VwGH 83/07/0013

VwGH83/07/001312.11.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde der Stadt F, vertreten durch Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwalt in Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates vom 3. November 1982, Zl. 710.286/03-OAS/82, betreffend Feststellung der rechtlichen Eigenschaft von Grundstücken (Gemeindegut oder Gemeindevermögen) (mitbeteiligte Parteien: 1. 225 "Aktivbürger", alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alfons Bonner, Feldkirch, Vorstadt 8, 2. "Fraktion XY", vertreten durch den Obmann JB, 6800 Feldkirch, Montikeiweg 8), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Nach mehreren erfolglosen, bis in das Jahr 1951 zurückreichenden Versuchen beantragte die zweitmitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens am 10. Februar 1968 bei der Agrarbezirksbehörde Bregenz (im folgenden: ABB) neuerlich die Einleitung eines Regulierungsverfahrens. Da diese Behörde nicht innerhalb von sechs Monaten über den Antrag entschied, machte der Zweitmitbeteiligte am 21. Juni 1971 den Übergang der Entscheidungspflicht an die Oberbehörde geltend. Der Landesagrarsenat für Vorarlberg (im folgenden: LAS) setzte mit Bescheid vom 24. September 1973 die Entscheidung über die Einleitung des Regulierungsverfahrens aus und wies die Sache an die ABB mit dem Auftrag zurück, darüber zu entscheiden, ob die Bürgernutzung der Fraktion XY eine Agrargemeinschaft im Sinne des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes, Anlage zur Kundmachung der Vorarlberger Landesregierung vom 16. Dezember 1971, LGBl. Nr. 43 (im folgenden: VFlVG) darstelle, wer Eigentümer der von den Bürgern der Fraktion genutzten Grundstücke sei und ob es sich bei diesen Grundstücken um Gemeindegut oder Gemeindevermögen handle.

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens stellte die ABB mit Bescheid vom 23. Mai 1977 unter Berufung auf die §§ 45 und 84 VFlVG fest, daß 1. bestimmte - namentlich genannte - Liegenschaften agrargemeinschaftliche Grundstücke des Gemeindegutes F seien, 2. alle unter 1. nicht erwähnten, im grundbücherlichen Eigentum der Stadtgemeinde F stehenden Liegenschaften, insbesondere aber auch bestimmte von der Fraktion XY angesprochene - namentlich genannte Grundstücke Gemeindevermögen seien und 3. die - nicht namentlich genannten - nutzungsberechtigten Personen der Fraktion XY eine Agrargemeinschaft bilden und diese Eigentümerin der als Gemeindegut festgestellten Liegenschaften sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführende Partei, die Mitbeteiligten und ein weiterer Bürger Berufung. Mit Bescheid vom 20. Juli 1978 gab der LAS den Berufungen der Mitbeteiligten Folge und änderte Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides dahin ab, daß nur die von der Fraktion XY angesprochenen - namentlich genannten - Grundstücke, nicht aber alle nicht bereits unter Spruchpunkt 1. als Gemeindegut festgestellten, im grundbücherlichen Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke als Gemeindevermögen festgestellt werden (Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS). (Die Spruchpunkte 2. und 3. dieses Bescheides, mit welchen der Berufung der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben bzw. die Berufung eines weiteren Bürgers abgewiesen wurde, sind für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohne Belang.)

4. Gegen den Berufungsbescheid des LAS erhob die beschwerdeführende Partei am 25. August 1978 wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung verfassungswidriger Normen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (protokolliert unter B 472/78), wobei sie Spruchpunkt 1. dieses Bescheides nur insoweit bekämpfte, als mit diesem die Feststellung über das Gemeindevermögen hinsichtlich der vom ersten Satzteil des Spruchpunktes 2. des erstinstanzlichen Bescheides erfaßten Grundstücke ("alle unter Abs. 1 nicht erwähnten im grundbücherlichen Eigentum der Stadtgemeinde F stehenden Liegenschaften, insbesondere aber auch") beseitigt wurde; Spruchpunkt 1. des LAS-Bescheides blieb hingegen insoweit unangefochten, als er - übereinstimmend mit dem zweiten Satzteil von Spruchpunkt 2. des Bescheides der ABB - die von der Fraktion XY angesprochenen Grundstücke als Gemeindevermögen im Sinne des § 31 Abs. 3 VFlVG feststellte.

