VwGH 82/15/0059

VwGH82/15/005923.6.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerden der Firma EE Ges.m.b.H. in S, vertreten durch Dr. Friedrich Schiller, Rechtsanwalt in Salzburg, Franz-Josef-Straße 32, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 29. März 1982, Zl. 62/1-GA 5-DK/1982, betreffend Rechtsgebühr, und der Firma ES Ges.m.b.H. in S, vertreten durch denselben Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 26. März 1982, Zl. 61/2-GA 5-DK/1982, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §18 Abs4 idF 1981/048;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982150059.X00

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich der Behandlung eines Antrages auf Befreiung nach dem Strukturverbesserungsgesetz, BGBl. Nr. 69/1969, ersuchte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg die beiden Beschwerdeführerinnen mit gesonderten Schreiben um den Nachweis, daß die Liegenschaften, die der Firma Dkfm. Ing. FE gedient haben, den durch die Gesellschaftsverträge entstandenen Gesellschaften weiterhin zur Verfügung stehen. Hierauf teilte die Erstbeschwerdeführerin dem Finanzamt mit Schreiben vom 11. Mai 1981 folgendes mit:

"E Ges.m.b.H. ...

Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern,

Betrifft: Mietvertrag

Dipl.-Kfm. Ing. FE E Gesellschaft m.b.H.

Unsere Gesellschaft hat seit 1. 1. 1980 das im Privateigentum von Dipl.-Kfm.Ing. FE stehende Grundstück langfristig für betriebliche Nutzung gemietet. Das Entgelt beträgt für den von unserer Gesellschaft gemieteten Teil netto S 20.000,-- und ist mit VPI 76 wertgesichert.

Hochachtungsvoll

E

Gesellschaft m.b.H."

Eine schriftliche Mitteilung der Zweitbeschwerdeführerin an das Finanzamt vom selben Tag unterscheidet sich vom Schreiben der Erstbeschwerdeführerin nur insoweit, als an Stelle des Firmenwortlautes der Erstbeschwerdeführerin jeweils jener der Zweitbeschwerdeführerin aufscheint und statt des Betrages von S 20.000,-- ein Betrag von S 80.000,-- ausgewiesen ist.

Das genannte Finanzamt erblickte in diesen Schreiben Beurkundungen von Bestandverträgen und setzte vom dreifachen Jahresentgelt eine Rechtsgebühr in Höhe von S 7.200,-- bzw. S 28.800,-- bescheidmäßig fest.

Beide Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung und brachten im Rechtsmittelverfahren im wesentlichen vor, der Teilbetrieb Elektrowaren bzw. Sanitärwaren der Einzelfirma Dkfm. Ing. FE sei mit Wirkung 1. Jänner 1980 nach Art. III des Strukturverbesserungsgesetzes in die neugegründete Erstbzw. Zweitbeschwerdeführerin eingebracht worden. Voraussetzung für die Anwendung der Begünstigungsvorschriften des Strukturverbesserungsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung sei gewesen, daß die vor der Einbringung dem Betriebsvermögen entnommenen Liegenschaften jeweils der neugegründeten Gesellschaft m.b.H. langfristig wieder zur Verfügung gestellt worden seien. Das Finanzamt habe daher den Nachweis über die widmungsgemäße Verwendung der entnommenen Grundstücke und Gebäude angefordert. Die Beschwerdeführerinnen hätten hierauf dem Finanzamt mitgeteilt, daß sie die gegenständliche Liegenschaft (Liegenschaftsteile) langfristig von Dkfm. E gemietet hätten. In diesen Mitteilungen hätte nun das Finanzamt einen gebührenpflichtigen Tatbestand gesehen. Die Mitteilungen stellten jedoch keine Beurkundung der Rechtsgeschäfte dar, da bei zweiseitigen, verbindlichen Rechtsgeschäften eine Gebührenpflicht bei einer nur einseitigen Unterzeichnung lediglich dann entstehen könne, wenn die einseitig unterzeichnete Urkunde an den anderen Vertragsteil bzw. an dessen Vertreter übergeben oder versandt werde.

