European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983130006.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bis zur Gründung der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft (in der Folge kurz: Beschwerdeführerin) betrieb Ing. FH als Einzelkaufmann ein Installationsunternehmen mit dem Sitz in H. Ab der Gründung der Beschwerdeführerin stellte die Einzelfirma ihre Geschäftstätigkeit ein, die in Arbeit befindlichen Installationen wurden von der Beschwerdeführerin weitergeführt, neue Aufträge nur von der Beschwerdeführerin übernommen. Das Warenlager, der Fahrzeugpark, Werkzeuge und andere Anlagegüter wurden vom Einzelunternehmen an die Beschwerdeführerin verkauft, wofür seitens des Einzelunternehmers die begünstigte Besteuerung des Veräußerungsgewinnes gemäß § 24 EStG 1972 in Anspruch genommen wurde.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 27. November 1979 errichtet, und zwar zwischen der Ing. FH Ges.m.b.H. einerseits und Ing. FH persönlich andererseits. Demnach hatte die genannte Ges.m.b.H., in welcher Ing. FH als Geschäftsführer fungierte, als Komplementärin nur ihre Arbeitskraft zum Zwecke der Geschäftsführung in die Beschwerdeführerin einzubringen; als einziger Kommanditist trat mit einer Einlage von S 100.000,-- wiederum Ing. FH auf.
Im Einzelunternehmen fand im Jahre 1980 eine die Jahre 1978 und 1979 umfassende Betriebsprüfung statt, welche zu einer griffweisen Zuschätzung bei den Betriebssteuern führte, und deren Ergebnisse von Ing. FH unter Rechtsmittelverzicht gegen die zu erteilenden abgabenrechtlichen Bescheide zur Kenntnis genommen wurden. Diese Abgabenbescheide wurden in der Folge, zum Teil nach Wiederaufnahme des Verfahrens, erlassen und liegen dem im Beschwerdefall strittigen Haftungsbescheid zugrunde.
Das Finanzamt erließ mit der Begründung, das Unternehmen des Ing. FH, Installationen, H, P‑gasse 21, sei im November 1979 an die Beschwerdeführerin übereignet worden, an die letztere einen Haftungsbescheid gemäß § 14 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer 1978 und 1979, Gewerbesteuer 1978 und 1979 sowie Verspätungszuschläge) in der Gesamthöhe von S 729.103,--. Gleichzeitig mit diesem Haftungsbescheid stellte das Finanzamt der Beschwerdeführerin die diesem zugrunde liegenden Abgabenbescheide zu.
In ihrer ausschließlich gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, sie könne für Steuerschulden der Fa. Ing. FH nicht herangezogen werden, da „keinerlei Übernahme des Unternehmens Ing. FH in der Fa. Ing. FH Ges.m.b.H. & Co KG erfolgte“.
Diese Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet ab, wobei sie gleichzeitig das Ausmaß der Haftung der Beschwerdeführerin mit S 3,189.899,54 neu festsetzte. Die Übereignung eines Unternehmens im Ganzen gemäß § 14 BAO liege dann vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernehme. Dabei müßten nicht alle Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens bildeten und den Erwerber in die Lage versetzten, das Unternehmen fortzuführen. Die Beschwerdeführerin habe kurz nach dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages in den vorhandenen Betriebsräumen einen dem vorangegangenen gleichartigen Gewerbebetrieb aufgenommen, ohne daß dafür noch bedeutende Investitionen nötig gewesen wären. Der vorhandene Kundenstock habe mit Rücksicht auf den unveränderten Standort weitgehend erhalten werden können. Die Berichtigung des Haftungsbetrages gründe sich auf die vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung abgeänderten Verspätungszuschläge für Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1979. Weiters seien die Umsatzsteuerguthaben des Jahres 1979 zwingend auf den ältesten Abgabenrückstand anzurechnen, nicht aber auf die Umsatzsteuer des Jahres 1979. Die Umsatzsteuer 1979 laute daher richtig auf S 2,629.544,--.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit folgender Begründung: Im vorliegenden Steuerfall sei Steuerschuldner und damit Haftender der Steuerpflichtige Ing. FH. Sicher seien bei der Umstrukturierung wesentliche Teile der früheren Einzelunternehmung übernommen worden, doch sei ein neues Rechtsgebilde entstanden. Der persönliche Schuldner Ing. FH sei zwar in der neuen Firma ebenfalls Gesellschafter, doch könne nicht automatisch die Übernahme der persönlichen Steuerschuld durch die Kommanditgesellschaft angenommen werden. Nicht alle zum Einzelunternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter seien übernommen worden. Es handle sich hier nicht um den Erwerb eines Betriebes im Sinne des § 14 Abs. 1 BAO. Die Übereignung eines Betriebes liege eigentlich nicht vor, sondern eine rechtliche Umstrukturierung, da kein lebensfähiges Unternehmen übernommen worden sei (siehe hohe Steuerschulden des Einzelunternehmers). Die Beschwerdeführerin sei neu gegründet worden. Diese Rechtsansicht habe der Abgabepflichtige im gesamten Verfahren vertreten. Beschwerde werde aber auch dagegen erhoben, daß die ursprüngliche Höhe des Haftungsbescheides von S 729.103,-- auf S 3,189.899,64 erhöht worden sei, da die Durchrechnung des Finanzamtes (Anrechnung der Umsatzsteuer‑Guthaben des Jahres 1979 auf den ältesten Abgabenrückstand und nicht auf die Umsatzsteuer desselben Jahres 1979) falsch sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet, so haftet der Erwerber gemäß § 14 Abs. 1 BAO
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Die belangte Behörde hat zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die Übereignung eines Unternehmens im ganzen dann vorliegt, wenn der Erwerber ein lebendes, bzw. lebensfähiges Unternehmen übernimmt; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen (vgl. etwa Erkenntnisse vom 10. Februar 1967, Slg. Nr. 3570/F, vom 3. Juni 1980, Zl. 1330/79, vom 14. Oktober 1981, Zl. 81/13/0081, und vom 31. Mai 1983, Zl. 81/14/0058).
