VwGH 83/14/0152

VwGH83/14/015217.1.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des A B in C, vertreten durch X Rechtsanwalt in Y gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 19. Mai 1983, Zl. 1044/1 ‑ 2/Hd‑1981, betreffend fahrlässige Abgabenverkürzung, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §34 Abs1 idF 1975/335
FinStrG §8 Abs2 idF 1975/335

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983140152.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.310,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 10. Juli 1981 leitete das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer, einen selbständig erwerbstätigen Architekten, ein Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, der Beschwerdeführer habe fahrlässig eine Abgabenverkürzung von S 128.668,‑‑ dadurch bewirkt, daß er Honorare von S 136.000,‑‑ (1977), S 58.989,‑‑ (1978) und S 26.371,‑‑ (1979) nicht in seine Umsatzsteuer‑ und Einkommensteuererklärungen der betreffenden Jahre aufgenommen habe.

In seiner schriftlichen Rechtfertigung bestritt der Beschwerdeführer den objektiven Sachverhalt nicht, behauptete aber, die Fehler seien seiner sonst sorgfältig arbeitenden Angestellten unterlaufen, die in seinem Auftrage die Bücher und Aufzeichnungen führe; ihm selbst seien die Fehler trotz stichprobenartiger Überprüfung nicht aufgefallen, ein persönliches Verschulden treffe ihn an den unterlaufenen Fehlern und ihren steuerlichen Konsequenzen nicht.

Mit Strafverfügung vom 3. August 1981 erkannte das Finanzamt den Beschwerdeführer der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG schuldig, verhängte über ihn eine Geldstrafe von S 25.000,‑‑ und begründete beides lediglich damit, der Tatbestand sei „durch das Beweisverfahren in objektiver und subjektiver Hinsicht erwiesen“.

Über den dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers führte die Finanzstrafbehörde erster Instanz eine mündliche Verhandlung ab, in der der Verteidiger des Beschwerdeführers die Ausklammerung des Betrages von S 66.000,‑‑ im Jahre 1977 aus dem strafbestimmenden Wertbetrag beantragte, weil „insoweit ein Versehen“ des Büros des Beschwerdeführers vorliege. Bei der Strafbemessung möge die schlechte Auftragslage berücksichtigt werden.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz sprach den Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 21. Oktober 1981 schuldig, fahrlässig eine Abgabenverkürzung von zusammen S 98.926,‑‑ dadurch bewirkt zu haben, daß er die Umsätze 1977 um S 59.926,‑‑, 1978 um S 54.619,‑‑ und 1979 um S 22.349,‑‑ sowie die Gewinne 1977 um S 70.000,‑‑ (d. h. um jene S 66.000,‑‑ deren „Ausklammerung“ der Verteidiger des Beschwerdeführers beantragt hatte, niedriger, als in der Strafverfügung des Finanzamtes angenommen worden war), 1978 um S 58.989,‑‑ und 1979 um S 26.371,‑‑ zu niedrig erklärt habe. Es wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 20.000,‑‑ (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen) verhängt. Begründet wurde dieses Erkenntnis damit, bei der Nichterfassung der jeweils nicht erklärten Honorare sei dem Beschwerdeführer der Vorwurf mangelnder Sorgfalt zu machen. Es könne von einem Unternehmer erwartet werden, der vollständigen Erfassung aller Einnahmen sein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Jedenfalls gehe es nicht an, sich hiebei vollkommen auf Erfüllungsgehilfen zu verlassen, umsomehr als der Beschwerdeführer bereits zweimal wegen Nichterklärung von Einnahmen in Finanzstrafverfahren verwickelt gewesen sei. Bei der Strafbemessung sei als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe berücksichtigt und außerdem auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers Bedacht genommen worden.

