VwGH 84/06/0111

VwGH84/06/011113.6.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzender, Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerden des R S in F, vertreten durch Dr. Otto Wendling, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung 1.) vom 13. März 1984, Zl. Ve‑550‑1044/1, und 2.) vom 24. Juli 1984, Zl. Ve‑550/1044/2, beide betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1978 §36 Abs3
BauO Tir 1978 §40 Abs2
BauO Tir 1978 §56 Abs1
LBauO Tir §1 idF 1972/012
LBauO Tir §52 idF 1972/012

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984060111.X00

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.600,‑‑ und S 8.445,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde F (mitbeteiligte Gemeinde) vom 4. August 1969 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 45 und 49 der Tiroler Landesbauordnung (TLBO) die Baubewilligung zur Errichtung eines offenen Kleintierunterstandes (6,20 m x 4,10 m unter Ausnützung einer Bodenmulde mit Betonflachdach und nachträglicher Überschüttung) auf der Gp. Nr. 159/2, KG F, unter verschiedenen Auflagen nach Maßgabe des eingereichten Planes erteilt und darauf verwiesen, daß die Baubewilligung erlösche, wenn nicht binnen zwei Jahren nach Eintritt ihrer Rechtskraft mit den Bauarbeiten begonnen werden sollte. Der Bauplan trägt auch die Unterschrift eines Bauführers. Der Bescheid wurde am 4. Oktober 1969 zugestellt. Auf Grund einer lediglich eine hier nicht maßgebende Auflage betreffenden Berufung des Beschwerdeführers sprach der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 7. März 1970 aus, daß diese in die Kompetenz der Weginteressentschaft falle und daher aus dem Bewilligungsbescheid zu beseitigen sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 31. März 1970 zugestellt.

Einem Aktenvermerk vom 1. Juli 1983 ist zu entnehmen, der Beschwerdeführer habe über telefonische Anfrage angegeben, daß die Fundamente für den Kleintierstall schon lange vorhanden seien.

Mit Schreiben des Bürgermeisters vom 1. Juli 1983 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß u. a. der Baubescheid vom 4. August 1969 betreffend die Errichtung des Kleintierunterstandes erloschen sei. Bei einer Begehung am 1. Juli 1983 hätten keine Bautätigkeiten festgestellt werden können. Sollte das Objekt errichtet werden, so sei ein neues Ansuchen erforderlich. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am 5. Juli 1983 zugestellt.

In einem Aktenvermerk vom 14. September 1983 wurde festgehalten, es sei bei einem Augenschein festgestellt worden, daß auf der vermeintlichen Baustelle eine Baugrube ausgehoben und eine Stahlbetonplatte mit Steckeisen auf der Süd‑, West‑ und Ostseite im Ausmaß von 6 m x 10,25 m ausgeführt worden sei. Eine Bauführertafel sei nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer habe erklärt, er habe eine rechtskräftige Baubewilligung für den angefangenen Kleintierunterstand.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 14. September 1983 wurde dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Augenschein gemäß § 40 der Tiroler Bauordnung (BO) die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt und einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Baubewilligung vom 4. August 1969 sei bereits im Jahre 1971 erloschen und habe keine Gültigkeit mehr.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, es sei bereits 1969/70 mit den Betonierungsarbeiten begonnen und das Bauvorhaben nunmehr fortgesetzt worden. Die Baubewilligung sei nicht erloschen, zumal mit dem Bau innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft der Bewilligung begonnen worden sei.

Aktenvermerken vom 15. Oktober und 7. November 1983 ist zu entnehmen, es seien am 16. September 1983 errichtete Schalungen der. Wände mit Beton gefüllt, sodann die Schalungen wieder entfernt und (außerhalb der Wände) mit Grobschotter ausgefüllt worden.

