Normen
ABGB §6
ABGB §7
AbgRallg
BAO §21 Abs1
BAO §22 Abs1
EStG 1972 §7 Abs1 idF Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983140215.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der das Gewerbe eines Stahlwarenhändlers betreibt, veräußerte mit Wirkung vom 2. Jänner 1980 einen vordem im Erbwege nach seinem 1978 verstorbenen Vater erworbenen Teilbetrieb einer Schleiferei. Die von ihm noch für diesen Teilbetrieb in der Einkommensteuererklärung für 1980 in Anspruch genommene Absetzung für Abnutzung im Betrage von S 164.992,-- wurde vom Finanzamt mangels einer betrieblichen Nutzung der Anlagegüter der Schleiferei in den Bescheiden betreffend die Einkommensteuer 1980 und die Gewerbesteuer 1980 nicht gewährt.
In seiner Berufung dagegen brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, seiner Meinung nach sei auch bei den am 2. Jänner 1980 verkauften Wirtschaftsgütern eine aliquote Jahresabschreibung vorzunehmen. Diese würde zwar bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur aliquot 2/365tel der Jahresabschreibung betragen (für die beiden Tage, die die Wirtschaftsgüter dem Betrieb gedient haben), nach den Vorschriften des § 7 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1972 müsse jedoch die Halbjahresabschreibung vorgenommen werden.
Gegen die Begründung der abweisenden Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes, die Nutzung der Maschinen des Teilbetriebes habe bereits am 31. Dezember 1979 geendet, führte der Beschwerdeführer im Antrag auf Vorlage seiner Berufung an die belangte Behörde aus, die sinngemäße Anwendung der Berufungsvorentscheidung würde bedeuten, daß Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die betriebsbedingt ein volles Jahr zwar betriebsbereit seien, jedoch nicht genutzt würden, nicht abgeschrieben werden dürften bzw. müßten.
In der vor der belangten Behörde abgeführten mündlichen Berufungsverhandlung gab der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers an, bis zum 15. Jänner 1980 habe Betriebssperre (der Schleiferei) bestanden.
Mit Bescheid vom 12. September 1983 wies die belangte Behörde die Berufung ab und begründete dies im wesentlichen damit, der Teilbetrieb Schleiferei sei mit 2. Jänner 1980 verkauft worden, so daß sich die theoretische bzw. fiktive, nicht auch tatsächliche „Nutzung“ dieser Anlagegüter im Jahre 1980 auf einen Tag, nämlich den Neujahrstag 1980, reduziere. Daß im Einvernehmen mit dem Rechtsnachfolger eine Betriebssperre bis 15. Jänner 1980 vorgenommen worden sei, lasse erkennen, daß im fraglichen Zeitpunkt keinerlei Nutzung des Anlagevermögens zu Betriebszwecken möglich oder beabsichtigt gewesen sei. Es sei aber für die Vornahme einer AfA neben der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes der Zeitpunkt seines Einsatzes im Betrieb entscheidend. In Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei dem Finanzamt zuzustimmen, daß am Neujahrsfeiertag keine bestimmungsgemäße Nutzung der in Betracht kommenden Wirtschaftsgüter erfolgt sei, wodurch die Voraussetzung für die Vornahme einer AfA nicht mehr gegeben gewesen sei. Zwar wäre theoretisch eine außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung auch innerhalb eines kurzen Zeitraumes möglich, doch sei ein entsprechender Vorgang weder behauptet noch nachgewiesen worden. Die vom Beschwerdeführer gewählte Konstruktion sei ausschließlich an der Abgabenersparnis orientiert und führe zu unangemessenen Ergebnissen, weshalb die belangte Behörde im Sinne einer objektiven Nutzungsmöglichkeit des Teilbetriebes ihrer Entscheidung den wahren wirtschaftlichen Gehalt des Veräußerungsgeschäftes zugrunde zu legen gehabt habe.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Insbesondere kann nach § 22 Abs. 1 leg. cit. die Abgabenpflicht durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nicht umgangen werden, vielmehr sind (Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle) bei Vorliegen eines Mißbrauchs die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Ein Mißbrauch von zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten aber ist dann anzunehmen, wenn ein zivilrechtlicher Weg beschritten oder eine wirtschaftliche Form gewählt wurde, dieser Weg oder diese Gestaltungsform dem angestrebten wirtschaftlichen Erfolg nicht gemäß ist und ohne das Ziel der Steuerersparnis unverständlich wäre (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1976, Zlen. 1378/74, 2355/75, Slg. N. F. Nr. 4934/F, u. v. a.).
Im vorliegenden Fall hat der Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde selbst die Tatsache ausdrücklich zugegeben, er habe dem Beschwerdeführer ‑ ausgehend von seiner Rechtsmeinung zu § 7 Abs. 1 EStG 1972 ‑ zu einer Teilbetriebsveräußerung mit Datum 2. Jänner 1980 geraten. Wenn in der Beschwerde nun behauptet wird, mit dem Käufer sei erst am 2. Jänner 1980 Einigung erzielt worden, und die Wirtschaftsgüter seien „auch im Verlauf des 2. Jänner 1980 bis zur tatsächlichen Einigung“ noch durch den Beschwerdeführer „tatsächlich benutzt“ worden, stellt dieses Vorbringen nicht nur im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen dar, sondern es ist auch aktenwidrig und widerspricht dem eigenen unwiderlegt gebliebenen Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers selbst im Abgabenverfahren, und zwar nicht nur in bezug auf das Motiv für die Wahl des Veräußerungszeitpunktes, sondern auch in bezug auf die weitere in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich vorgebrachte Behauptung, es habe bis 15. Jänner 1980 Betriebssperre bestanden, so daß Wirtschaftsgüter dieses Betriebes offenbar „im Verlaufe des 2. Jänner 1980“ weder vom Beschwerdeführer noch sonst von irgendwem „tatsächlich genutzt“ wurden.
Bei dem derart gegebenen Sachverhalt braucht der Verwaltungsgerichtshof auf die zwischen den Parteien dieses Verfahrens strittige Frage, ob hier ein Anwendungsfall der §§ 21 oder 22 BAO gegeben ist oder nicht, gar nicht weiter einzugehen, weil § 7 Abs. 1 EStG 1972, wie jedes österreichische Gesetz, den Grundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB entsprechend nicht nur nach seinem Wortlaut, sondern auch nach seinem Zusammenhang (logische Interpretation) und der damit offenbar verfolgten Absicht des Gesetzgebers (teleologische Interpretation) auszulegen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat bei abweichenden Ergebnissen das der grammatikalischen Interpretation dem der logischen und teleologischen, das der logischen dem der teleologischen zu weichen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1979, Zlen. 1418, 1500/79, Slg.N.F. Nr. 5408/F). Es kann nun für den Verwaltungsgerichtshof keinem Zweifel unterliegen, daß es der aus § 7 Abs. 1 EStG 1972 hervorleuchtenden klaren Absicht des Gesetzgebers nicht entspräche, den halben Jahresbetrag für Absetzung für Abnutzung für Wirtschaftsgüter zu gewähren, nur weil sie an einem einzigen gesetzlichen Feiertag, der überdies in eine Spanne der Sperre dieses Betriebes fiel, noch zu einem bestimmten Betriebsvermögen gehörten.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.
Wien, 25. September 1984
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