VwGH 82/14/0056

VwGH82/14/005619.10.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde der Firma A & Co, Stickereifabrik in R, vertreten durch Dr. Hans Mandl, Rechtsanwalt in Feldkirch, Sparkassenplatz 1, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg, Berufungssenat, vom 12. Oktober 1981, Zl. 2186-2/1981, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1975 bis 1977, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §10 Abs2 Z1 idF vor 1977/645;
EStG 1972 §8 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982140056.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem angefochtenen Bescheid liegt folgender, unbestrittener Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführerin, eine Kommanditgesellschaft, betreibt eine Stickerei und eine Sauna mit Hallenbad und Gastwirtschaft. Weiters vermietet sie Teile eines in ihrem Eigentum stehenden Gebäudes, das sie im Jahre 1964 angeschafft hat, seit dem Jahre 1966. Im Jahre 1975 begann sie mit der Errichtung eines weiteren Gebäudes. Dieses umfaßt außer betrieblich genutzten Räumen (lt. Beschwerde für den Stickereiexport und den Gastgewerbebetrieb mit Sauna und Hallenbad) zwei Wohnungen "mittlerer Größe" und zwei Kleinwohnungen. Diese Wohnungen waren im Jahre 1977 bezugsfertig. Eine der Wohnungen "mittlerer Größe" wurde an eine nicht betriebszugehörige Person, die andere an die in den Streitjahren am Unternehmen der Beschwerdeführerin beteiligte EK vermietet. Eine Kleinwohnung wurde an eine nicht betriebszugehörige Person in Bestand gegeben. Die zweite Kleinwohnung wird von einer bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmerin genutzt.

Das Finanzamt vertrat bei der Veranlagung der Streitjahre die Auffassung, daß die von EK genutzte Wohnung zum notwendigen Privatvermögen gehöre und anerkannte u.a. die von den Anschaffungskosten dieser Wohnung geltend gemachte vorzeitige Abschreibung sowie die damit zusammenhängenden Vorsteuern nicht an. Was die Wohnungen betrifft, die die Beschwerdeführerin an nicht betriebszugehörige Personen vermietet hat, vertrat das Finanzamt die Ansicht, daß diese nicht unmittelbar dem Betriebszweck dienten, und versagte den im Zusammenhang mit der Anschaffung dieser Wohnungen geltend gemachten Investitionsfreibetrag.

Im Rechtsmittelverfahren führte die Beschwerdeführerin mit Berufung und Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz im wesentlichen aus, EK habe dem Unternehmen der Beschwerdeführerin seit der Gründung im Jahre 1957 als "geschäftsführende Gesellschafterin" vorgestanden. Bereits im Jahre 1975 sei entschieden worden, daß sie nach Erreichung der Volljährigkeit ihres Sohnes im Jahre 1977 als Gesellschafterin ausscheiden und in der Folge als leitende Angestellte im Betrieb der Beschwerdeführerin tätig sein solle. Mit 1. Jänner 1978 sei sie sodann in ein Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin getreten. Als Teil der Ansprüche aus dem Dienstvertrag sei ihr die genannte Wohnung zur Nutzung überlassen bzw. vermietet worden. Im Unternehmen der Beschwerdeführerin stünden einem Großteil der Arbeitnehmer und deren Familien Dienstwohnungen zur Verfügung. Bisher habe EK zusammen mit ihrer Familie ein Einfamilienhaus bewohnt, das in ihrem Miteigentum stehe. Nach der im dienstlichen Interesse vorgenommener Übersiedelung in die Dienstwohnung sei das Einfamilienhaus an im Unternehmen der Beschwerdeführerin beschäftigte Personen vermietet worden. Damit sei erwiesen, daß die genannte Wohnung für eine betriebszugehörige Dienstnehmerin errichtet worden sei, womit vorzeitige Abschreibung und Vorsteuerabzug zustünden.

