VwGH 82/15/0110

VwGH82/15/011019.5.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Schubert, Dr. Hnatek und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stubner, über die Beschwerde der E H in W, vertreten durch Dr. N S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Juli 1982, Zl. GA 11-2231/81, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §881 Abs2;
ABGB §881 Abs3;
ErbStG §2 Abs1 Z3;
ABGB §881 Abs2;
ABGB §881 Abs3;
ErbStG §2 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist die Witwe und Alleinerbin des am 4. Juli 1980 verstorbenen Otto H. Dieser hatte am 4. Juni 1971 einen "Leibrenten-Kaufvertrag" hinsichtlich seiner Beteiligungen an zwei offenen Handelsgesellschaften geschlossen, dessen Punkt III. folgende Vereinbarung enthält:

"(1) Der Kaufpreis, den die XYgesellschaftgmbH für den in Punkt II. Abs. 1 bezeichneten Kaufgegenstand zu leisten hat, ist in Form jeweils im Voraus fälliger Rentenzahlungen zu entrichten,

u. zw. besteht er

a) aus einer am 1. Juli 1971 beginnenden und mit dem Monat des Ablebens des Herrn Kommerzialrat O H endenden monatlichen Leibrente von S 15.600,-- die der Verkäufer erhält, und

b) im Falle des Überlebens der derzeitigen Ehegattin des Verkäufers, Frau E H, aus einer am 1. des auf das Ableben des Verkäufers folgenden Monats beginnenden und mit dem Monat des Ablebens der Frau E H endenden monatlichen Leibrente von S 7.500,--.

(2) Die Leibrente gemäß Abs. 1 lit. b entfällt, falls die Ehe zwischen Herrn Kommerzialrat O H und Frau E H am Tage des Ablebens des Ehemannes infolge zwischenzeitlicher rechtskräftiger Aufhebung oder Scheidung nicht mehr bestehen sollte.

(3) Die beiden Leibrenten gemäß Abs. 1 unterliegen der Wertsicherung; für diese ist der Verbraucherpreisindex 1966 oder, falls dieser nicht mehr verlautbart werden sollte, ein möglichst gleichwertiger Ersatzindex maßgebend."

Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 9. Juni 1981 die von der Beschwerdeführerin zu entrichtende Erschaftssteuer mit S 133.590,-- fest. In die Bemessungsgrundlage wurde neben dem Erwerb durch Erbanfall (S 190.710,--) auch der Kapitalwert der ab 1. August 1986 angefallenen Leibrentenzahlungen (S 1,782.000,--) einbezogen.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete die Beschwerdeführerin ein, sie habe ihren Leibrentenanspruch unmittelbar auf Grund des Vertrages vom 4. Juni 1971 erworben, der Anspruch gehöre daher nicht zu dem durch das Ableben des Ehemannes erfolgten Erwerb von Todes wegen. In einem ergänzenden Schriftsatz stellte sie den Eventualantrag auf Bemessung vom Jahreswert der Rente nach § 29 des Erschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141 (ErbStG), in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 15/1968.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Oktober 1981 gab das Finanzamt dem Hauptbegehren der Beschwerdeführerin nach Ausscheidung des Rentenbezugsrechtes aus der Steuerbemessungsgrundlage nicht Folge. Es setzte die zu entrichtende Erbschaftssteuer mit S 29.760,-- fest und berechnete den gemäß § 29 ErbStG ab 1. August 1982 jährlich zu entrichtenden Steuerbetrag mit S 10.455,-.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über ihre Berufung. Sie hielt daran fest, den streitgegenständlichen Rentenanspruch bereits durch den Vertrag vom 4. Juni 1971 erworben zu haben und machte geltend, dass ihr Ehegatte nicht berechtigt gewesen wäre, einseitig den geschlossenen Vertrag zu ändern und ihr den Anspruch auf die Rente zu entziehen. Abschließend verwies sie auch noch auf § 881 Abs. 3

