VwGH 82/14/0215

VwGH82/14/021512.4.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Sperlich, über die Beschwerde des Dr. OL in N, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 19. Mai 1982, Zl. 6/83/3-BK/Mö-1982, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für 1978 und 1979, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §38 Abs4;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §38 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der nach absolviertem Studium der Fächer Psychologie-Pädagogik und Kunstgeschichte zum Doktor der Philosophie promoviert wurde und der als "Beruf oder Art der Tätigkeit" in seiner Einkommensteuererklärung für 1978 "Psychologe (selbst. Tätigkeit), Personalberater (gewerbl. T.)", in seiner Einkommensteuererklärung für 1979 "Personalberater" und in seinen Gewerbesteuererklärungen für 1978 und 1979 als Art des Gewerbebetriebes "Betriebsberatung, begrenzt auf Personalberatung" angegeben hatte, erhob gegen die Einkommensteuer- und die Gewerbesteuerbescheide des Finanzamtes für 1978 und 1979 Berufung zunächst deshalb, weil seiner Meinung nach nicht nur seine Seminartätigkeit, für die er die Anerkennung des Hälftesteuersatzes nach § 38 EStG 1972 verlangte, sondern auch die Durchführung "isolierter" psychologischer Eignungsuntersuchungen zur selbständigen Tätigkeit zähle, soweit nicht alle seine Aktivitäten als solche zu bewerten seien. In einem weiteren Schriftsatz führte er aus, seine Beratungstätigkeit als promovierter Psychologe entspreche der eines Facharztes, weil er sich auf berufspsychologische Eignungsdiagnostik und Organisationspsychologie spezialisiert habe. Sowohl für die Eignungsfeststellung wie für die organisationspsychologische Arbeit bediene er sich ausschließlich wissenschaftlich standardisierter und sorgfältig erprobter Methoden, was ausreiche, Arzt und Psychologe einander gleichzustellen. Sein Ersuchen auf Anerkennung des Hälftesteuersatzes nach § 38 Abs. 4 EStG 1972 dehne er auf jene Aufträge aus, in deren Rahmen er auf Grund selbst geschaffener Unterlagen schriftliche Arbeiten liefere, "z. B. ein System der Mitarbeiterbeurteilung/-entwicklung, Anleitungen für solche Maßnahmen usw.". In Beantwortung eines Vorhaltes des Finanzamtes erläuterte der Beschwerdeführer seine vier voneinander abgrenzbaren Tätigkeitsbereiche als

1. Firmenberatung (1978 2 %, 1979 0 % der Gesamtätigkeit), nämlich Mitarbeiterbeurteilung oder -entwicklung, betriebliches Vorschlagswesen, Personalorganisation und -führung, teilweise in Verbindung mit innerbetrieblichen Seminaren;

2. Seminartätigkeiten (Anteile am erzielten Gesamtentgelt 1978 27,26 %, 1979 11,02 %), nämlich Durchführung von betriebsinternen und von öffentlich zugänglichen Seminaren, wobei stets Mitarbeiterentwicklung (Förderung der menschlichen und beruflichen "Reifung") und nicht Wissensvermittlung im Vordergrund stehe;

3. Rekrutierung (Entgeltsanteile 49,1 % bzw. 59,8 %), in der Regel psychologische Analyse des zu besetzenden Arbeitsplatzes, Entwicklung des Anforderungsprofils, Entwurf einer Personalanzeige, Abwicklung der Bewerberkontakte, psychologische Eignungsuntersuchung, schriftliche Begutachtung des Bewerbers, Beratung der Vorgesetzten hinsichtlich Einführung und Einsatz des Neulings;

4. Diagnose (Entgeltsanteile 21,55 % bzw. 29,18 %), d. h. "isolierte" psychologische Eignungsuntersuchung von für den Auftraggeber bereits verfügbaren Stellenwerbern oder Mitarbeitern.

Nach Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Vorlage seiner Berufung an die belangte Behörde. In diesem Antrag betonte er, sich nicht gegen die "zahlenmäßige Bearbeitung im einzelnen" zu wenden, sondern im Sinne seiner Berufung nur die Anerkennung seiner gesamten Aktivität als selbständige Tätigkeit nach § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 begehre, weil seine Tätigkeit als Psychologe der eines Arztes gleichzustellen sei.

In einer mit ihm aufgenommenen Niederschrift vom 13. April 1982 gab der Beschwerdeführer an, die Unterteilung seiner Seminartätigkeit in öffentlich zugängliche Seminare an wissensvermittelnden Instituten und nicht öffentlich zugängliche, nur betriebsintern für jeweils ein Unternehmen im Hinblick auf dessen Personalwesen abgehaltene Seminare sei zutreffend; in beiden Fällen verwende er ausschließlich selbst erarbeitete Manuskripte. Diese Seminare entsprächen - nach einer weiteren schriftlichen Eingabe des Beschwerdeführers vom 28. April 1982 - mindestens denen eines Interpreten von Rechtsvorschriften, sie stellten eine "eigentümlich geistige Schöpfung" dar, das Entgelt dafür sei weder Stunden- noch Tageshonorar, es entspreche einem Autorenhonorar; daß dabei der zeitliche Umfang der Veranstaltung Berücksichtigung finde, sei natürlich.