Bezüglich des nicht anerkannten Investitionsfreibetrages führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß sie schon seit dem Jahre 1966 ein ausschließlich zu diesem Zweck erworbenes und in der Folge hiefür auch ausgebautes Gebäude vermietet und daraus erhebliche Mieteinnahmen erzielt habe. Diese Einnahmen deckten nicht nur die mit dem Gebäude im Zusammenhang stehenden Aufwendungen, sondern leisteten darüber hinaus einen wesentlichen Deckungsbeitrag für die Betriebsausgaben des Stickereibetriebes. Es könnte kein Zweifel bestehen, daß auch die Vermietung selbst ebenso wie der spätere Saunabetrieb Betriebsgegenstand (Betriebszweck) der Beschwerdeführerin sei und die zur Vermietung angeschafften bzw. errichteten Gebäude und Gebäudeteile unmittelbar dem Betriebszweck dienten.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Bezüglich der "Dienstwohnung" der EK gründete die belangte Behörde ihre ablehnende Entscheidung vornehmlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1978, Zl. 1951/76, Slg. Nr. 5324/F, wonach eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau zur gemeinsamen Haushaltsführung dient, zum Privatvermögen gehört, auch wenn sie der Ehegattin als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wird. In den Streitjahren sei EK (noch) bei der Beschwerdeführerin Mitunternehmerin gewesen. Am privaten Charakter der gegenständlichen Wohnung ändere sich auch ab dem Jahre 1978 nichts, da die Wohnung auch ihrem Ehegatten, der am Unternehmen der Beschwerdeführerin beteiligt sei, zur gemeinsamen Haushaltsführung diene.

In der Frage, ob die an Betriebsfremde vermieteten Wohnungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 unmittelbar dem Betriebszweck dienten, stützte sich die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1980, Zl. 442/79, Slg. Nr. 5484/F. Unter Wiedergabe der entscheidungswesentlichen Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde dar, auch wenn die Vermietung einzelner Gebäude oder Gebäudeteile innerhalb eines vom Vermieter unterhaltenen Gewerbebetriebes erfolge und die Einkünfte daraus als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln seien, könnte der Investitionsfreibetrag doch von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der vermieteten Gebäude oder Gebäudeteile nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie dem Betriebszweck dieses Gewerbebetriebes, im gegenständlichen Fall des Stickereibetriebes bzw. der Sauna unmittelbar (im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung) dienten. Dies sei gegenständlich nicht der Fall. Deswegen, weil mit den Einnahmen aus den vermieteten Wohnungen die Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Stickereibetrieb teilweise abgedeckt würden, dienten die vermieteten Wohnungen noch nicht unmittelbar den Betriebszwecken dieser Betriebe.

Vorliegende Beschwerde machte inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Die Berufungsentscheidung der belangten Behörde "wird insoweit angefochten als die Beschwerdeführerin in dem ihr gemäß § 8, Abs. 2, Ziff. 1 a bzw. § 10 EStG 1972, BGBl. Nr. 440, in der derzeit geltenden Fassung, gewährleisteten Rechte auf Zuerkennung einer vorzeitigen Abschreibung bei einem Gebäude, soweit es für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt ist, und auf Zuerkennung eines Investitionsfreibetrages für ein Gebäude, das unmittelbar einem Betriebszweck dient, verletzt wurde." Die Umsatzsteuer ist sohin nicht Gegenstand der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 Abs. 1 EStG 1972 kann eine vorzeitige Abschreibung "von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der ... Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" vorgenommen werden. Das Anlagevermögen aber ist eine Form des Betriebsvermögens. Die Vornahme der vorzeitigen Abschreibung setzt daher die Zugehörigkeit des betreffenden Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen voraus. Eine Wohnung, die einem Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau zur gemeinsamen Haushaltsführung dient, gehört jedoch ebenso wie ihre Einrichtung nicht zum Betriebsvermögen; eine solche Wohnung (bzw. der entsprechende Teil eines Gebäudes) und ihre Einrichtung bilden notwendiges Privatvermögen. Diese Eigenschaft kann, wie der Verwaltungsgerichtshof im schon erwähnten Erkenntnis Zl. 1951/76 aussprach, die gemeinsame eheliche Wohnung (samt Einrichtung) auch dadurch nicht verlieren, daß sie der Ehegattin des Steuerpflichtigen "als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt" (vermietet) wird; denn am unverändert objektiven Verwendungszweck der Wohnung und ihrer Einrichtung für die Haushaltsführung des Steuerpflichtigen„ der die Zurechnung zum notwendigen Privatvermögen begründet und jene zum Betriebsvermögen ausschließt, ändert sich dadurch nichts.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht im Beschwerdefall keinen Anlaß zu einer vom Erkenntnis Zl. 1951/76 abweichenden Beurteilung. Die Feststellung der belangten Behörde, daß die Wohnung, bezüglich derer die Frage der vorzeitigen Abschreibung strittig ist, ab ihrer Fertigstellung nicht nur der nunmehrigen Dienstnehmerin (bisherigen Gesellschafterin) EK, sondern auch ihrem Ehegatten, der unbestrittenermaßen (weiterhin) am Unternehmen der Beschwerdeführerin beteiligt ist, zur gemeinsamen Haushaltsführung diente, blieb nicht nur unwidersprochen; sie wird vielmehr durch das Beschwerdevorbringen bestätigt, daß EK die Wohnung seit der Fertigstellung Ende 1977 zusammen mit ihrem Ehegatten, der Kommanditist der Gesellschaft sei, bewohne.

Daß die Wohnung im Beschwerdefall anders als im Fall des Erkenntnisses Zl. 1951/76 nicht einem Einzelunternehmer, sondern einem Mitunternehmer zur Haushaltsführung dient, macht keinen wesentlichen Unterschied; denn die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen oder zum notwendigen Privatvermögen zu rechnen ist, läßt sich für eine Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) nicht anders beantworten als für einen Einzelunternehmer, zumal eine gleichmäßige Behandlung von Einzelunternehmern und Mitunternehmern bei der Gewinnermittlung einem insbesondere aus § 23 Z. 2 EStG 1972 hervorleuchtenden Grundgedanken des Einkommensteuerrechtes entspricht (siehe Stoll, Ertragsbesteuerung der Personengesellschaften, insbesondere Seite 34 ff).

Der in der Beschwerde wiedergegebene Auszug aus Scherdoner-Taucher, Dienst- und Werkverträge zwischen Angehörigen (Seite 152), in Ruppe, Familienverträge und Individualbesteuerung, trifft zum Problem der auch vom Unternehmer (Mitunternehmer) bewohnten "Dienstwohnung" der Ehegattin keine unmittelbare Aussage. Auf der nächsten Seite derselben Abhandlung wird jedoch immerhin vermerkt, "die gemeinsame Wohnung ist nicht Ausfluß des Arbeitsverhältnisses, sondern der Ehe".

Die in der Beschwerde ins Treffen geführte Absicht, nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit EK die von ihr jetzt genutzte Dienstwohnung dem nachfolgenden Abteilungsleiter als Dienstwohnung zu vermieten, erweist sich allein schon im Hinblick auf das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG 1965 ergebende Neuerungsverbot als unbeachtlich.

2. Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 in der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden ursprünglichen Fassung darf ein Investitionsfreibetrag nicht in Anspruch genommen werden für Gebäude, soweit sie nicht unmittelbar dem Betriebszweck dienen oder soweit sie nicht für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt sind.

Zu dieser Gesetzesstelle hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Mai 1980, Zl. 442/79, Slg. Nr. 5484/F, soweit dies für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutsam ist, ausgeführt, daß das Gesetz keine abschließende Aussage enthält, wann ein Gebäude nicht unmittelbar dem Betriebszweck dient. Es bietet lediglich insoweit einen Anhaltspunkt für eine Begriffsbestimmung, als es für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmte Gebäude unmittelbar dem Betriebszweck dienenden Gebäuden gleichstellt, was entbehrlich wäre, wenn Wohngebäude für Arbeitnehmer nach Ansicht des Gesetzgebers unmittelbar dem Betriebszweck dienten. Wohngebäude für Arbeitnehmer stellen sohin keine dem Betriebszweck unmittelbar dienenden Gebäude dar. Auf Grund des vom Gesetz gegebenen Anhaltspunktes ist auch zu erschließen, daß nicht schon jedes vom Betriebsinhaber als zweckmäßig erachtete Gebäude im Sinne des Gesetzes unmittelbar dem Betriebszweck dient. Es ist vielmehr nach dem Erkenntnis Slg. Nr. 5484/F davon auszugehen, daß ein Gebäude (nur) dann unmittelbar dem Betriebszweck dient, wenn es von seiner Funktion her jene Tätigkeit(en) ermöglicht, die der Betrieb nach seinem Hauptzweck zur Erzielung der Betriebseinnahmen entfaltet. Wenn die Vermietung oder Verpachtung dem auf einen anderen Hauptzweck gerichteten Betrieb lediglich Miet- oder Pachteinnahmen verschafft, dient das vermietete oder verpachtete Gebäude (Gebäudeteil) nicht unmittelbar dem Betriebszweck.

Im Beschwerdefall erscheint nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Stickerei allenfalls noch das Gastgewerbe mit Sauna und Hallenbad der Hauptzweck der von der Beschwerdeführerin zur Erzielung der Betriebseinnahmen entfalteten Tätigkeit. Gegen eine Vermietung und Verpachtung als (weiteren) Hauptzweck sprechen nicht nur die in ihrer absoluten Höhe zwar nicht unbeachtlichen, im Verhältnis zu den Stickereierlösen aber unbedeutenden Mieteinnahmen, wie sie sich aus den aktenkundigen Bilanzen der Beschwerdeführerin für die Streitjahre ergeben (das Verhältnis beträgt nicht einmal 1 : 10), wobei übrigens die Mieteinnahmen in den Bilanzen unter den sonstigen Erlösen aufscheinen, während Erlöse und Saunaerlöse (einschließlich Erlöse aus Speisen und Getränken) als "Erlöse aus Lieferungen und Leistungen" ausgewiesen sind. Gegen einen (weiteren) Hauptzweck "Vermietung und Verpachtung" spricht ferner, daß in den Abgabenerklärungen der Beschwerdeführerin als Gegenstand (Art) des Unternehmens nur Stickerei oder Stickerei und Sauna angegeben wurde, obwohl das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof darauf abzielt, daß die Vermietung und Verpachtung schon vor den Streitjahren ein Hauptzweck des Unternehmens der Beschwerdeführerin war. Schließlich zeigte die Beschwerdeführerin in der Berufung auf, daß die Mieteinnahmen nicht nur die mit der Vermietung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen deckten, sondern darüber hinaus einen wesentlichen Deckungsbeitrag für die Betriebsausgaben der Lohnstickerei leisteten. Auch dieses Vorbringen rechtfertigt im Sinne des Erkenntnisses Slg. Nr. 5484/F die Annahme, daß die vermieteten Gebäudeteile nicht unmittelbar dem Betriebszweck dienten. Nur mit den für den Stickereiexport und den für das Gastgewerbe (Sauna, Hallenbad) bestimmten Gebäudeteilen erscheint bei zusammenfassender Würdigung des Beschwerdefalles dem Betriebszweck unmittelbar Rechnung getragen.

Die Beschwerde läßt sohin auch in diesem Punkt keine Rechtswidrigkeit erkennen. Sie erweist sich vielmehr insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 19. Oktober 1982

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