VwGH 82/14/0151

VwGH82/14/015119.3.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerde des HG in S, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, Linzerstraße 2/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 19. April 1982, Zl. 13/12/3-BK/Z-1982, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1977 bis 1979, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §18 Abs1 Z1;
EStG 1972 §18 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob als Rentenzahlungen bezeichnete Beträge, die der Beschwerdeführer an seinen Bruder geleistet hat, als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG abzugsfähig sind, oder ob es sich hiebei um nichtabzugsfähige Raten handelt.

Den Verwaltungsakten läßt sich hiezu folgender Sachverhalt entnehmen:

Der Beschwerdeführer wurde von seinem Vater mit Testament vom 3. Mai 1975 zum Universalerben eingesetzt. Im Testament ordnete der Erblasser weiters an, daß der Beschwerdeführer seinem Bruder zur Abgeltung der Erbansprüche neben einer Einmalzahlung von S 100.000,-- eine wertgesicherte Rente von monatlich S 2.500,-- bis zur Erreichung des 45. Lebensjahres zu bezahlen habe. Für den Fall, daß die Ehegattin des Erblassers gleichzeitig mit diesem versterben würde, sollte sich die Rente auf monatlich S 3.000,-- erhöhen.

Mit Notariatsakt vom 29. Juli 1975 schenkte der Vater des Beschwerdeführers dem damals 25-jährigen Bruder des Beschwerdeführers eine Leibrente von monatlich S 3.000,-- auf die Dauer von 15 Jahren (bis zum 30. Juni 1990). Bei Ableben des Rentenberechtigten sollte die Leibrente "auf die bedungene Dauer auf die leiblichen Kinder des Beschenkten nach Stämmen gleich" übergehen. Eine Sicherstellung der Leibrente war zu Lebzeiten des Vaters nicht vorgesehen. Im Falle des Todes des Vaters sollte der Bruder des Beschwerdeführers aber berechtigt sein, die Leibrente

"vom Nachlaß ... in Form der Reallast des Unterhaltes auf der zum

Nachlaß gehörigen Liegenschaft" zu fordern.

Im selben Notariatsakt erklärte der Bruder des Beschwerdeführers, "mit der vorstehenden Schenkung hinsichtlich seines gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsanspruches vollständig entfertigt worden zu sein", weshalb er mit Wirkung für sich und seine Kinder vorbehaltslos auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber seinem Vater verzichte.

Der Vater des Beschwerdeführers verstarb im Jahre 1976. Der Beschwerdeführer machte in der Folge die von ihm an seinen Bruder gezahlten Beträge unter dem Titel Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben geltend. Bei einer im Jahre 1981 beim Beschwerdeführer für die Jahre 1977 bis 1979 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß es sich bei den Rentenzahlungen nicht um Sonderausgaben, sondern um "eine ratenweise Auszahlung" des Erbteils handle.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die von ihm an seinen Bruder gezahlte Rente stelle eine Zeitrente dar, da sie einerseits auf das Leben zweier Personen (Bruder und dessen leiblichen Sohn) abgestellt und andererseits zeitlich begrenzt sei. Zeitrenten seien jedoch als Sonderausgaben absetzbar.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Der "Schenkungs- und Pflichtteilverzichtsvertrag" enthalte keine Regelung dahin gehend, daß die Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers bei Ableben seines Bruders erlösche. Es müsse somit davon ausgegangen werden, daß der Zahlungsanspruch auf den oder die Rechtsnachfolger als Berechtigte übergehe. "Periodisch wiederkehrende Leistungen, welche unabhängig von der Lebenszeit einer Person vereinbart werden", seien aber keine als Sonderausgaben abzugsfähigen Zeitrenten.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG gehören zu den Sonderausgaben auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die weder Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind noch mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben oder nicht der Einkommensteuer unterliegen.

Die belangte Behörde lehnt die Abzugsfähigkeit der vom Beschwerdeführer an seinen Bruder geleisteten monatlichen Zahlungen als Sonderausgaben mit der Begründung ab, es handle sich dabei um eine zeitlich befristete Verpflichtung, die deswegen keine Renteneigenschaft aufweise, weil nicht vorgesehen sei, daß sie mit dem Ableben der begünstigten Person erlösche. Damit fehle es der Verpflichtung an dem für eine Rente (Zeitrente) erforderlichen aleatorischen Merkmal.