In seiner Stellungnahme vom 4. November 1983 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe die Fundamentplatte bereits 1969 selbst gegossen. Die bei Wiederaufnahme der Arbeiten 1983 eingesetzten (namentlich genannten) Arbeiter könnten bestätigen, daß die Fundamente bereits vorhanden gewesen seien.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. November 1983 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei die Baubewilligung am 19. Oktober 1971 erloschen, da mit den Bauarbeiten nicht zeitgerecht begonnen worden sei. Es liege keine Baubeginn‑ oder Bauführermeldung aus den Jahren 1969 bis 1971 vor. Am 20. Mai 1981 sei von der Baubehörde erster Instanz festgestellt worden, daß weder mit den Erd‑ und Bauarbeiten bzw. mit den behaupteten Betonierungsarbeiten für den Kleintierunterstand begonnen worden sei. Am 1. Juli 1983 sei ein Erdaushub im Bereich der vorhandenen Mulde zu bemerken gewesen. Trotz des an den Beschwerdeführer gerichteten Schreibens vom 1. Juli 1983 seien die Bauarbeiten für ein größeres Gebäude (im Ausmaß von 6 m x 10,25 m) begonnen und im September 1983 mit der Einbringung der Stahlbetonplatte mit Steckeisen fortgesetzt worden. Der Antrag auf Vernehmung der Zeugen über den Bestand einer vermeintlichen Fundamentplatte werde abgewiesen, da sich aus den obigen Feststellungen ergebe, daß die Arbeiten erst im Juni 1983 begonnen worden seien.

Am 14. November 1983 langte bei der mitbeteiligten Gemeinde ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 11. November 1983 ein, in dem er vorbrachte, es seien 1969 die senkrechten Fundamente unterhalb der Bodenplatte (und nicht die Fundamentplatte) erstellt worden. Bereits seit 1969 sei verschiedenes Baumaterial, darunter auch Schalsteinziegel, auf der Parzelle gelagert gewesen, das schließlich 1969/70 für die senkrechten Fundamente verwendet worden sei. Die Fundamente habe der Beschwerdeführer selbst erstellt. Er werde sich bemühen, die seinerzeitigen Rechnungen vorzulegen.

In der gegen den Bescheid vom 9. November 1983 rechtzeitig erhobenen Vorstellung verwies der Beschwerdeführer auf die bereits 1969/70 begonnenen Betonierungsarbeiten. Es seien die senkrechten Fundamente unterhalb der Betonplatte erstellt und hiebei Schalsteinziegel verwendet worden. Wäre der Beschwerdeführer den von der ersten Instanz vorgenommenen Begehungen beigezogen worden, hätte er die bereits 1969 gegossenen senkrechten Fundamente vorzeigen können. Deshalb und weil die beantragten Zeugen nicht vernommen worden seien, sei ihm die Gelegenheit genommen worden, den Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben zu erbringen. Er habe auch nicht im Juni 1983 mit den Bauarbeiten für ein größeres Gebäude begonnen und baue lediglich den bewilligten Kleintierunterstand weiter.

Mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid vom 13. März 1984 wurde die Vorstellung abgewiesen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach § 52 der gegenständlich noch anzuwendenden TLBO werde eine Baubewilligung unwirksam, wenn nicht binnen zwei Jahren (vom Tag ihrer Rechtskraft an gerechnet) mit dem Bau begonnen werde. Da der TLBO die Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung fremd sei und der Beschwerdeführer auch die Erwirkung einer solchen nicht behauptet habe, sei lediglich zu prüfen gewesen, ob die Gemeindebehörden zu Recht zu dem Ergebnis gelangen konnten, es sei mit dem Bau des Kleintierunterstandes innerhalb der zweijährigen Frist nicht begonnen worden, weshalb der Baubewilligungsbescheid seine Wirksamkeit verloren habe, was die Baueinstellung (nach § 40 Abs. 2 BO) rechtfertige. Mit dem Vorstellungsvorbringen vermöge der Beschwerdeführer seine Verfahrensrüge nicht zu rechtfertigen. Diese laufe im Ergebnis darauf hinaus, daß die oberste Gemeindebehörde bei Aufnahme der angebotenen Beweise ‑ also bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zu dem Schluß hätte kommen müssen, daß der Beschwerdeführer selbst im maßgebenden Zeitraum als Baubeginn zu wertende Baumaßnahmen gesetzt habe. In der Nichtaufnahme könne aber kein Verfahrensmangel erblickt werden, weil zufolge § 1 Abs. 1 TLBO der Bauherr bei Neubauten etc. noch vor Beginn des Baues dem Bürgermeister den Bauführer namhaft zu machen habe und zufolge Abs. 2 jeder Wechsel in der Person des Bauführers anzuzeigen sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. April 1962, Zl. 1867/60, zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung der Bauordnung für das Burgenland, LGBl. Nr. 37/1926, ausgeführt habe, könne von einer Bauführung, die das Außerkrafttreten einer Baubewilligung ausschließe, nicht schon dann gesprochen werden, wenn der Bauherr selbst (allein oder mit fremden Hilfskräften) Bauarbeiten durchführe, sondern nur dann, wenn die Arbeiten zumindest unter der Leitung und Überwachung eines befugten Gewerbetreibenden vorgenommen worden seien. Daß dies zutreffe, habe der Beschwerdeführer nie behauptet, sodaß die Gemeindebehörde mit Recht davon ausgehen habe können, es sei der Baubescheid aus 1969 außer Kraft getreten. Da ein an sich bewilligungspflichtiges Vorhaben ausgeführt werde, sei mangels Vorliegens einer Baubewilligung mit Recht die Baueinstellung verfügt worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 10. November 1983 wurde unter Hinweis auf den Bescheid der Gemeindevertretung vom 9. November 1983 verfügt, daß die ohne rechtskräftige Baugenehmigung erstellten Stahlbetonmauern samt Bodenplatte für den vermeintlich offenen Kleintierunterstand gemäß § 40 Abs. 2 BO bis spätestens 1. Dezember 1983 abzubrechen und der rechtmäßige Zustand durch Zuschüttung der Baugrube wiederherzustellen sei. Zur Begründung wurde im wesentlichen darauf verwiesen, daß keine rechtskräftige Baubewilligung vorliege und deshalb bereits die Einstellung der Bauarbeiten verfügt worden sei. Es sei daher nunmehr spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer vor allem sein bisheriges Vorbringen und machte in einem Nachtrag vom 10. Jänner 1984 einen weiteren Zeugen namhaft.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 23. Mai 1984 wurde der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß die Abbruchsfrist bis 15. Juli 1984 verlängert werde. Begründend wurde unter Hinweis darauf, es sei schon im Bescheid des Gemeindevorstandes vom 9. November 1983 und im erstangefochtenen Bescheid vom 13. März 1984 bestätigt worden, daß die Baubewilligung erloschen sei, und die damit verfügte rechtskräftige Baueinstellung dargelegt, es sei, wenn nicht innerhalb eines Monates nach Zustellung des Einstellungsbescheides nachträglich um die Baubewilligung angesucht werde, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen. Es sei um keine nachträgliche Bewilligung eingekommen worden, weshalb spruchgemäß vorzugehen gewesen sei.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung verwies der Beschwerdeführer auf sein bisheriges Vorbringen. Im übrigen sei in dem den Baubewilligungsbescheid vom 4. August 1969 zugrunde liegenden und genehmigten Plan der befugte Bauführer namentlich genannt.

Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid vom 24. Juli 1984 wurde auch diese Vorstellung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei davon auszugehen, daß die Baubewilligung aus 1969 durch die Nichtsetzung eines relevanten Baubeginnes ihre Wirksamkeit verloren habe und die nunmehr in Angriff genommenen Baumaßnahmen von keinem behördlichen Konsens mehr getragen wurden. Diese im Bescheid des Gemeindevorstandes vom 9. November 1983 zum Ausdruck kommende und von der Vorstellungsbehörde bestätigte Auffassung sei in Rechtskraft erwachsen und binde bis zur allfälligen Aufhebung der Vorstellungsentscheidung alle Parteien und Behörden. Es sei daher der Gemeindebehörde die Verfügung der Beseitigungsanordnung nicht verwehrt, zumal ein solches Vorgehen im Gesetz gedeckt sei, wenn ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Bewilligung ausgeführt werde. Da der Beschwerdeführer nach der bescheidmäßig erfolgten Untersagung der Bauarbeiten um eine Bewilligung unbestritten nicht eingekommen und auch die Bewilligungspflicht nach § 25 lit. a und e BO nicht in Zweifel gezogen worden sei, sei daher der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt worden.

