VwGH 84/06/0151

VwGH84/06/015111.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richteramtsanwärter Dr. Spira, über die Beschwerde des FP in Z, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maximilianstraße 3/11, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Mai 1984, Zl. Ve‑550‑1045/3, betreffend eine Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Z), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs2
BauO Tir 1978 §25 lite
BauO Tir 1978 §3 Abs1
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984060151.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 15. September 1983 zeigte der Beschwerdeführer der Baubehörde erster Instanz an, daß er im Begriffe sei, einen „Fahrsilo“ (richtig: Flachsilo) zu errichten, und schloß dieser Anzeige eine Planskizze an.

Daraufhin teilte die Baubehörde erster Instanz am 19. September 1983 dem Beschwerdeführer mit, daß dieses Bauvorhaben baubewilligungspflichtig sei, und regte an, ein Bauansuchen zu stellen. Am 21. September 1983 stellten zwei Bedienstete der Baubehörde fest, daß auf den im Eigentum der MP stehenden Gp. 1650/1, 1651/1 und 1652/1 der KG. Z in nordsüdlicher Richtung drei Streifenfundamente aus Beton in Abständen von fünf und vier Metern ca. 80 cm in den Boden eingelassen worden seien; nordseitig seien diese Fundamente durch ein Streifenfundament gleicher Art verbunden. In Abständen von zwei Metern habe man ca. zwei Meter in die Höhe ragende Eisenbahnschienen in diese Fundamente eingelassen. Diese Baulichkeit bedecke eine Fläche von etwa 18 mal 9 Metern.

Mit Bescheid vom gleichen Tage untersagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz die Fortsetzung der Bauarbeiten. Unter Bezugnahme auf die Wahrnehmungen der Bediensteten vertrat die Baubehörde erster Instanz die Auffassung, es handle sich bei diesem Projekt um eine baubewilligungspflichtige Anlage, die zudem auf als Sonderflächen mit der Zweckbestimmung „Feuerwehr“ und „Kindergarten“ gewidmeten Parzellen errichtet worden sei.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Feststellungen bezüglich der in den Boden eingelassenen Fundamente; es seien lediglich Betonplatten auf den gewachsenen Boden aufgelegt worden. Der südliche Teil dieser Platten sei von der Baubehörde bereits als Fahrweg bewilligt. Nach Erstattung der Bauanzeige sei diesem Projekt von der Baubehörde zugestimmt worden. Für dieses Vorbringen bot der Beschwerdeführer einen Zeugen an und beantragte die Durchführung eines Ortsaugenscheines. Die Widmung der Gp. als Sonderflächen stelle keinen Untersagungsgrund dar. Er sei außerbücherlich Eigentümer dieser Parzellen.

Am 27. Oktober 1983 stellte der Bausachverständige der Baubehörde zweiter Instanz fest, daß zwischen die senkrecht emporragenden Eisenbahnschienen Holzbohlen eingeschoben worden waren, sodaß an drei Seiten Wände bestanden. Der Boden zwischen diesen Wänden war zunächst mit Plastikfolie und dann mit etwa zehn cm starken Betonplatten belegt worden. Der Gemeindevorstand der Gemeinde Z als Baubehörde zweiter Instanz wies die Berufung mit Bescheid vom 31. Oktober 1983 als unbegründet ab, bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und verfügte zudem den Abbruch des Bauwerkes. In Anbetracht der Ergebnisse des vom Bausachverständigen durchgeführten Ortsaugenscheines erscheine die Einvernahme des beantragten Zeugen entbehrlich. Diese Feststellungen hätten den von der Baubehörde erster Instanz angenommenen Sachverhalt bestätigt. Der Beschwerdeführer sei weder Eigentümer noch Inhaber eines Baurechts; auch sei eine Zustimmung der Eigentümerin der gegenständlichen Grundparzellen nicht nachgewiesen worden. Der Einwand, eine Sonderflächenwidmung stelle keinen Versagungsgrund dar, gehe ins Leere, weil der Gegenstand des bisherigen Verfahrens nicht ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung gewesen sei. Die Einstellung der konsenslosen Bauführung sei daher zu Recht geschehen. Aus diesen Gründen sei, zumal das Bauwerk bereits vollendet gewesen sei, auch der Abbruch zu verfügen gewesen.