ABGB.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid traf die belangte Behörde eine mit der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes übereinstimmende Entscheidung, zu deren Begründung sie ausführte:

Wenn durch einen Leibrentenvertrag ein Dritter (der also nicht vertragsschließende Partei sei) mit dem Tod des seinerzeitigen Übergebers einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung erwerbe, liege der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG vor. Erwerbe dieser Dritte aber bereits im Sinne des § 881 Abs. 3 ABGB zu Lebzeiten eines Vertragsteiles einen Anspruch auf die Leistung (und nicht erst mit dem Tod des Vertragspartners), dann sei der Anwendungsfall der eben zitierten Rechtsvorschrift nicht gegeben (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1959, S1g. Nr. 2051/F, und vom 28. September 1959, Zl. 887/59). Ob aus einem Vertrag ein Dritter gemäß der oben genannten Rechtsvorschrift einen Anspruch unmittelbar erwirke, sei allein aus der Natur und dem Zweck des Vertrages zu beurteilen. Ein solcher Anspruch werde dann zu bejahen sein, wenn der Dritte mit Vertragsabschluss ein selbständig durchsetzbares Recht erwerbe. Dies treffe im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Die Beschwerdeführerin habe zu Lebzeiten ihres Ehegatten keine Möglichkeit gehabt, auf der Grundlage des mehrfach genannten Vertrages eine Leibrentenzahlung zu verlangen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem von einem verstärkten Senat beschlossenen Erkenntnis vom 4. Februar 1965, Slg. Nr. 3219/F, zum Erwerb eines Rentenbezugsrechtes und dem Zeitpunkt des Erwerbes dieses Rechtes ausführlich Stellung genommen. Nach dem Erkenntnis sei die Frage, ob und in welchem Zeitpunkt bei einem Vertrag zu Gunsten Dritter der Dritte gemäß § 881 Abs. 2 ABGB ein Recht aus dem Vertrag unmittelbar erwerbe, allein aus der Natur und dem Zweck des Vertrages zu beurteilen. Nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle würde im Zweifel der Dritte dieses Recht dann erwerben, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereiche. Diese Regel gelte aber nicht für die Frage, wann der Begünstigte das unmittelbare Recht aus dem Vertrag erwerbe, sondern nur für die Frage, ob er es überhaupt erwerbe. Daher sei § 881 Abs. 1 und 2 ABGB (auch nach Ehrenzweig) dahin auszulegen, dass der Zeitpunkt, in dem der Begünstigte das Recht auf Leistung erwerbe, grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zusammenfallen müsse, in dem der Begünstigte das Recht gegenüber dem Verpflichteten selbständig durchsetzen könne. Von einem selbständig durchsetzbaren Recht des Begünstigten könnte aber so lange nicht gesprochen werden, als dasselbe von den Vertragspartnern noch beliebig beseitigt oder geändert werden könne oder so lange es von Bedingungen abhängig sei, die erst in Zukunft, nämlich nach Abschluss des Vertrages, in Erfüllung gehen müssen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Berufungsentscheidung erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird, unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Die Verwaltungsinstanzen haben die Besteuerung des streitgegenständlichen Rentenbezugsrechtes der Beschwerdeführerin auf § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG gestützt. Nach dieser Bestimmung gilt als Erwerb von Todes wegen auch der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unimittelbar gemacht wird.

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Beschwerdeführerin das Recht auf den Bezug der im Vertrag vom 4. Juni 1971 zu ihren Gunsten vereinbarten Rente erst mit dem Tod ihres Ehegatten oder noch zu seinen Lebzeiten erworben hat. Die Beschwerdeführerin hält Letzteres für zutreffend und sie verweist zur Begründung ihres Standpunktes auf § 881 Abs. 3 ABGB. Es handle sich, so führt sie hiezu aus, bei der dem Leibrenten-Kaufvertrag zu Grunde liegenden Übereignung von Beteiligungen an offenen Handelsgesellschaften um die Abtretung von Gütern im Sinne dieser Gesetzesstelle. Da abweichende Vereinbarungen nicht getroffen worden seien, gelte ihr Rentenanspruch mit der Übergabe der Beteiligungen am 30. Juni 1971 als von ihr erworben.

Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof

nicht anzuschließen.

§ 881 ABGB lautet:

"(1) Hat sich jemand eine Leistung an einen Dritten versprechen lassen, so kann er fordern, dass an den Dritten geleistet werde.

(2) Ob und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, vom Versprechenden Erfüllung zu fordern, ist aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zwecke des Vertrages zu beurteilen. Im Zweifel erwirbt der Dritte dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteile gereichen soll.

(3) Das Recht auf die bei einer Gutsabtretung vom Übernehmer zu Gunsten eines Dritten versprochenen Leistungen gilt mangels anderer Vereinbarung dem Dritten als mit der Übergabe des Gutes erworben."

Die Anwendung des 3. Absatzes des vorstehend wiedergegebenen Paragraphen hat zur Voraussetzung, dass ein Übergabsvertrag vorliegt. Darunter ist das einheitliche Rechtsgeschäft sui generis zu verstehen, wodurch der Übergeber in Absicht einer verfrühten Erbfolge und lebzeitigen Vermögensabhandlung seine bäuerliche Wirtschaft, sein Unternehmen oder sein Vermögen einem Familienangehörigen als Übernehmer abtritt (Gschnitzer in Klang2 IV, S. 237). Da in solchen Fällen in der Regel auch die weichenden Erben bedacht werden, wurde durch die III. Teilnovelle zum ABGB bestimmt, dass der Dritte im Zweifel mit der Gutsübergabe erwirbt. Es handelt sich beim Übergabsvertrag um einen Vertrag eigener Art mit erb- und familienrechtlichen Bestandteilen. Nicht darunter fallen daher Verträge, wo einem Fremden übergeben wird (Gschnitzer, a. a. O., S. 238).

Der im Beschwerdefall vorliegende Vertrag wurde vom Erblasser mit der XYgesellschaft m.b.H. geschlossen, ihm kommt daher nach dem oben Gesagten nicht der Charakter eines Übergabsvertrages zu. Daraus folgt zugleich, dass sich die Beschwerdeführerin nicht auf die Vorschrift des § 881 Abs. 3 ABGB berufen kann. Ist aber die Frage, ob die Beschwerdeführerin vor dem Tod ihres Ehegatten ein selbständiges Recht auf den Bezug der gegenständlichen Rente erlangt hat, auf der Grundlage des § 881 Abs. 2 ABGB zu beurteilen, so ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass die im Erkenntnis (eines verstärkten Senates) des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1965, Slg. Nr. 3219/F, dargelegte Rechtslage auch im Beschwerdefall zur Verneinung dieser Frage führen muss. Dem Vertrag vom 4. Juni 1971 kann nicht entnommen werden, dass die Vertragschließenden nur mit Zustimmung der Beschwerdeführerin zu einer Änderung des Vertrages in Ansehung ihres Rentenbezugsrechtes berechtigt gewesen wären. Außerdem war das Wirksamwerden dieses Rechtes - ebenso wie in dem mit dem bezeichneten Erkenntnis entschiedenen Fall - noch davon abhängig, dass die Beschwerdeführerin ihren Ehegatten überlebte und dass auch die Ehe mit ihm am Todestag noch aufrecht war. Die belangte Behörde ist daher mit Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin der aus dem Rentenbezugsrecht bestehende Vermögensvorteil unmittelbar mit dem Tod ihres Ehegatten zugekommen ist.

Somit ergibt sich, dass die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt. Die Beschwerde musste daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976, als unbegründet abgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 19. Mai 1983

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