Die belangte Behörde gab den Berufungen mit Bescheid vom 19. Mai 1982 teilweise, in dem in der vorstehenden Sachverhaltswiedergabe dargestellten Bereich aber nur dahin Folge, daß sie die Abhaltung der öffentlich zugänglichen Seminare als selbständige Arbeit gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 qualifizierte und die Steuer für die daraus erzielten Einkünfte als Nebeneinkünfte im Sinne des § 38 Abs. 4 leg. cit. nach ermäßigtem Steuersatz bemaß. Ihre sonstige, für den Beschwerdeführer negative Entscheidung begründete sie im wesentlichen damit, die einzelnen (oben unter 1. bis 4. wiedergegebenen) Teilbereiche der Tätigkeit des Beschwerdeführers - ausgenommen die öffentlich zugänglichen Seminare - seien eng miteinander verflochten und dienten nicht in sich geschlossenen, gegenseitig abgrenzbaren Zwecken; sie seien innerhalb der Beschäftigung als Betriebspsychologe auf dem Gebiete des Personalwesens eine untrennbare sachliche und wirtschaftliche Einheit. Da dieser Beruf in der taxativen Aufzählung des § 22 Abs. 1 EStG 1972 nicht enthalten, dem typischen Berufsbild des Arztes nicht ähnlich sei und mangels erkennbaren Strebens, Lehre und Forschung durch eigene Erkenntnisse fortzuentwickeln, auch nicht als wissenschaftliche Tätigkeit gesehen werden könne, seien die daraus erzielten Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb. Ein ermäßigter Steuersatz stehe dem Beschwerdeführer weder für Einkünfte aus der Veranstaltung sogenannter "innerbetrieblicher Seminare" noch für Einkünfte aus der Erstellung schriftlicher Gutachten zu, weil diese Einkünfte im Rahmen der gewerblichen Haupteinkünfte erzielt würden und somit keine Nebeneinkünfte im Sinne des § 38 Abs. 4 im Zusammenhalt mit § 37 Abs. 1 EStG 1972 seien.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde selbst geht davon aus, die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit sei die eines "Betriebspsychologen" (Seite 10 der Beschwerde). Sie behauptet, diese Tätigkeit sei, obwohl in der taxativen Aufzählung selbständiger Tätigkeiten des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 nicht enthalten, dennoch eine solche, weil sie einerseits der freiberuflichen Tätigkeit des Arztes ähnlich und anderseits unter den Begriff der in der zitierten Gesetzesstelle genannten wissenschaftlichen Tätigkeit zu subsumieren sei.

Beides trifft nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu.

Eine "ähnliche freiberufliche Tätigkeit" im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 liegt nur vor, wenn die Tätigkeit ungeachtet des Fehlens einer der nach einschlägigem Berufs- oder Standesrecht geforderten Voraussetzungen in allen nach der Verkehrsauffassung wesentlichen Momenten mit dem typisierten Bild jenes freien Berufes übereinstimmt, der als Maß der Ähnlichkeit in Betracht kommt und in der Aufzählung des Gesetzes enthalten ist. Dazu gehören jedenfalls

a) fachliche Qualifikation durch entsprechend gehobene Vorbildung und

b) eine tatsächliche Tätigkeit, die den wesentlichen und typischen Teil der Tätigkeiten umfaßt, zu denen die einschlägigen Vorschriften über den freien Beruf, zu dem Ähnlichkeit angenommen werden soll, berechtigen (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1977, Zl. 1932/76, und vom 18. Jänner 1983, Zl. 82/14/0096, 0098).

Das Wesen der ärztlichen Berufstätigkeit besteht, wie der Verwaltungsgerichtshof u. a. in seinem Erkenntnis vom 12. Mai 1976, Zlen. 2326/75, 270/76, klargestellt hat, darin, daß es auf dem Studium der gesamten Heilkunde beruht. Eine dem Arzt ähnliche Tätigkeit übt daher nur jener aus, der sich umfassende medizinisch-wissenschaftliche Kenntnisse in einem solchen Maß erworben hat, daß er in der Lage ist, die gesamte Heilkunde auszuüben. Davon kann bei einem Betriebspsychologen, auch wenn er über die akademische Vorbildung des Beschwerdeführers verfügt, nicht die Rede sein. Der Hinweis der Beschwerde darauf, daß auch viele Ärzte nicht die gesamte Heilkunde ausüben, sondern als Fachärzte nur in einem Teilbereich tätig sind, geht am Kern des gegebenen Rechtsproblems vorbei, weil nach dem Gesetz als Modell für die Beurteilung bestehender "Ähnlichkeit" das typisierte Bild des freien Berufes, zu dem diese Ähnlichkeit angenommen werden soll, maßgebend ist und nicht das tatsächliche Bild mehr oder weniger eingeschränkter Tätigkeit, wie sie von einzelnen der im Gesetz angeführten Freiberuflern ausgeübt wird.