Gegen den erstangefochtenen Bescheid vom 13. März 1984 richtet sich die zu hg. Zl. 84/06/0111, gegen den zweitangefochtenen Bescheid vom 24. Juli 1984 die zu hg. Zl. 84/06/0187 protokollierte Beschwerde, wobei jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und in den von ihr erstatteten Gegenschriften beantragt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, beide Beschwerden im Hinblick auf den persönlichen und sachlichen Zusammenhang zu verbinden und sodann über diese erwogen:

§ 40 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978 (Wiederverlautbarung der Tiroler Bauordnung LGBl. Nr. 42/1974, in Kraft getreten mit 1. Jänner 1975), lautet:

„Wird ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiefür vorliegt, so hat die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten an diesem Bauvorhaben zu untersagen. Wird innerhalb eines Monats nach Zustellung des Untersagungsbescheides nicht nachträglich um die Baubewilligung angesucht oder wird die Baubewilligung nicht erteilt, so hat die Behörde die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der baulichen Anlage, für die keine Bewilligung vorliegt, zu verfügen.“

In den beiden Beschwerden wiederholt der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und bekämpft die Feststellung, es sei die maßgebende Baubewilligung vom 4. August 1969 mangels fristgerechten Baubeginns außer Kraft getreten.

Entscheidend für den Ausgang der beiden Beschwerdefälle ist, ob die Rechtsansicht der belangten Behörde zutrifft, daß die mit Bescheid vom 4. August 1969 erteilte Baubewilligung auch dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich selbst (allein oder mit fremden Hilfskräften) 1969/70 Bauarbeiten durchgeführt habe, unwirksam geworden ist, zumal nur unter der Leitung und Überwachung eines befugten Gewerbetreibenden (Bauführers) vorgenommene Arbeiten geeignet gewesen wären, das Außerkrafttreten der Baubewilligung nach § 52 TLBO zu verhindern.

Zur Lösung dieser Frage sind insbesondere folgende Bestimmungen von Bedeutung:

„Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901, in der Fassung der Wiederverlautbarung LGBl. Nr. 12/1928, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. Nr. 12/1972:

§ 1. Bei Neubauten, Zubauten oder Umbauten, wie auch bei wichtigeren Abänderungen (S 45) hat der Bauherr noch vor Beginn des Baues dem Bürgermeister den Bauführer namhaft zu machen.

Auch jeder Wechsel in der Person des Bauführers ist anzuzeigen.

§ 52. Die Baubewilligung wird unwirksam, wenn nicht binnen zwei Jahren (vom Tage ihrer Rechtskraft an gerechnet) mit dem Baue begonnen wird.“

„Tiroler Bauordnung, in der schon zitierten Fassung:

§ 56 (1). Bewilligungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits rechtskräftig sind, bleiben unberührt. Für das Erlöschen solcher Bewilligungen sind die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Bereits begonnene Vorhaben sind innerhalb der im § 41 Abs. 1 angegebenen Frist zu vollenden. Diese Frist beginnt frühestens mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu laufen.

§ 35 (1). Die Baubewilligung verliert ihre Wirksamkeit, wenn die Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen zwei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung begonnen worden ist. ....

(2) Die Frist für die Wirksamkeit der Baubewilligung kann auf schriftlichen Antrag um jeweils höchstens ein Jahr verlängert werden, wenn der Baubeginn ohne Verschulden des Bauwerbers verzögert worden ist und ....