Mit seiner dagegen erhobenen Vorstellung bekämpfte der Beschwerdeführer sowohl Anordnung des Abbruches, weil der Gemeindevorstand damit seine Zuständigkeit überschritten habe, als auch die Bestätigung des erstinstanzlichen Einstellungsbescheides. Er rügte die Unterlassung des beantragten Ortsaugenscheines, welcher der Herstellung der tatsächlichen Beschaffenheit des Bauwerks gedient hätte, und die Ablehnung der Einvernahme des Zeugen, welcher zum Beweis der Zustimmung der Baubehörde erster Instanz zu der Bauanzeige geführt worden sei. Weiters vertrat er die Rechtsansicht, daß als bauberechtigt nicht nur der grundbücherliche Eigentümer, sondern auch schon derjenige anzusehen sei, der einen Titel auf Einräumung des Eigentums in Händen hält. Tatsächlich sei am 22. September 1983 zwischen der Eigentümerin der gegenständlichen Grundparzellen und dem Beschwerdeführer ein Kaufvertrag geschlossen worden. Die Berufungsbehörde sei mit ihren Ausführungen zu dem nach Ansicht des Beschwerdeführers zutreffenden Einwand, die Widmung als Sonderfläche verwehre im vorliegenden Falle keineswegs die Errichtung von Bauwerken, dem Problem ausgewichen. Der vom Beschwerdeführer errichtete Flachsilo stelle höchstens eine anzeigepflichtige Anlage dar, weil er gewiß keine Gefahr im Sinne des § 25 lit. e TBO bedeute, weshalb eine Subsumtion unter diese Bestimmung ausscheide. Das von der belangten Behörde in der Folge eingeholte Gutachten der Landesbaudirektion vom 12. Jänner 1984 bestätigte den Befund über die Fundamentierung und Umwandlung des Flachsilos und gelangte zu dem Schluß, daß zur fachgerechten Herstellung dieser Bauteile Kenntnisse der Bautechnik erforderlich sind.

Unter einem mit seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten, in welcher die Eigenschaft dieses Flachsilos als bauliche Anlage bestritten wird, weil seine Herstellung kein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordere und weil keine öffentlichen Interessen berührt würden, legte der Beschwerdeführer zwei Privatgutachten in der Absicht vor, das Amtsgutachten zu entkräften.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) vom 22. Mai 1984 wurde der Vorstellung zwar insoweit Folge gegeben, als der Abbruchauftrag aufgehoben wurde, soweit sie sich jedoch gegen die Baueinstellung wendet, wurde sie als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus: Die übereinstimmende Darstellung der baulichen Ausgestaltung dieses Flachsilos im Gutachten des Amtssachverständigen und im Privatgutachten lasse erkennen, daß diese Anlage fest mit dem Boden verbunden sei, und rechtfertige den Schluß, daß zu ihrer fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien. Der Einwand des Beschwerdeführers, sein Bau stelle keine Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit von Menschen oder Sachen dar, sei nicht zutreffend, weil es nicht darauf ankomme, ob die konkrete Anlage in einer Weise ausgeführt worden sei, daß daraus keine Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit von Menschen oder für Sachen entstehen könne, sondern, ob dies bei derartigen Bauführungen denkbar sei. § 25 lit. e TBO stelle durch die demonstrative Aufzählung von baulichen Anlagen eine Wertung auf, wann die Möglichkeit einer solchen abstrakten Gefahr gegeben sei. Der gegenständliche Flachsilo müsse den in der genannten Gesetzes-stelle angeführten Fällen gleichgehalten werden. Die Gemeindeinstanzen hätten diese Anlage daher zurecht als baubewilligungspflichtige bauliche Anlage qualifiziert und damit ohne Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers die Einstellung des nicht konzentrierten Bauwerks angeordnet. Im Lichte dieser Erwägungen erübrige es sich, auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Recht auf Bauführung verletzt, weil die belangte Behörde seinen Flachsilo als baubewilligungspflichtige bauliche Anlage qualifiziert und die verfügte Einstellung zu Unrecht nicht aufgehoben habe. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt in der Tatsache, daß auch die Vorstellungsbehörde seinem Antrag auf Vernehmung eines Zeugen zu seinem Vorbringen, seiner angezeigten Bauführung sei bereits vor dem 21. September 1983 mündlich zugestimmt worden, nicht entsprochen hat, eine Rechtsverletzung. Darauf ist zu erwidern, daß, selbst wenn man von der für den Beschwerdeführer günstigsten Konstellation ausginge, nämlich, daß die Baubehörde erster Instanz in Form eines mündlichen Bescheides dieser Bauführung zugestimmt hätte ‑ ein konkretes Vorbringen zu den Umständen, unter denen angeblich zugestimmt wurde, wurde nie erstattet ‑, für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen wäre, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein mündlich verkündeter Bescheid nur durch seine niederschriftliche Beurkundung Wirksamkeit erlangt (vgl.: zuletzt Erkenntnis vom 30. September 1985, Zlen. 85/10/0051 und 84/10/0228). Eine derartige Niederschrift liegt nicht in den Akten, ihre Aufnahme wurde nicht einmal behauptet, sodaß Verfahrensvorschriften nicht verletzt wurden, wenn von der Vernehmung des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen abgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Qualifizierung seines Flachsilos als bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 TBO. Diese Bestimmung lautet:

„Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.“

Daß der gegenständliche Flachsilo mit dem Erdboden fest verbunden ist und nach seiner Natur nach keinesfalls ohne Schwierigkeiten von einem zu einem anderen Ort geschafft werden kann, ergibt sich schon aus dem als Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorstellungsverfahren zu wertenden Befund des Privatgutachtens Dipl.-Ing. EB vom 27. Februar 1984, welcher u.a. Feststellungen des Inhaltes getroffen hat, daß die als Steher der Holzbohlenwände dienenden Eisenbahnschienen 80 cm (1) tief in den Boden gerammt sind und Betonstreifen (nach den Feststellungen der Baubehörden Betonfundamente) in den Boden als Sockel für die Holzwände eingelassen sind. Damit konnte die belangte Behörde von der Durchführung des beantragten Ortsaugenscheines zur Feststellung, ob die vom Gesetz geforderte Verbindung gegeben ist, absehen.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Qualifizierung des Flachsilos als bauliche Anlage jedoch auch deshalb, weil nach seiner auf das erwähnte Privatgutachten gestützten Ansicht zur Herstellung der gegenständlichen Anlage kein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei. Der Argumentation des Beschwerdeführers kann jedoch aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden:

§ 3 Abs. 1 TBO bringt klar zum Ausdruck, daß mit dem Boden verbundene Anlagen dann als bauliche Anlage anzusehen ist, wenn zu ihrer fachgerechten Herstellung (lediglich) bautechnische, nicht jedoch wesentliche bautechnische Kenntnisse, erforderlich sind. Die Tatsache, daß für die Errichtung eines Flachsilos bautechnische Kenntnisse vonnöten sind, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten (es stellt lediglich in Abrede, daß hiefür wesentliche Kenntnisse notwendig seien). Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Expertise läßt den Schluß erkennen, daß solche Kenntnisse Voraussetzung für die fachgerechte Ausführung dieses Bauvorhabens bilden.

Es ist für die rechtliche Qualifikation einer baulichen Anlage unerheblich, auf welche Weise - sei es auf schulisch‑theoretischem, sei es auf autodidaktisch‑praktischem Wege (wie offenbar im vorliegenden Falle) - die zur fachgerechten Herstellung der Anlage erforderlichen Kenntnisse erworben wurden.

Damit erweist sich die von den Baubehörden und der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Flachsilos als bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 TBO als zutreffend. Da8 der vom Beschwerdeführer errichtete Flachsilo fachgerecht ausgeführt wurde, weshalb im vorliegenden Falle die abstrakt bestehenden Gefahren nicht eintreten können, hätte allenfalls die Bewilligung der Bauführung zur Folge haben können, ändert aber aus den dargelegten Erwägungen nichts an der Baubewilligungspflicht dieser baulichen Anlage. Daraus folgt aber auch, daß die belangte Behörde durch ihren Bescheid, den sie im übrigen ausführlich und zutreffend begründete, Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat. Nach § 25 lit. e TBO besteht Baubewilligungspflicht für die Errichtung oder Änderung sonstiger baulicher Anlagen, wenn durch diese Anlagen Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit von Menschen oder für Sachen entstehen können. Daß eine konkrete Bauführung keine derartige Gefährdung darstellt, ist im Baubewilligungsverfahren zu prüfen und ermöglicht ihre Bewilligung. Es ist somit die abstrakte Gefahr, welche die Baubewilligungspflicht begründet, von einer konkreten Gefahr, die ein bestimmtes Bauprojekt herbeizuführen geeignet ist und die Ablehnung des Bauansuchens nach sich ziehen muß, zu unterscheiden. Daß von einem Flachsilo Gefahren im Sinne des § 25 lit. e TBO ausgehen können, ist ‑ entgegen der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde geäußerten Ansicht ‑ evident. Die Wände eines Flachsilos haben nicht bloß Trennfunktion, sondern sollen die darin gelagerten Güter zusammenfassen, weshalb sie jedenfalls einem nach außen wirkenden Horizontaldruck standzuhalten haben.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage war auf die Frage, ob das Bauwerk trotz der Widmung der Liegenschaften als Sonderflächen für „Feuerwehr“ und „Kindergarten“ auf den gegenständlichen Parzellen errichtet werden dürfe, nicht mehr einzugehen.

Da sich die Beschwerde somit zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 11. September 1986

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte