600 l/d für eine Kälbermast als zu gering erschien, dehnte der MB in dieser Verhandlung sein Ansuchen auf einen Mehrbezug von 8.000 l/d aus.
Mit Bescheid der BH vom 20. August 1984 wurde die Beschwerdeführerin gemäß §§ 85 und 98 WRG 1959 auf Grund des Ansuchens des MB und auf Grund der Ergebnisse der Verhandlung vom 26. November 1981 verhalten, die Einräumung des Mehrbezuges von ihrer Wasserversorgungsanlage im Ausmaß von 8.000 l/d für den Mastbetrieb des MB zuzulassen. Die BH begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach dem eingeholten Gutachten unter Zugrundelegung der tatsächlichen Angebots- und Verbrauchssituation eine Erhöhung der Zulieferungsmenge an den MB gemäß seinem Antrag möglich sei, da die Wasserversorgung aller Mitglieder durch die Anlage gesichert erscheine und auch keine anderen Nachteile für die Beschwerdeführerin zu erwarten seien.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 1984 hat die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen. Nach einer kurzen Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und nach einem Hinweis auf die gemäß den §§ 85 Abs. 1 und 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 gegebene Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörden führte die belangte Behörde begründend aus, hinsichtlich des Wasserbezuges sei davon auszugehen, daß jedem Genossenschaftsmitglied 800 l/d zur Verfügung stünden. Der Antrag des MB, ihm zusätzlich 8.000 l/d für den Mastbetrieb zur Verfügung zu stellen, sei daher dann gerechtfertigt, wenn sämtliche Mitglieder der Beschwerdeführerin in ihrem vereinbarten Wasserbezug nicht beeinträchtigt würden und so Sinn und Zweck der Beschwerdeführerin, nämlich die Versorgung ihrer Mitglieder mit Trink- und Nutzwasser, erhalten blieben. Vom in erster Instanz beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen sei nachgewiesen worden, daß bei dem beantragten Mehrbezug des MB die übrigen Genossenschaftsmitglieder in ihrer Wasserversorgung nicht beeinträchtigt würden. Dieses Gutachten sei durchaus schlüssig, weshalb auch die belangte Behörde sich nicht veranlaßt sehe, seinen Ausführungen nicht zu folgen. Ausgehend von diesem Gutachten könne den Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin keinesfalls gefolgt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Auch der MB hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 85 Abs. 1 WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaft der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i beigelegt werden. Im Beschwerdefall konnte eine zwischen der beschwerdeführenden Wassergenossenschaft und dem MB als ihrem Mitglied aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandene Streitigkeit nicht auf dem satzungsgemäß vorgesehenen Weg beigelegt werden, weshalb darüber die Wasserrechtsbehörden zuständigerweise zu entscheiden hatten.
Die belangte Behörde hat, wie bereits die BH unter Berufung auf das von ihr am 26. November 1981 eingeholte Gutachten, ihre Entscheidung dieser Streitigkeit zu Gunsten des MB darauf gestützt, daß das vorhandene Dargebot der Quelle ohne Beeinträchtigung bereits bestehender Genossenschaftsmitglieder für die Gestattung des vom MB begehrten Mehrbezuges ausreiche. Dies ist auch offenbar der Fall, weil die Mindestschüttung der Quelle unbestritten im Bescheid der BH vom 25. Juni 1974 mit 24 l/min =
34.560 l/d bzw. in der Verhandlung vom 26. November 1981 mit 19 l/min = 27.350 l/d angenommen worden ist. Entscheidend für die Frage, ob die Beschwerdeführerin verhalten werden konnte, den Mehrbezug des MB zu gestatten, ist jedoch nicht das vorhandene Wasserdargebot, sondern vielmehr das der Beschwerdeführerin zuerkannte Maß der Wasserbenutzung, weil ihr eine rechtliche Verfügungsmacht über ein allenfalls höheres Wasserdargebot nicht zusteht.
Dem auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid als schlüssig verwerteten Gutachten liegt diesbezüglich die Annahme zu Grunde, der Beschwerdeführerin sei im Bewilligungsbescheid vom 25. Juni 1974 ein Maß der Wasserbenutzung von 24 l/min = 34.560 l/d zuerkannt worden. Unter dieser Voraussetzung würden allerdings die vom MB zusätzlichen begehrten 8.000 l/d neben dem mit 11.200 l/d ermittelten Bedarf sämtlicher Genossenschafter in dem der Beschwerdeführerin rechtlich zur Verfügung stehenden Wassermenge ohne weiteres Deckung finden. Die obige Annahme des Sachverständigen trifft jedoch mit Rücksicht auf den Inhalt des Bewilligungsbescheides vom 25. Juni 1974 nicht zu.
Mit diesem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin, wie bereits eingangs ausgeführt, die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Nutzung der Quelle "im Ausmaß von 15.500 l/d (bzw. eine max. Entnahme von 24 l/min)" erteilt. Damit wurde die von dieser Bewilligung umfaßte Tageshöchstmenge - und zwar auf Grund einer in der Begründung des Bescheides dargelegten Bedarfsrechnung - mit 15.500 l/d festgelegt, wobei diese Menge durch die - aus welchen Gründen immer - gleichzeitig im Ausmaß der Mindestquellschüttung erfolgte Festsetzung einer maximalen Entnahme pro Minute keineswegs ausgeweitet worden ist.
Nach § 13 Abs. 1 WRG 1959 hat sich das Maß der Wasserbenutzung (§ 12) nach dem Bedarfe des Bewerbers und nach dem natürlichen Wasserdargebot zu richten, das mit Rücksicht auf den wechselnden Wasserstand, beim Grundwasser auch mit Rücksicht auf seine natürliche Erneuerung, jeweils zur Verfügung steht. Ergeben sich bei einer bestehenden Anlage Zweifel über das Maß der dem Berechtigten zustehenden Wassernutzung, so hat gemäß § 13 Abs. 2 WRG 1959 als Regel zu gelten, daß sich das Wasserbenutzungsrecht bloß auf den zur Zeit der Bewilligung maßgebenden Bedarf des Unternehmens erstreckt, sofern die Leistungsfähigkeit der Anlage nicht geringer ist.
Aus dem Bewilligungsbescheid vom 25. Juni 1974 ergibt sich, daß das Maß der der Beschwerdeführerin zuerkannten Wassernutzung ausgehend von einem damals auch unter Bedachtnahme auf die zukünftige Entwicklung ermittelten Bedarf der Genossenschaft mit maximal 15.500 l/d festgesetzt worden ist. Allfälligen Zweifeln, die durch die gleichzeitige Festsetzung einer Maximalentnahme pro Minute ausgelöst werden konnten, ist gemäß der Regel des § 13 Abs. 2 WRG 1959 zu begegnen, die zu demselben Ergebnis (15.500 l/d gemäß dem zur Zeit der Bewilligung maßgebenden Bedarf des Unternehmens) führt. In dieser Wassermenge findet der beantragte Mehrbezug keine Deckung.
Die belangte Behörde hat daher in Verkennung dieser Rechts- und Sachlage nicht das der Beschwerdeführerin rechtlich zur Verfügung stehende, sondern das tatsächliche Wasserdargebot der Quelle dem behaupteten Bedarf gegenübergestellt und daraus zu Unrecht abgeleitet, daß die Beschwerdeführerin zu verhalten sei, dem MB den begehrten Mehrbezug zu gestatten (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8092/A). Der angefochtene Bescheid war daher, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Wien, am 9. Mai 1985
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