Es liege aber auch der Sonderfall des § 18 Abs. 4 des Gebührengesetzes 1957 in der Fassung der Gebührengesetznovelle 1981, BGBl. Nr. 48 (GebG), nicht vor. Voraussetzung für das Entstehen der Gebührenschuld nach dieser Gesetzesstelle sei nämlich, daß die Parteienerklärung bzw. Eingabe gegen den Aussteller zum Zwecke des Beweises dienen solle bzw. zu dienen bestimmt sei. Dem Beweiszweck werde aber mangels Wiedergabe des Vertragswortlautes gegenüber dem Finanzamt nicht Rechnung getragen. Die gegenüber dem Finanzamt abgegebenen Erklärungen könnten auch niemals zu Beweiszwecken gegenüber dem Aussteller herangezogen werden, da der Schriftverkehr zwischen Behörde und den Beschwerdeführerinnen dem Steuergeheimnis unterliege. Die schriftlichen Erklärungen über die mündlich abgeschlossenen Verträge seien auch nur die Antwort auf eine behördliche Anfrage und lediglich zum internen Gebrauch der Finanzverwaltung bestimmt.

Die Mitteilungen an das Finanzamt vom 11. Mai 1981 könnten aber auch nach ihrem Wortlaut der anderen am Rechtsgeschäft beteiligten Person nicht als Beweis dienen, weil sie keine genaue Beschreibung des Mietgegenstandes enthielten. Gehe doch aus den Schreiben nicht hervor, welcher Teil des nicht beschriebenen Grundstückes von der Firma EE, ES und von der Firma L benutzt werde. Aufgrund der ungenauen Angaben über das Bestandsobjekt könnten die einseitigen Erklärungen der Beschwerdeführerinnen nicht den Tatbestand einer Ersatzbeurkundung gemäß § 18 Abs. 4 GebG erfüllen.

Die belangte Behörde gab den Berufungen der beiden Beschwerdeführerinnen mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden keine Folge, weil sie den Tatbestand des § 18 Abs. 4 GebG als erfüllt ansah. Danach seien auch Eingaben an Finanzbehörden gebührenpflichtig, wenn sie die wesentlichen Bestimmungen des Rechtsgeschäftes enthielten. Der gesamte Inhalt des Rechtsgeschäftes müsse nicht wiedergegeben werden. Die wesentlichen Bestimmungen der Bestandverträge enthielten aber die gegenständlichen Eingaben (Bezeichnung des Objektes, monatliche Miete, hinsichtlich der Dauer die langfristige Vermietung). Die Eingaben seien nach ihrem Inhalt geeignet, Beweis über den Abschluß des Rechtsgeschäftes zu machen. Die fehlende genaue örtliche Bezeichnung des Objektes leiste dem keinen Abbruch. Die Eingaben sollten auch Beweis machen, weil die Beschwerdeführerinnen bestimmte mit Gesellschaftsgründungen im Zusammenhang stehende Ziele auf dem Gebiete des Strukturverbesserungsgesetzes erreichen wollten.

Die Gebührenpflicht nach § 18 Abs. 4 GebG sei nicht davon abhängig, daß die Erklärungen von sämtlichen Teilnehmern am Rechtsgeschäft unterfertigt und den nichtunterschriebenen Teilnehmern ausgehändigt worden seien. Die erstmalige Beurkundung des Mietvertrages sei unbestritten. Die Motive, aus denen die Erklärungen abgegeben worden seien, wären unbeachtlich. Es sei daher für die Beschwerdeführerinnen aus dem Vorbringen, die Eingaben stellten lediglich eine Auskunft auf eine behördliche Anfrage dar, nichts zu gewinnen. Die gegenständlichen Erklärungen der Beschwerdeführerinnen könnten nach Form und Inhalt auch nicht lediglich als Auskunft auf eine Anfrage qualifiziert werden; sie würden den inhaltlichen Anforderungen einer Urkunde gerecht, seien geeignet, zum Beweis über das Rechtsgeschäft zu dienen, seien auch zu Beweiszwecken errichtet worden und würden sohin die Gebührenpflicht nach § 18 Abs. 4 GebG auslösen.

Vorliegende Beschwerden machen inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geltend. Die Beschwerdeführerinnen rügen u.a., daß eine lediglich von einem Vertragsteil gefertigte Eingabe nicht dem Begriff der Beurkundung im Sinne des § 18 Abs. 4 GebG gerecht werde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete Gegenschriften und beantragte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 1 GebG sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, daß in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist. Voraussetzung für die Gebührenpflicht von Rechtsgeschäften ist sohin grundsätzlich, daß über sie zu Beweiszwecken eine Schrift, eine (förmliche) Urkunde errichtet wird. Wann die Gebührenschuld für ein solchermaßen beurkundetes Rechtsgeschäft entsteht, ergibt sich aus den Bestimmungen des § 16 GebG.

Außerhalb dieser grundsätzlichen Anordnungen des Gebührengesetzes findet sich die Regelung des § 18 Abs. 4 GebG folgenden Wortlautes:

"Erklärungen (Eingaben, Protokolle), womit vor Gericht oder anderen Behörden ein Rechtsgeschäft beurkundet wird, sind, sofern über das Rechtsgeschäft noch keine andere Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenschuld maßgeblichen Weise errichtet worden ist, als Rechtsurkunden anzusehen und unterliegen der für das Rechtsgeschäft vorgesehenen Gebühr; die Erklärung selbst unterliegt der festen Gebühr für Eingaben oder Protokolle."

Der normative Gehalt dieser Bestimmung ist darin zu erblicken, daß die in dieser Gesetzesstelle genannten Erklärungen dann, wenn nicht schon eine andere Urkunde die Rechtsgebühr für das Rechtsgeschäft ausgelöst hat, als Rechtsurkunden anzusehen sind und gewissermaßen als "Ersatzurkunden" zur Gebührenpflicht des Rechtsgeschäfts führen. Erklärungen (Eingaben, Protokolle) bewirken allerdings nur dann als "Ersatzurkunden" eine Gebührenpflicht, wenn alle Tatbestandselemente des § 18 Abs. 4 GebG erfüllt sind. Dazu gehört auch die Voraussetzung, daß mit den Erklärungen "vor Gericht oder anderen Behörden ein Rechtsgeschäft beurkundet wird". Es genügt also nicht schon, wenn gegenüber einer Behörde eine Erklärung über ein Rechtsgeschäft abgegeben wird, vielmehr muß das Rechtsgeschäft vor der Behörde beurkundet werden. Dieses Erfordernis erscheint aber nur erfüllt, wenn die Erklärung als solche über das Rechtsgeschäft auch Beweis macht (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1962, Zl. 1649/61). Diesem Erfordernis wird die Erklärung einer einzigen Partei gegenüber der Behörde nur ausnahmsweise genügen, etwa dann, wenn derjenige, der einseitig zu einer Leistung verpflichtet ist, sich zu dieser Pflicht bekennt. Bei Bestandverträgen, wie sie in beiden Beschwerdefällen in Streit stehen, erfüllt hingegen eine einseitige Erklärung eines Vertragsteiles über das Rechtsgeschäft regelmäßig nicht das Tatbestandsmerkmal der Beurkundung; denn ein Bestandvertrag ist ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft, das wechselseitige Verpflichtungen der Vertragspartner zum Gegenstand hat, deren Bestehen einer der am Rechtsgeschäft beteiligten Partner allein nicht in beweismachender Art und Weise feststellen kann (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1969, Slg. Nr. 3975/F).

Die von der belangten Behörde zu § 18 Abs. 4 GebG ins Treffen geführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Jänner 1958, Slg. Nr. 1750/F, und vom 15. Jänner 1962, Zl. 1493/61, stehen dieser Beurteilung nicht entgegen, weil diese Entscheidungen im Hinblick auf das damalige Beschwerdevorbringen keine Aussage zur Frage bloß einseitiger Erklärungen über zweiseitig verbindliche Rechtsgeschäfte trafen.

Die aufgezeigte Rechtsrüge der Beschwerdeführerinnen besteht sohin im Ergebnis zu Recht.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 23. Juni 1983

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