Die Beschwerdeführerin verkennt die Rechtslage, wenn sie meint, eine Haftung ihrerseits käme im Beschwerdefall deshalb nicht in Betracht, weil sie ein von Ing. FH rechtliche gesondertes, im Zuge einer Umstrukturierung neu gebildetes Rechtssubjekt darstelle. § 14 BAO begründet eine Haftung des Erwerbers neben dem ursprünglich steuerpflichtigen Veräußerer und setzt damit deren rechtliche Verschiedenheit voraus. Die Beschwerdeführerin hat demnach nicht die persönliche Steuerschuld des früheren Einzelunternehmers zu übernehmen, sie tritt vielmehr im Rahmen dieser gesetzlichen Vorschrift nur als Haftungspflichtige hinzu. Gerade mit ihrer Argumentation, es habe sich im Beschwerdefall um eine „rechtliche Umstrukturierung“ gehandelt, in deren Zug die Beschwerdeführerin „wesentliche Teile der früheren Einzelunternehmung übernommen“ habe, gibt die Beschwerdeführerin selbst zu erkennen, daß es durchaus der Absicht der Beteiligten entsprochen hat, daß die Beschwerdeführerin ab ihrer Gründung den Geschäftsbetrieb des Einzelunternehmens übernehmen und weiterführen sollte. Daß in diesem Sinne eine Übereignung des Einzelunternehmens an die Beschwerdeführerin am ganzen stattgefunden hat, war im übrigen nicht nur unbestrittenes Ergebnis der Betriebsprüfung, sondern wurde auch von Ing. FH im Rahmen einer Einvernahme am 14. Februar 1980 dem Finanzamt gegenüber klargestellt; schließlich ist diese Absicht und ihr Vollzug auch daraus zu ersehen, daß der Einzelunternehmer die begünstigte Besteuerung für den dabei erzielten Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 EStG 1972 mit Erfolg steuerlich geltend gemacht hat, was ebenfalls eine Betriebsveräußerung voraussetzt. Demnach sind nicht nur das Warenlager, der Fuhrpark und sonstige Anlagegüter, sondern auch der Standort und der Kundenstock des Einzelunternehmens auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Bei dem Einzelunternehmer, der ab Gründung der Beschwerdeführerin seine eigene Geschäftstätigkeit eingestellt hat, verblieben zwar die offenen Steuerschulden, was jedoch im Sinne der obigen Ausführungen am Vorliegen einer Betriebsübereignung im ganzen gemäß § 14 BAO nichts zu ändern vermag. Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie die Haftung der Beschwerdeführerin für offene Abgabenschulden aus dem Betrieb des Einzelunternehmens in den Jahren 1978 und 1979 gemäß § 14 BAO bejaht hat.
Mit der bloßen Behauptung, die Anrechnung von Umsatzsteuerguthaben aus dem Jahre 1979 auf den ältesten Abgabenrückstand und nicht auf die Umsatzsteuer desselben Jahres 1979 sei unrichtig, vermag die Beschwerde auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der von der belangten Behörde abweichend vom Finanzamt festgesetzten Höhe des Haftungsbetrages aufzuzeigen. Diese Vorgangsweise steht vielmehr im Einklang mit den Abgabenverrechnungsvorschriften der Bundesabgabenordnung; entgegenstehende Verrechnungsanweisungen wurde weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet. Die Beschwerdeführerin vermag insbesondre nicht aufzuzeigen, daß die Abgabenbehörden bei der Ermittlung des Haftungsbetrages Zahlungen oder Gutschriften unbeachtet gelassen hätten, welche auf die diesem zugrunde liegenden Abgabenschuldigkeiten der Einzelfirma anzurechnen gewesen wären. Da unbestritten geblieben ist, daß sämtliche im Spruch des angefochtenen Bescheides aufgegliederten Teilbeträge der Haftungssumme von S 3,189.899,64 Deckung in den betreffenden Abgabenbescheiden finden, wird mit der bloßen Beschwerdebehauptung, die Durchrechnung des Finanzamtes sei falsch, kein wesentlicher Verfahrensmangel aufgezeigt, der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Folge haben müßte.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit nicht als mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 21. September 1983
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