In seiner Berufung gegen dieses Erkenntnis führte der Beschwerdeführer aus, seine Bücher und Aufzeichnungen seien nicht von ihm persönlich, sondern von einer Angestellten in seinem Auftrage geführt worden, bei deren Einstellung er sich über ihre berufliche Qualifikation erkundigt und nichts Nachteiliges über sie erfahren habe. Sie werde vom Beschwerdeführer stichprobenweise überprüft, dabei seien ihm aber die festgestellten Fehler nicht aufgefallen. Eine bis in letzte Einzelheiten gehende laufende Überprüfung der Buchhaltungsarbeiten könne dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, zumal ihm selbst hinreichende Kenntnisse des Rechnungswesens fehlten. Bei der Strafbemessung sei überdies die verringerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers (wesentliche Einkommensverminderung ab 1980 wegen schlechter Auftragslage) nicht berücksichtigt worden. Auch sei seine persönliche Leistungsfähigkeit dadurch bedeutend gemindert, daß wegen allgemeiner physischer Erschöpfungszustände nach Auskunft seiner behandelnden Ärzte ein stationärer Krankenhausaufenthalt von drei bis vier Wochen unumgänglich sei.

Die belangte Behörde gab dieser Berufung mit Berufungsentscheidung vom 19. Mai 1983 insoweit Folge, als sie die Geldstrafe auf S 18.000,‑‑, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Tage herabsetzte. Im übrigen wies sie die Berufung ab und begründete dies im wesentlichen damit, allein daß der Beschwerdeführer eine unternehmerische Tätigkeit entfalte, lasse es ihm zumutbar erscheinen, die steuerliche Offenlegungspflicht vollständig zu wahren. Die Tatsache, daß er steuerlich wenig Vorbildung habe, könne ihn nicht entschuldigen. Allein aus der Höhe des Verkürzungsbetrages von S 98.926,‑‑ über drei Jahre hindurch hätte dem Beschwerdeführer die Unvollständigkeit der Abgabenerklärungen auffallen müssen. Mit stichprobenartiger Überprüfung der mit den gegenständlichen Aufgaben von ihm betrauten Angestellten habe der Beschwerdeführer seiner steuerlichen Offenlegungspflicht nicht Genüge getan, zumal eben dieser Angestellten ‑ wie anläßlich einer Betriebsprüfung über die Jahre 1972 und 1973 festgestellt worden sei ‑ Mängel in der Führung der Aufzeichnungen unterlaufen seien, was am 5. Februar 1979 zu einer Bestrafung nach § 34 Abs.1 FinStrG geführt habe. Auch wenn die Angestellte bei ihrer Einstellung gute Referenzen gehabt habe, hätte dieser Vorfall den Beschwerdeführer zu einer stärkeren Überprüfung dieser Angestellten veranlassen müssen, um einer erneuten Verfehlung ihrerseits entgegenzuwirken. Diese Überprüfung hätte keineswegs zu einer bis ins einzelne gehenden Überwachungstätigkeit führen müssen, um die vorliegenden Mängel zu entdecken. Somit erscheine die subjektive Tatseite des § 34 Abs. 1 FinStrG verwirklicht. Die Strafe sei im Hinblick auf die durch den Krankenhausaufenthalt eingetretene verminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers herabgesetzt worden, während die von ihm behauptete rückläufige Einkommensentwicklung auf Grund schlechter Auftragslage bereits bei der Strafbemessung durch die erste Instanz hinlänglich berücksichtigt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Daß der Tatbestand der Abgabenverkürzung unter Verletzung einer Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflicht in dem in den Bescheiden der Abgabenbehörden festgestellten Ausmaß objektiv verwirklicht wurde, ist im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittig. Streitpunkt dieses Verfahrens ist ausschließlich, ob der Beschwerdeführer diese Tat in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen hat oder nicht. Fahrlässig handelt nach § 8 Abs. 2 FinStrG, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Demnach sind (nach Dorazil‑Harbich‑Reichel‑Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, Wien 1974, Tz. 8 zu § 8) Fahrlässigkeitskomponenten

a) objektive Sorgfaltspflicht („nach den Umständen“);

b) subjektive Befähigung („nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt“) und

c) Zumutbarkeit der Sorgfaltsanwendung.