Wissenschaftlich im Sinne der angeführten Gesetzesstelle aber ist eine Tätigkeit nicht bereits dann, wenn sie auf Erkenntnissen der Wissenschaft aufbaut, diese verwertet und sich "wissenschaftlicher Methoden" bedient, sondern erst wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich der Forschung, d. h. dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, oder (und) der Lehre, d. h. der Vermittlung einer Wissenschaft an andere (Lernende) zum Zwecke der Erweiterung ihres Wissensstandes dient. Demgegenüber liegt das Schwergewicht der Tätigkeit des Beschwerdeführers, wie die von ihm selbst mehrfach dafür gebrauchte Bezeichnung Personalberater bzw. Betriebspsychologe und ihre im Abgabenverfahren erfolgte nähere Beschreibung ergeben, auf der praktischen Anwendung der von einer bestimmten Wissenschaft (der Psychologie) gewonnenen Erkenntnisse in Form von Eignungsuntersuchungen, von über deren Ergebnisse erstellten Gutachten und von individuellen, in geschlossenen Vorträgen den Angehörigen eines jeweils bestimmten Betriebes erteilten Beratungen, jene Erkenntnisse so zu verwerten, wie es den Interessen sowohl der beratenen Betriebe als auch der als deren Personal tätigen oder in Aussicht genommenen Einzelpersonen am besten entspricht. Hingegen ist es für Wissenschaft charakteristisch, daß sie sich die Vermehrung des menschlichen Wissens im Interesse der Allgemeinheit zum Ziele setzt. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers aber dient und nützt nur einem von vornherein ganz bestimmten Kreis, nämlich seiner Klientel. Damit ist sie genau so wenig wissenschaftlich, wie etwa die Abfassung einer Rechtsmittelschrift durch einen Rechtsanwalt für einen von ihm vertretenen Klienten in einem konkreten Verfahren auch dann, wenn die darin enthaltenen Ausführungen dem Aufbau (ihrer Methode) und dem Gehalt (ihrem Niveau) nach einer rechtswissenschaftlichen Arbeit gleichartig sind. Denn so richtig es ist, daß eine an sich wissenschaftliche Tätigkeit ihren Charakter als solche nicht verliert, wenn ihr Ergebnis zu wirtschaftlichen Zwecken ausgewertet wird (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1972, Zl. 1106/70), so wenig gehört die praktische Verwertung der von einer Wissenschaft erarbeiteten Erkenntnisse, wie sie durch den Beschwerdeführer erfolgt, noch zur wissenschaftlichen Tätigkeit selbst.

Die Tätigkeit des Betriebspsychologen, wie sie der Beschwerdeführer ausübt, ist also weder eine der freiberuflichen des Arztes ähnliche noch eine wissenschaftliche, sodaß die belangte Behörde damit, daß sie diese Tätigkeit als gewerbliche qualifizierte, Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat.

Da die Tätigkeit, wie bereits erwähnt, darin besteht, bestimmten Betrieben auf dem Gebiete des Personalwesens fachpsychologische Beratung zu leisten, schließt sie als in Betracht kommende Formen dieser Beratung die Abhaltung sogenannter "innerbetrieblicher Seminare" und die Erstattung schriftlicher Gutachten über einzelne Beschäftigte oder Stellenwerber mit ein, gleichgültig, ob eine Beratung eines Betriebes ausschließlich in einer der eben genannten oder daneben auch in anderen Formen erfolgt. Damit sind diese Tätigkeiten Teiltätigkeiten im Rahmen der Haupttätigkeit des Beschwerdeführers und stehen zu dieser nicht im Verhältnis einer Tätigkeit, aus der "Nebeneinkünfte" im Sinne des § 38 Abs. 4 EStG 1972 erzielt werden. Damit ist die Anwendung des begünstigten Steuersatzes auf Einkünfte aus den erwähnten Bereichen ausgeschlossen und es muß die Frage auf sich beruhen, ob diese Einkünfte als solche aus der Verwertung von selbst geschaffenen literarischen Urheberrechten anzusehen sind oder nicht. Die in diese Richtung zielenden Ausführungen der Beschwerde gehen am Kern der Sache vorbei und vermögen eine unterlaufene Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Frage der Zuerkennung eines ermäßigten Steuersatzes nicht aufzuzeigen.

Auch Verletzungen von Verfahrensvorschriften, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, sind nicht unterlaufen. Die Anführung des Beispiels einer Hebamme in der Bescheidbegründung war wohl überflüssig, konnte aber nichts an der oben ausführlich erörterten Rechtslage ändern. Ob innerbetriebliche Seminare "isoliert", d. h. nur für Betriebe, die der Beschwerdeführer auf andere Art nicht beraten hat, abgehalten wurden oder nur parallel zu anderen für diese Betriebe erbrachten Leistungen, ist unerheblich, weil es sich in jedem Fall um Leistungen zugunsten eines bestimmten Klienten und damit um betriebsberatende Tätigkeit handelte.

Die damit insgesamt unbegründete Beschwerde mußte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abgewiesen werden.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung war abzusehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ (§ 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965).

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Bund beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 12. April 1983

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