§ 36 (3). Als Zeitpunkt des Baubeginns gilt der Tag, an dem mit den Erd‑ oder Bauarbeiten, die der Herstellung der baulichen Anlage dienen, begonnen wird.“

Aus den Übergangsregelungen des § 56 Abs. 1 BO ist zu folgern, daß nur bezüglich jener Baubewilligungen, die noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BO, das ist der 1. Jänner 1975, noch gültig waren, ein allfälliges Erlöschen dieser Bewilligungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurteilen ist. Da die gegenständlich relevante Baubewilligung bereits 1969 erteilt wurde, also zufolge § 52 TLBO nur dann weiterhin ihre Gültigkeit behalten konnte, wenn innerhalb von zwei Jahren ab Eintritt ihrer Rechtskraft mit dem Bau begonnen wurde, waren daher vorliegend noch die Bestimmungen der TLBO für die Lösung der Frage, ob die Baubewilligung unwirksam geworden oder weiter gültig ist, heranzuziehen. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß auch § 35 Abs. 1 BO dieselbe zweijährige Frist vorsieht, wobei nunmehr die Möglichkeit besteht, bei Vorliegen der im § 35 Abs. 2 BO genannten Voraussetzungen die Frist für die Wirksamkeit der. Baubewilligung um jeweils ein Jahr zu verlängern.

Daß von einem Baubeginn, der die Unwirksamkeit der Baubewilligung verhindert, nur dann gesprochen werden könne, wenn die innerhalb der im § 52 TLBO genannten zweijährigen Frist vorgenommenen Bauarbeiten zumindest unter der Leitung und Überwachung eines befugten Gewerbetreibenden erfolgten, wobei der Bauführer vor Beginn des Baues dem Bürgermeister namhaft zu machen sei, läßt sich aus § 52 TLBO, auch im gegebenen Gesetzeszusammenhang, nicht ableiten, sofern die Arbeiten im übrigen konsens‑ und bauordnungsgemäß vorgenommen wurden. Zwar beinhaltet § 1 TLBO die Verpflichtung zur Namhaftmachung des Bauführers vor Baubeginn, woraus zu folgern ist, daß sich der Bauherr eines befugten Bauführers zu bedienen hat, doch sieht das Gesetz als Sanktion der Nichtbefolgung nicht den Verlust der Baubewilligung, sondern eine verwaltungsstrafrechtliche Ahndung vor. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher der von der belangten Behörde vertretenen anderslautenden Rechtsansicht nicht anzuschließen. Soweit sich die belangte Behörde im Zusammenhang damit insbesondere im erstangefochtenen Bescheid auf das hg. Erkenntnis vom 17. April 1962, Zl. 1867/60, bezieht, dürfte ihr eine Fehlzitierung unterlaufen sein, zumal diese in Slg. N. F. Nr. 5779/A veröffentlichte Entscheidung im Bereich der Bauordnung für Wien ergangen ist und nicht das Außerkrafttreten einer Baubewilligung mangels fristgerechten Baubeginns betrifft. Allerdings findet sich, veröffentlicht unter Slg. N. F. Nr. 5778/A, das hg. Erkenntnis vom 12. April 1962, Zl. 1640/61, betreffend das Erlöschen einer Baubewilligung nach der Bauordnung für das Burgenland. Abgesehen von den obigen Ausführungen ist jedoch mit dieser ‑ im übrigen vereinzelt gebliebenen ‑ Entscheidung für den Standpunkt der belangten Behörde schon deshalb nichts zu gewinnen, zumal sie zur Bauordnung eines anderen Bundeslandes, die überdies heute nicht mehr in Kraft steht, ergangen ist. Auch der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1972, Zl. 410/71 (in der Gegenschrift zur erstangefochtenen Beschwerde), erweist sich als verfehlt, weil diesem Beschwerdefall bloß die Bestrafung des dortigen Bauherrn wegen Abweichens von der Baubewilligung und, weil er es unterließ, die Arbeiten einem befugten Meister zu übertragen, zugrunde lag.

Ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung gelangte daher die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid zu dem Ergebnis, daß damit die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers unbeachtlich sei, zumal selbst dann, wenn es zutreffe, daß er allein (ohne befugten Bauführer ‑ hiebei ist zu bemerken, daß dies von der belangten Behörde keiner Prüfung unterzogen wurde, obwohl im rechtskräftig genehmigten Bauplan als Bauführer eine solche Person namhaft gemacht wurde) rechtzeitig Baubeginnarbeiten vorgenommen hätte, diese das Außerkrafttreten der Baubewilligung nicht ausschlössen, und unterließ demgemäß eine Prüfung, ob die Feststellung der Gemeindebehörden, es hätten innerhalb der zweijährigen Frist des § 52 TLBO überhaupt keine Bauarbeiten stattgefunden, auf einem mängelfreien Ermittlungsverfahren beruhten. Nun wurden zwar (vgl. die Sachverhaltsdarstellung) Besichtigungen des Bauplatzes vorgenommen, aber diesen der Beschwerdeführer nie beigezogen und auch die von ihm zum Beweis des rechtzeitigen Baubeginnes beantragten Zeugen nicht vernommen. Da eine vorgreifende Beweiswürdigung unzulässig ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1978, Zl. 1488/77), hätte es daher einer Vernehmung dieser Zeugen bedurft. Für den Fall, daß auch danach noch keine ausreichende Beurteilung möglich gewesen wäre, hätte sich auch die Beiziehung eines Amtssachverständigen zur Klärung der altersmäßigen Herkunft jener Bauteile, die nach der Behauptung des Beschwerdeführers schon 1969/70 errichtet worden sein sollen, als zielführend erweisen können.

Der erstangefochtene Bescheid war daher infolge des der belangten Behörde unterlaufenen Rechtsirrtums gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird, falls sich herausstellen sollte, daß tatsächlich bereits innerhalb von zwei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides Baumaßnahmen gesetzt wurden, bei der Beurteilung, ob diese als Baubeginn anzusehen sind, nur auf die objektiven Kriterien abzustellen sein, wobei die Errichtung eines kleinen Teiles des Fundamentes schon als Baubeginn anzusehen ist, soweit sie der Herstellung der (bewilligten) baulichen Anlage dient (vgl. in diesem Zusammenhang die im hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1979, Slg. N. F. Nr. 9754/A, wenn auch zur Bestimmung des jetzt geltenden § 36 Abs. 3 BO ergangenen grundsätzlichen Ausführungen). Aber selbst wenn die Baubewilligung nicht unwirksam geworden ist, wird es auch allenfalls der Beiziehung eines Amtssachverständigen zur Klärung der Frage bedürfen, ob die 1983 fortgesetzten Arbeiten der Baubewilligung und der damals geltenden Bauordnung entsprechen.

Die Frage, ob die Gemeindebehörden und die belangte Behörde davon ausgehen konnten, daß die Baubewilligung aus 1969 unwirksam geworden ist, ist auch für die Erteilung eines auf § 40 Abs. 2 BO gestützten Auftrages, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der baulichen Anlage, für die keine Baubewilligung vorliegt, entscheidungswesentlich, wobei der Auftrag zur Wiederherstellung nicht von der Rechtskraft der vorher zu verfügenden Untersagung der Fortsetzung der Arbeiten abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1985, Zl. 83/06/0151).

Da der erstangefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die im Instanzenzug der Gemeinde ergangene Entscheidung betreffend die zunächst (unter Hinweis auf den Eintritt der Unwirksamkeit der Baubewilligung) verfügte Fortsetzung der Arbeiten bestätigte, und auf den sich die Behörden bei der Erteilung des Beseitigungsauftrages stützten, aus den oben angeführten Gründen aufzuheben war, erweist sich auch der zweitangefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es sich erübrigte, auf das weitere diesbezügliche Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Auch der zweitangefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde Zl. 84/06/0187 beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abzusehen, zumal die Frage der Rechtmäßigkeit der Baueinstellung und der Abbruchspflicht keiner abschließenden Entscheidung zugeführt wird.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, 13. Juni 1985

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