Während feststeht, daß den Beschwerdeführer als den Unternehmer die objektive Sorgfaltspflicht in Ansehung der unterbliebenen Angaben traf und er weder im Abgabenverfahren noch selbst in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof etwas vorbrachte, was auf einen bei ihm bestehenden Mangel der oben angeführten subjektiven Befähigung schließen ließe, reichen die Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht aus, um die Frage zu lösen, ob der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang eine ihm zumutbare Sorgfaltsanwendung unterlassen hat oder nicht. Es steht fest, daß die Unterlassungen in den Steuererklärungen zunächst auf Fehler seiner von ihm im Rahmen seines Unternehmens mit diesen Agenden betrauten Angestellten zurückgingen. Dafür, daß der Beschwerdeführer bei der Auswahl dieser Angestellten die gebotene Sorgfalt verletzt hätte und daher in Form einer culpa in eligendo das ihr unterlaufene Versehen strafrechtlich mitzuverantworten hätte, ergeben weder die Feststellungen des angefochtenen Bescheides noch die Ergebnisse des diesem vorangegangenen Verfahrens einen Anhaltspunkt. Dennoch ist richtig, daß der Beschwerdeführer als der Unternehmer verpflichtet war, die Tätigkeit der erwähnten Angestellten selbst angemessen zu überwachen. Nur wenn er dies in der nach der Sachlage zumutbaren Weise nicht getan hat und diese Unterlassung für die eingetretene Abgabenverkürzung ursächlich wurde, verantwortet er in bezug auf letztere Fahrlässigkeit in Form von culpa in custodiendo.

Auf der Hand liegt, daß die genannte Verpflichtung zu einer angemessenen Überwachung stets nur auf Stichproben beschränkt sein und im Regelfall nicht den gesamten Umfang der Tätigkeit des zu überwachenden Angestellten umfassen kann, weil sie sonst die Wirtschaftlichkeit von dessen Beschäftigung im Unternehmen an sich in Frage stellte. Geht man aber davon aus, daß der Beschwerdeführer die Tätigkeit seiner Angestellten zumutbarerweise nur in Form von Stichproben zu kontrollieren hatte, kann die Lösung der in diesem Strafverfahren strittigen Schuldfrage richtig nur gefunden werden, wenn die Relation zwischen den Geschäftsvorgängen, die fälschlich nicht in die Abgabenerklärungen aufgenommen wurden und sämtlichen derartigen, von der betreffenden Angestellten zu bearbeitenden Geschäftsvorgängen, und zwar sowohl quantitativ (nach der Zahl der Vorgänge) wie auch qualitativ (nach ihrer wirtschaftlichen Größenordnung) festgestellt ist. Denn erst. diese Relation ergibt, ob dem Beschwerdeführer bei gewissenhafter Ausübung der ihm zumutbaren Überprüfung die Nichtberücksichtigung von Geschäftsfällen bei Erstellung der Abgabenerklärungen auffallen mußte oder nicht ‑ sei es nun (quantitativ), weil diese Fälle einen merkbaren Prozentsatz aller Geschäftsfälle, oder (qualitativ), weil diese Fälle ihrem Betrag nach einen merkbaren Prozentsatz der in den jeweiligen Jahren erzielten Gesamtsummen an Einnahmen bzw. an Umsätzen ausgemacht hatten. Solange diese Feststellungen nicht getroffen sind, bedarf der Sachverhalt einer wesentlichen Ergänzung, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen mußte (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965), wobei die unterlaufenen wesentlichen Mängel des Verwaltungsverfahrens auch wahrzunehmen waren, obwohl sie die Beschwerde als solche nicht ausdrücklich geltend gemacht hat (Erkenntnis vom 5. April 1965, Slg. N. F. Nr. 6649/A, u.v.a.).

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, 17. Jänner 1984

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