5. Außerdem erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LAS vom 20. Juli 1978 Berufung an den Obersten Agrarsenat. Soweit damit Spruchpunkt 1. bekämpft wurde, deckt sich der Umfang der Anfechtung mit dem in der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde geltend gemachten (siehe oben I.4.). Die beschwerdeführende Partei stellte diesbezüglich den Berufungsantrag, der Oberste Agrarsenat wolle in der Sache selbst entscheiden und Spruchpunkt 1. des LAS-Bescheides im Sinne des ersten Satzteiles des Spruchpunktes 2. des Bescheides der ABB ergänzen.

6. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1978 wies der Oberste Agrarsenat die Berufung im vorbezeichneten Umfang (siehe oben I.5.) als unbegründet ab (Spruchpunkt 2.). Die vom LAS verfügte Behebung des ersten Satzteiles von Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides sei schon deshalb zu Recht erfolgt, weil es insoweit an ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen fehle. Die Behebung sei aber auch deswegen gerechtfertigt, weil die insoweit den Gegenstand der Entscheidung bildenden Grundstücke im Hinblick auf § 59 Abs. 1 AVG 1950 nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden seien; die von der Erstinstanz lediglich in einer Art "Generalklausel" vorgenommene Umschreibung der Grundstücke ("alle unter Abs. 1 nicht erwähnten .... Liegenschaften, insbesondere aber auch") sei nicht geeignet, einen dem Gesetz entsprechenden Inhalt des Spruches zu bilden.

7. Auch gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (protokolliert unter B 57/79). In dieser Beschwerde (vom 8. Februar 1979) wurde die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht.

8. In der Folge beschloß der Verfassungsgerichtshof in den beiden vorgenannten Beschwerdesachen der beschwerdeführenden Stadtgemeinde sowie in der - hier nicht interessierenden - Beschwerdesache der Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen einen näher bezeichneten Bescheid des LAS vom 21. Juli 1978 (protokolliert unter B 508/78) gemäß Art. 140 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des § 31 Abs. 2 lit. d VFlVG und des § 15 Abs. 2 lit. d des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes, BGBl. Nr. 103/1951, von Amts wegen zu prüfen (Beschluß vom 5. März 1981, B 472/78-28, B 57/79-17, B 508/78-20).

9. Mit Erkenntnis vom 1. März 1982, VfSlg. 9336 (siehe auch Kundmachungen BGBl. Nr. 212/1982 sowie Vlbg.

LGBl. Nr. 14/1932), hob der Verfassungsgerichtshof u.a. die unter I.8. angeführten Gesetzesbestimmungen gemäß Art. 140 B-VG als verfassungswidrig auf. Gleichzeitig erkannte er zu Recht, daß frühere Vorschriften nicht wieder in Wirksamkeit treten und die Aufhebung des § 31 Abs. 2 lit. d VFlVG mit Ablauf des 28. Februar 1983 in Kraft tritt.

10. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 1982, VfSlg. 9435, erkannte der Verfassungsgerichtshof - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung - gemäß Art. 144 B-VG zu Recht, daß die beschwerdeführende Stadtgemeinde durch Spruchpunkt 2. des Bescheides des Obersten Agrarsenates vom 6. Dezember 1978 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden ist und dieser Bescheid insoweit aufgehoben wird; ferner, daß die Beschwerde derselben Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 als unzulässig zurückgewiesen wird. In den Entscheidungsgründen führte der Verfassungsgerichtshof dazu im wesentlichen aus, mit der Aufhebung der Bestimmung des § 31 Abs. 2 lit. d VFlVG sei die für die Feststellung von Rechtsverhältnissen am Gemeindegut maßgebliche materielle Rechtsgrundlage weggefallen; die auf dieser Grundlage aufbauenden, sie voraussetzenden Vorschriften, wie etwa die §§ 43 und 84 Abs. 1 VFlVG, hätten damit für den Bereich des Gemeindegutes ihren Anwendungsbereich verloren. Den Agrarbehörden komme zur Entscheidung über Rechtsverhältnisse am Gemeindegut keine Zuständigkeit mehr zu. Daraus folge, daß auch die bindende Wirkung des rechtskräftigen Bescheides des LAS vom 24. September 1973, die der ABB eine Entscheidung u.a. über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt, aufgetragen habe, wegen nachfolgender Änderung der Rechtslage weggefallen sei. Der im Feststellungsverfahren nach den §§ 43, 84 Abs. 1 leg. cit. gefällte und von der beschwerdeführenden Stadtgemeinde bekämpfte Bescheid des Obersten Agrarsenates entbehre daher insoweit der gesetzlichen Grundlage, weshalb ein Spruchpunkt 2. aufzuheben gewesen sei. Was den zurückweisenden Teil des Erkenntnisses anlangt, wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, daß Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS in bezug auf Spruchpunkt 2. erster Satzteil des erstinstanzlichen Bescheides "endgültig" und der Bescheid des LAS in diesem Teil eine abändernde Entscheidung sei (§ 7 Abs. 2 AgrBehG). Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des LAS-Bescheides (soweit bekämpft) sei daher mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen gewesen.