Diese Auffassung findet im Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, wie es den Verwaltungsakten zu entnehmen ist, keine Deckung. Der durch einen Notariatsakt beurkundete Schenkungs- und Pflichtteilverzichtsvertrag, der knapp drei Monate nach der Testamentserrichtung zwischen dem Vater und dem Bruder des Beschwerdeführers abgeschlossen wurde, bezeichnet die monatliche Zahlungsverpflichtung als (zeitlich befristete) "Leibrente". Dementsprechend findet sich auch in dem Notariatsakt in einer als "Konstatierung" bezeichneten Anfügung die Bestimmung, daß die "vereinbarte Leibrente" bei Ableben des Beschenkten (= Bruder) auf die bedungene Dauer auf die leiblichen Kinder des Beschenkten nach Stämmen gleich übergeht. Diese Regelung sowie die wiederholt gewählte Bezeichnung "Leibrente" bringen den Rentencharakter der Zahlungsverpflichtung genügend klar zum Ausdruck. Besteht doch das Wesen einer Leibrente darin, daß sie von der Lebensdauer einer bestimmten Person, in der Regel des Rentenberechtigten, abhängt. Wird daher eine als solche bezeichnete Leibrentenvereinbarung getroffen, so bedarf es keiner ausdrücklichen vertraglichen Bestimmung, wonach die Rentenverpflichtung mit dem Tod des Rentenberechtigten erlischt. Nur wenn dies nicht der Fall sein soll, weil z.B. der Eintritt einer dritten Person als Rentenberechtigter vorgesehen ist, oder weil für die Dauer der Rentenverpflichtung die Lebensdauer einer dritten Person (also nicht die des Rentenberechtigten) maßgebend sein soll, erweist sich eine diesbezügliche Regelung als erforderlich. Denkt man sich im Beschwerdefall die zeitliche Befristung der Rentenverpflichtung bis zum 30. Juni 1990 weg, so würde nichts gegen die Annahme einer Leibrentenverbindlichkeit sprechen, die nach dem Tod des zunächst anspruchsberechtigten Bruders "nach Stämmen gleich" auf dessen leibliche Kinder, nicht jedoch auf irgendwelche andere als Erben in Betracht kommende Personen übergehen würde.

Der belangten Behörde kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie in ihrer Gegenschrift ausführt, die "Konstatierung" sei unklar und könne höchstens bewirken, daß im Falle des Todes des Bruders zunächst dessen minderjähriges Kind rentenberechtigt wäre, daß aber bei dessen Ableben "jedenfalls die gesetzliche Erbfolge eintreten" würde und daher der Anspruch auf die monatlichen Zahlungen z.B. auch auf die Ehegattin des Bruders übergehen könnte.

Geht man nun im Beschwerdefall davon aus, daß die als Nachlaßverbindlichkeit übernommene Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers losgelöst von ihrer zeitlichen Befristung den Charakter einer Leibrentenverpflichtung hätte, dann führt das Hinzutreten des Merkmals der zeitlichen Befristung lediglich dazu, daß geprüft werden muß, ob der als Laufzeit der Rentenverpflichtung vorgesehene Zeitraum so lange ist, daß das aleatorische Merkmal der Rente nicht verloren geht. Dazu ist zu sagen, daß dem Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall ein 15- jähriger Zeitraum genügend lange erscheint, um die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Ablebens der rentenberechtigten Personen (aleatorischer Faktor) noch als ausreichend anzusehen. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Tz. 2.3 zu § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG, sowie Schubert-Pokorny-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, S. 512, verweisen diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, wonach bereits ein Zeitraum von 10 Jahren als ausreichend bezeichnet wird. Klarstellend sei hier jedoch bemerkt, daß das zulässige Ausmaß einer zeitlichen Befristung nach Auffassung des Gerichtshofes nicht ohne Rücksicht auf die Lebenserwartung der rentenberechtigten Personen beurteilt werden kann.

Da die belangte Behörde die Verpflichtung des Beschwerdeführers zu Unrecht als Ratenverpflichtung und nicht als Zeitrentenverpflichtung beurteilt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Zuspruch von Umsatzsteuer über den mit S 8.060,-- pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes hinaus nicht vorgesehen ist.

Wien, am 19. März 1985

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte