VwGH 83/05/0151

VwGH83/05/015117.9.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schemel, über die Beschwerde des LG in F, vertreten durch Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwalt in Krems, Obere Landstraße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Juli 1983, Zl. II/2-V-8311, betreffend Anschluß an die öffentliche Kanalanlage (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde F), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §100;
BauO NÖ 1976 §56 Abs4;
BauRallg;
KanalG NÖ 1977 §17 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §17 Abs3;
BauO NÖ 1976 §100;
BauO NÖ 1976 §56 Abs4;
BauRallg;
KanalG NÖ 1977 §17 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §17 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses in F Nr. n1 zugrunde liegende Baubeschreibung sieht vor:

"Die Fäkalien werden in eine Kläranlage geleitet, welche vorläufig als Senkgrube ausgebildet wird. Die Abwässer von Küche und Bad werden über einen Seifenabscheider in den Ortskanal geleitet."

Wohin die Dachabwässer abzuleiten seien, ist weder den Bauplänen noch der Baubeschreibung zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 6. September 1971 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die beantragte Baubewilligung, wobei hinsichtlich der Auflagen auf die Bauverhandlungsschrift verwiesen wurde; in der Niederschrift über die Bauverhandlung wurde auf die Baubeschreibung verwiesen.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 1972 wurde die Benützungsbewilligung erteilt.

Nach einem im Akt erliegenden Arbeitsauftrag wurde ein Kanalhausanschluß am 2. Oktober 1980 in Auftrag gegeben; eine Baubewilligung hiefür ist den Akten nicht zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 12. Mai 1982 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 17 Abs. 1 und 3 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977 und § 56 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, jeweils in der geltenden Fassung, dem Beschwerdeführer (und einer offensichtlichen Miteigentümerin) den Anschluß an den in der Katastralgemeinde F neugelegten Niederschlagswasserkanal auf. Binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides hätten die Bescheidadressaten um die Baubewilligung für die Errichtung des Hauskanals (bis zur Liegenschaftsgrenze) beim Bürgermeister anzusuchen.

In der dagegen erhobenen Berufung machten der Beschwerdeführer und die Miteigentümerin geltend, daß ihnen die Benützungsbewilligung des neu errichteten Wohn- und Geschäftshauses erteilt worden sei; die anfallenden Regenabwässer seien schon seit Jahrzehnten in der vorhandenen Regenwasserkanal ebenso wie beim alten Haus eingeleitet worden. Bei dem jetzt von der Gemeinde neugebauten Mischwasserkanal sei der alte Regenwasserkanal demoliert und das bisher anfallende Regenwasser über einen von einem bestimmten Unternehmen errichteten Schacht in den neuen Mischwasserkanal eingeleitet worden. Die Kosten des Schachtes seien von ihm an dieses Unternehmen bezahlt worden. Mit Bescheid vom 17. September 1982 gab der Gemeinderat der Berufung des Beschwerdeführers (über die Berufung der Miteigentümerin wurde nach der Kläranlage nicht entschieden) keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich. In der Begründung führte der Gemeinderat aus, daß eine Einleitung von Niederschlagswasser in einen bestehenden Kanal weder bewilligt noch aufgetragen worden sei; die Einleitung der Regenwässer in den alten bestehenden Kanal sei daher widerrechtlich erfolgt. Die Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer gemäß § 56 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung und § 17 Abs. 1 und 3 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes bestehe auch für jene Liegenschaften, deren Abwässer bisher auf eine andere Art und Weise beseitigt worden seien. Durch die Errichtung der öffentlichen Kanalanlage, die derzeit bis zur Fertigstellung der Kläranlage als Niederschlagswasserkanal verwendet werde, sei für den Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Einbringung von Niederschlagswasser in diesen Kanal eingetreten, so daß sie mit dem erstinstanzlichen Bescheid zu Recht aufgetragen worden sei, da ein bewilligter Anschluß nicht vorgelegen sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, daß jeder Eigentümer einer bebauten Liegenschaft grundsätzlich zum Anschluß an den öffentlichen Kanal verpflichtet sei, gleichgültig, ob dieser der Ableitung aller Abwässer oder nur jener der Fäkalabwässer oder Regenwässer diene. Diese Verpflichtung entstehe entweder bei der Herstellung des Gebäudes, wenn in diesem Zeitpunkt vor der Liegenschaft bereits ein öffentlicher Kanal liege, oder dann, wenn vor der bereits verbauten Liegenschaft von der Gemeinde ein neuer Kanal verlegt werde. Im vorliegenden Fall sei "unbestritten", daß von der mitbeteiligten Gemeinde die Errichtung einer Kläranlage und, damit verbunden, die Neulegung des Kanalsystems erfolgt sei, bzw. in der Straße vor dem Grundstück des Beschwerdeführers ein Kanalstrang neu verlegt worden sei. Daraus ergebe sich auf Grund der zwingenden Bestimmung des § 17 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes die Verpflichtung des Beschwerdeführers, an die neugelegte öffentliche Kanalanlage anzuschließen, zumal auf Grund dieser Gesetzesstelle der Bürgermeister verpflichtet sei, den Liegenschaftseigentümern, für die eine Anschlußpflicht eintrete, rechtzeitig mit Bescheid den Anschluß aufzutragen. Der Beschwerdeführer habe weder in der Berufung noch in der Vorstellung Gründe behauptet, aus denen keine Verpflichtung zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten dadurch verletzt, daß ihm zu Unrecht der Anschluß an das Ortskanalnetz von F und die Antragstellung um Baubewilligung für seinen Hauskanal aufgetragen worden sei.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Mit Recht bekämpft der Beschwerdeführer die Ausführung der belangen Behörde, es sei unbestritten, daß eine Kläranlage errichtet und, damit verbunden, die Neulegung des Kanalsystems erfolgt sei. Zutreffend weist er nämlich auf die Begründung des Bescheides der Berufungsbehörde hin, daß die öffentliche Kanalanlage bis zur Fertigstellung der Kläranlage nur als Niederschlagswasserkanal zu verwenden sei und auch der erstinstanzliche Auftrag ausdrücklich auf Anschluß an den öffentlichen Niederschlagswasserkanal (und nicht etwa Abwasserkanal oder Mischkanal) lautete.

Gemäß § 56 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung (BO) ist für jedes Gebäude Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer (Niederschlags-, Schmutz- und Fäkalwässer) zu treffen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind von Dächern abgeleitete Niederschlagswässer entweder in einen Kanal abzuleiten oder in entsprechender Entfernung von Gebäuden zur Versickerung zu bringen. Nach Abs. 4 sind in Gemeinden, in denen zur Beseitigung der Abwässer öffentliche Kanäle bestehen, die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn die Anschlußleitung nicht länger als 50 m und die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne besondere technischen Vorrichtungen möglich ist. Fehlen solche öffentliche Kanäle, sind die Abwässer in Senkgruben zu leiten oder gemäß anderen gesetzlichen Vorschriften in unschädlicher Weise zu beseitigen. Damit im Zusammenhang normiert § 17 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977:

"(1) Die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, haben Gebäude gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen. Der Hauskanal mit samt dem Anschluß an die Anschlußleitung (Abs. 2) ist auf Kosten des Liegenschaftseigentümers (Bauwerbers) nach den näheren Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung und den Anordnungen in der baubehördlichen Bewilligung und innerhalb der in derselben vorgeschriebenen Frist herzustellen. Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlußverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet, die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, daß ein Anschluß an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Bei Neubauten ist im vorhinein auf die Anschlußmöglichkeit Bedacht zu nehmen.

(3) Bei Neulegung eines Hauptkanals der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen vier Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden.

Nach diesen, wenn auch nicht ganz eindeutig formulierten Bestimmungen ist grundsätzlich zwischen zwei Fällen der Anschlußpflicht zu unterscheiden: Bei Erteilung der Baubewilligung im Falle des Bestehens der öffentlichen Kanalanlage und durch gesonderten Auftrag im Falle der "Neulegung eines Hauptkanals". Unter letzteren Begriff kann allerdings nicht jede beliebige Neuverlegung fallen, sondern nur eine solche, durch die eine noch nicht bestehende Anschlußpflicht eintritt; dies ergibt sich aus der Formulierung des ersten Satzes des Abs. 3 über die Verpflichtung des Bürgermeisters zur Erlassung eines entsprechenden Auftrages. Ein derartiger Auftrag kommt ja nur in Betracht, soweit nicht bereits anläßlich der Baubewilligung der Anschluß an die öffentliche Kanalanlage vorgesehen ist. - Vom Auftrag zum Anschluß bzw. dem Vorsehen des Anschlusses in der Baubewilligung muß die für die Herstellung der Anschlußleitung erforderliche baubehördliche Bewilligung unterschieden werden. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers wird sie weder durch die bloße Baubewilligung für den Neubau noch durch dessen bloßen Kollaudierung ersetzt. Daher ist der Auftrag des Bürgermeisters, um nachträgliche Bewilligung des längst vollzogenen Anschlusses an den Kanal anzusuchen, durchaus zutreffend. Diese nachträgliche Bewilligung, um die der Beschwerdeführer schon seit der ursprünglichen Herstellung des Anschlußkanals hätte ansuchen müssen, hat aber mit der Zulässigkeit des Auftrages zum Anschluß an den neugelegten Hauptkanal gegenüber dem Liegenschaftseigentümer, für den dadurch eine Anschlußpflicht eingetreten sein müßte, im Sinne des § 17 Abs. 3 erster Satz des Niederösterreichischen Kanalgesetzes nichts zu tun.

Wie bereits dargelegt, konnte durch die Neulegung eines gleichartigen Kanals keine (neue) Anschlußpflicht entstehen; ein Auftrag im Sinne des § 17 Abs. 3 erster Satz des Kanalgesetzes 1977 entspräche daher nicht der Rechtslage. - Wenn in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. in den hg. Erkenntnissen vom 23. September 1968, Zl. 696/68, und vom 16. Dezember 1968, Zl. 722/68) davon gesprochen wurde, daß es nicht auf den tatsächlichen, sondern auf den rechtlichen Anschluß ankomme, so daß ein Auftrag zum Anschluß an den städtischen Kanal auch ergehen könne, wenn ein Anschluß bereits vorhanden sei, bezog sich dies stets darauf, daß zu Unrecht Fäkalwässer statt bloßem Niederschlagswasser in den städtischen Kanal eingeleitet wurden, der Kanal aber erst wesentlich später zur Aufnahme von Fäkalwässern bau- und wasserrechtlich bewilligt wurde. Nun bestand nach den Behauptungen des Beschwerdeführers, die durch die Aktenlage nicht widerlegt sind, bereits im Zeitpunkt des Neubaues ein Niederschlagswasserkanal, in den nach der für das Haus erteilten Baubewilligung jedenfalls die Küchen- und Badabwässer (!) zu leiten waren. Über die Ableitung der Regenwässer ergibt sich (im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers) weder aus der Baubeschreibung noch den Plänen irgendetwas, es ist weder die Kanaleinleitung noch die Versickerung ausdrücklich vorgesehen. Da der Baubehörde im Jahre 1971 nicht unterstellt werden kann, ein Projekt genehmigt zu haben, das für die Beseitigung der Niederschlagswässer keinerlei Vorsorge traf, muß wohl davon ausgegangen werden, daß die vorhandenen Unterlagen nicht den vollständigen Inhalt der Bewilligung wiedergeben. Bei einer ungenauen Baubewilligung muß aber der faktische Zustand im Zeitpunkt der Benützungsbewilligung als konsensgemäß angesehen werden, sofern er mit der objektiven Rechtslage übereinstimmte (insbesondere also ein Niederschlagswasserkanal überhaupt vorhanden war).

Sollte nach den durchzuführenden Erhebungen zwar ein Niederschlagswasserkanal vorhanden, für die Niederschlagswässer aber dennoch Versickerung vorgesehen gewesen sein, entspricht der undifferenzierte Auftrag des Bürgermeisters zum Anschluß "der Liegenschaft" an den Kanal (nur) deshalb nicht der Rechtslage, weil er nur auf Einleitung der Niederschlagswässer (nicht aber der schon vorgesehenen vorgereinigten Küchen- und Badabwässer) hätte lauten dürfen, was im Verwaltungsverfahren auch weiter nicht beachtet worden ist. Da diese wesentlichen Fragen im gemeindebehördlichen Verfahren nicht entsprechend geklärt worden sind, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, da sie diese Frage weder selbst klärte noch zum Gegenstand der Aufhebung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides machte.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber wird allerdings darauf hingewiesen, daß in dem (offenbar für die Zukunft vorgesehenen) Fall, daß der neue Kanal als Mischwasserkanal ausgebildet wird, also nach Inbetriebnahme der Kläranlage auch Fäkalien aufzunehmen hat, das Tatbestandsmerkmal der Schaffung eines neuen Hauptkanales vorläge, der ungeachtet eines bestehenden - selbst baubehördlich bewilligten - Anschlusses an einen bloßen Niederschlagswasserkanal einen Auftrag zum Anschluß (mit Auflassung bestehender Senkgruben u. dgl.) rechtfertigen würde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1965, Slg. N.F. Nr. 6784/A, und vom 7. März 1966, Zl. 502/65).

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Gerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 17. September 1985

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