11. In dem nach Erlassung des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses vom 19. Juni 1982 fortgesetzten Verfahren entschied der Oberste Agrarsenat (die belangte Behörde) mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. November 1982 neuerlich über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid (Spruchpunkt 1.) des LAS vom 20. Juli 1978, und zwar dahingehend, daß der Berufung gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 und § 1 AgrBehG 1950 in der Fassung der Novelle 1974 stattgegeben und der Spruchpunkt 1. des LAS-Bescheides behoben wird. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen Spruchpunkt 1. des LAS-Bescheides sei seinerzeit mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 1978 in Spruchpunkt 2. als unbegründet abgewiesen worden. Diese Abweisung sei vom Verfassungsgerichtshof durch das Erkenntnis vom 19. Juni 1982 aufgehoben worden. Die belangte Behörde habe daher neuerlich über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 zu entscheiden gehabt. Der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes folgend, die dieser in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1982 zum Ausdruck gebracht habe, ergebe sich, daß mit der Aufhebung der Bestimmung, die Gemeindegut der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken unterworfen habe, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1982 die für die Feststellung der rechtlichen Eigenschaft von Grundstücken (Gemeindegut oder Gemeindevermögen) bzw. von Rechtsverhältnissen am Gemeindegut maßgebliche materielle Rechtsgrundlage weggefallen sei. Die auf dieser Grundlage aufbauenden, sie voraussetzenden Vorschriften, wie z.B. § 43 und § 84 Abs. 1 VFlVG, hätten damit ihren Anwendungsbereich verloren. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei der Berufung stattzugeben und Spruchpunkt 1. des LAS-Bescheides zu beheben gewesen.

12. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid der belangten Behörde in ihrem Recht auf eine Entscheidung des Inhaltes verletzt, daß Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978, soweit er von ihr nicht bekämpft worden ist, aufrecht bleibt, somit in diesem Umfang dessen Rechtskraft nicht beseitigt wird; daß alle im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke Gemeindevermögen darstellen und diese keine agrargemeinschaftlichen Grundstücke sind; daß der der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1982 geäußerten Rechtsansicht entsprechende Rechtszustand hergestellt wird; schließlich daß die Berufungen der mitbeteiligten Parteien (gegen den Bescheid der ABB vom 23. Mai 1977) zurück- allenfalls abgewiesen werden und Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides vollinhaltlich bestätigt wird. Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und begehrt deshalb dessen Aufhebung.

13. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte die Berufungen der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid der ABB vom 23. Mai 1977, auf Grund deren durch den Bescheid des LAS vom 20. Juli 1978 ein wesentlicher Teil des Spruchpunktes 2. des erstinstanzlichen Bescheides beseitigt worden war, im Hinblick auf die durch den Verfassungsgerichtshof bereinigte Rechtslage als unzulässig zurückweisen müssen, kann nicht beigepflichtet werden. Die belangte Behörde war auf Grund des Spruchpunkt 2. ihres Bescheides vom 6. Dezember 1978 aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1982 nur berechtigt und verpflichtet, neuerlich über die Berufung der Beschwerdeführerin - und nicht über Berufungen anderer Parteien - gegen den LAS-Bescheid vom 20. Juli 1978 zu entscheiden. Damit sind die Grenzen der Entscheidungspflicht, zugleich aber auch die Grenzen der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im gegenständlichen Beschwerdefall bestimmt. Ein Abspruch über die von den Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Erstinstanz gerichteten Berufungen durch die belangte Behörde wäre demnach infolge Mißachtung der Zuständigkeitsgrenzen rechtswidrig. Die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung liegt sohin in diesem Punkt nicht vor.

2. Die unter 1. genannten Grenzen der Entscheidungspflicht bzw. der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde gingen aber - und das hat die belangte Behörde, wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, verkannt - keinesfalls über die "Sache" des bei ihr durch die Berufung der Beschwerdeführerin anhängig gemachten Verfahrens hinaus. Aufgrund des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1982, welches nur den Spruchpunkt 2. des Bescheides der belangten Behörde vom 6. Dezember 1978 umfaßte, hatte die belangte Behörde über die Berufung der Beschwerdeführerin demnach nur insoweit neuerlich zu erkennen, als sich diese Berufung gegen den Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 gerichtet hatte.

Dazu weist die Beschwerdeführerin mit Recht in der Begründung ihrer Beschwerde darauf hin, daß sie mit ihrer von der belangten Behörde zu erledigenden Berufung den Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 insoweit unangefochten gelassen hat, als er näher bezeichnete Grundstücke als Gemeindevermögen feststellte, sodaß dieser Teil des Bescheides des LAS nur insoweit angefochten wurde, als er nicht mehr über alle nicht in Absatz 1 des erstinstanzlichen Bescheides erwähnten Liegenschaften, die im grundbücherlichen Eigentum der Beschwerdeführerin stehen, abgesprochen hat. Von einem derart eingeschränkten Umfang der von der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 erhobenen Berufung ist im übrigen auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1982 ausgegangen, in welchem er auf Seite 5 hervorhob, daß dieser Teil des Bescheides des LAS nur insoweit in Beschwerde gezogen worden sei, als er nicht mehr über alle nicht in Absatz 1 des erstinstanzlichen Bescheides erwähnten Liegenschaften im grundbücherlichen Eigentum der Beschwerdeführerin abgesprochen habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid aber hat die belangte Behörde auf Grund der nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wieder unerledigten Berufung der Beschwerdeführerin gegen den beschriebenen Umfang des Spruchpunktes 1. des Bescheides des LAS der Berufung "stattgegeben und den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses behoben".

Eine Begründung dafür, weshalb die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auch den von der Beschwerdeführerin gar nicht angefochtenen Ausspruch in Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS aufgehoben und damit in dessen Rechtskraft eingegriffen hat, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, auf welches die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen hat, eröffnete der belangten Behörde nicht die Möglichkeit, auch über jenen Teil des Spruchpunktes 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 zu entscheiden, der bei ihr gar nicht mit Berufung angefochten war.

In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde hiezu die Auffassung, Punkt 1. des Bescheides des LAS habe eine untrennbare Einheit gebildet, weshalb der Berufungsbehörde die volle Abänderungsbefugnis zugestanden sei. Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Vor der Aufhebung der strittigen Bestimmungen des VFlVG durch den Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 1. März 1982 war eine Feststellung des Vorliegens von Gemeindegut oder Gemeindevermögen in trennbarer Weise für jedes einzelne Grundstück zulässig. Soweit solche Feststellungen für bestimmte Grundstücke vor dem besagten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes unangefochten getroffen worden sind, sind sie - für jedes einzelne betroffene Grundstück trennbar - in Rechtskraft erwachsen und konnten daher nicht mehr dem "Anlassfall" des verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfungsverfahrens zugezählt werden. Im Beschwerdefall waren demnach alle jene Grundstücke, die vom LAS in Punkt 1. seines Bescheides vom 20. Juli 1978 unangefochten als Gemeindevermögen festgestellt worden sind, nicht mehr Gegenstand jener Beschwerden, die beim Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung bestimmter Gesetzesstellen geführt haben.

Den "Anlaßfall" bildeten vielmehr, soweit davon die nunmehr angefochtene Entscheidung der belangten Behörde betroffen ist, nur jene weiteren Grundstücke, deren Feststellung als Gemeindevermögen die Beschwerdeführerin über die in Rechtskraft erwachsene Feststellung des LAS hinaus mit ihrer Berufung erreichen wollte.

Die belangte Behörde hatte daher genauso wie vor dem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1982 auch noch diesem nur die Zuständigkeit zur Entscheidung über den bei ihr von der Beschwerdeführerin angefochtenen, Gemeindevermögen nicht feststellenden Teil des Spruchpunktes 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978.

Da die belangte Behörde dies nicht beachtet und mit ihrem nunmehr angefochtenen Bescheid den Spruchpunkt 1. des Bescheides des LAS vom 20. Juli 1978 auch in seinem schon vor der Änderung der Rechtslage durch den Verfassungsgerichtshof in Rechtskraft erwachsenen Umfang behoben hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

3. Die Anregung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde, das Beschwerdeverfahren zu unterbrechen und § 24 Abs. 2 VwGG beim Verfassungsgerichtshof wegen Gleichheitswidrigkeit anzufechten - nach Auffassung der Beschwerdeführerin gebe es keine sachliche Rechtfertigung dafür, daß Städte ohne eigenes Statut im Gegensatz zu solchen mit eigenem Statut für ihre an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden der Unterschrift eines Rechtsanwaltes bedürfen -, wurde nicht aufgegriffen, da die diesbezüglichen Bedenken den Verwaltungsgerichtshof nicht zu überzeugen vermochten.

4. Bei diesem Ergebnis konnte von der seitens der belangten Behörde beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 12. November 1985

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